Rifkin's Festival (2022)
Mach's noch einmal, Woody: Der weltbekannte New Yorker Regisseur legt seinen 49. Film vor.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Obwohl der erfolglose Romanautor Mort Rifkin (Wallace Shawn) lange Jahre als Filmdozent tätig war, hat er noch nie ein Filmfestival besucht. Das ändert sich jetzt, als er seine Frau Sue (Gina Gershon) zum Filmfestival ins spanische San Sebastián begleitet. Sue hat die Pressearbeit für den neuen Film des gefeierten französischen Regisseurs Philippe (Louis Garrel) übernommen und ist so viel mit dem Filmemacher beschäftigt, dass Mort seiner Frau und dem Regisseur eine Affäre unterstellt. Vom Festivalzirkus gelangweilt, geht Mort alsbald seine eigenen amourösen Wege.
Ein Herzleiden führt ihn in die Praxis der Ärztin Jo (Elena Anaya), an die Mort schnell sein Herz verliert. Jo ist unglücklich mit dem Maler Paco (Sergi López) verheiratet, was Mort darauf hoffen lässt, Jo wolle aus ihrem Ehegefängnis ausbrechen und mit ihm durchbrennen. Währenddessen wird er von nächtlichen Albträumen und seltsamen Tagträumen geplagt. Darin durchlebt er die entscheidenden Stationen seines Lebens noch einmal – in Schwarzweiß und wie in seinen Lieblingsfilmen.
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Filmkritik
Eines der bekanntesten Bonmots von Woody Allen lautet, dass er nicht durch sein Werk Unsterblichkeit erzielen wolle, sondern dadurch, nicht zu sterben. Lange Zeit sah es tatsächlich danach aus. So präzise wie ein Schweizer Uhrwerk legte der 1935 geborene New Yorker Jahr um Jahr einen neuen Film vor. So präzise wie seine besten Werke waren Allens Komödien zuletzt zwar nicht mehr, aber immer noch sehenswert. Nur Gott höchstselbst schien den Stadtneurotiker davon abhalten zu können, seine Neurosen auf der großen Leinwand mit der Welt zu teilen. Am Ende war es nicht der Allmächtige, sondern ein alter Missbrauchsvorwurf, der den Regisseur wieder einholte.
Inzwischen sind die Abstände zwischen Allens Filmen größer geworden, und seine Filme sind nicht mehr überall zu sehen. Das hat mit den Missbrauchsvorwürfen aus dem Jahr 1992 zu tun, die im Zuge der #MeToo-Debatte erneuert wurden. (Allen bestreitet sie nach wie vor vehement. Die Zweifel an den Vorwürfen sind nicht unerheblich. Bis heute steht in dem Fall, der nie vor Gericht gelandet ist, Aussage gegen Aussage.) Als sie wieder hochkochten, kündigten die Amazon Studios ihren Vertrag mit dem Filmemacher, der auf fünf Kinofilme angelegt war. Davon betroffen war zunächst seine Komödie "A Rainy Day in New York" (2018), die von Amazon zurückgehalten wurde, 2020 mit einem neuen Verleiher schließlich in einer Handvoll US-Kinos zu sehen war und auch in Deutschland erst mit erheblicher Verspätung startete.
Für seinen nächsten Film "Rifkin's Festival" musste sich Allen erst einmal neue Geldgeber suchen, die er in Europa fand. Und obwohl die Komödie bereits im September 2020 beim Filmfestival in San Sebastián uraufgeführt wurde, kommt sie erst jetzt, fast zwei Jahre später, in die deutschen Kinos. Das hat zwar vornehmlich mit der Corona-Pandemie zu tun, Allens öffentliche Wahrnehmung dürfte aber ebenfalls eine Rolle spielen. Zumindest in den USA tut sie das. Dort hatte auch "Rifkin's Festival" nur einen limitierten Kinostart und spielte so gut wie kein Geld ein.
All das, gepaart mit einer zunehmenden Verschiebung der Filmbranche weg von den Kinos und hin zu den Streaming-Diensten, scheint Woody Allen allmählich die Laune am Filmemachen zu verderben. In einem Podcast mit dem Schauspieler Alec Baldwin gab er kürzlich zu Protokoll, dass sein 50. Film, den er gerade vorbereitet und der in Paris spielen soll, womöglich sein letzter Film sein könnte. Wer sich seinen 49. Film ansieht, den beschleicht das ungute Gefühl, dass dem Altmeister schon vorher die Lust vergangen ist. "Rifkin's Festival" ist ein Paradebeispiel für die letzte Schaffensphase in Woody Allens langer Karriere: zu gut, um wirklich schlecht zu sein, aber nicht gut genug, um sich vom Rest der mediokren Komödien entscheidend abzusetzen.
Wie in so vielen Filmen zuvor – aus der jüngsten Vergangenheit kommen einem "Wonder Wheel" (2017), "Café Society" (2016), "Irrational Man" (2015) und "Magic in the Moonlight" (2014) in den Sinn – wirkt auch "Rifkin's Festival" unfertig. Mal waren die Geschichten mau und nur leicht kaschierte Variationen älterer und besserer Allen-Filme, mal war die Story gut, aber nicht richtig zu Ende erzählt. "Rifkin's Festival" hat nun ein ganz anderes Problem.
Zwar ist auch dessen Handlung eine Variante (denn eine ganz ähnliche Geschichte erzählte Woody Allen bereits 1980 in seinem Meisterwerk "Stardust Memories"), aber zumindest eine so gute Variante, dass daraus mühelos ein großer Film hätte werden können. Und auf dem Papier funktioniert "Rifkin's Festival" auch. Bis auf Allens Kommentare auf die zeitgenössische Filmbranche, die nicht bissig genug sind und ein wenig "out of touch" wirken, stimmt an seinem Drehbuch nahezu alles. Dass viele der Pointen dennoch verpuffen, liegt am mitunter miserablen Timing und an der Chemie zwischen den Schauspielern, die sich trotz eines hochkarätig besetzten Ensembles einfach nicht einstellen will.
Ein wenig wirkt das so, als hätte Woody Allen nach dem Verfassen des Drehbuchs schlicht keine Lust mehr auf die anschließenden Dreharbeiten gehabt. Am Zeitdruck kann es nicht gelegen haben. Die Dreharbeiten waren gar vor der offiziell gesetzten Frist beendet. Schade, dass Allen die eingesparte Zeit nicht dazu genutzt hat, einige Szenen nachzudrehen. Vor allem die Szenen mit Hauptdarsteller Wallace Shawn hätten es nötig gehabt. So gelungen Shawns Solo-Auftritte, in denen er Allens Pointen als Voiceover-Kommentar zum Besten gibt, auch sind, so schlecht interagiert er mit seinen Kolleginnen Gina Gershon und Elena Anaya. Gleichzeitig kann man sich dabei jederzeit vorstellen, wie hervorragend all das funktioniert hätte, hätte Woody Allen die Hauptrolle selbst gespielt. (Nicht zum ersten Mal leiden seine Filme darunter, dass er die Hauptrolle seinem filmischen Alter Ego "Woody" auf den Leib schreibt, dafür jedoch einen anderen Schauspieler anheuert, der die Rolle anders interpretiert.)
Das Ergebnis ist eine sonderbare Mischung; eine Komödie, die beständig zwischen großartigen und grauslichen Momenten wechselt. Großartig ist zum Beispiel die Idee, das eigene Leben noch einmal in Albträumen und Tagträumen an Mort Rifkins innerem Auge vorbeiziehen zu lassen. Und weil Rifkin ein ehemaliger Filmdozent ist, nehmen diese Träumereien selbstredend die Form weltbekannter Spielfilme an. Und weil der Regisseur dieser Komödie Woody Allen heißt, sind natürlich Allens Lieblingsfilme darunter. Grandios ist es dann, dass ein Traum, der wie Ingmar Bergmans "Persona" (1966) ausschaut, auf Schwedisch gesprochen und untertitelt wird; oder wie Christoph Waltz Bergmans Tod aus "Das siebente Siegel" (1957) interpretiert.
Letztlich können all diese ebenso originell geschriebenen wie versiert exekutierten Szenen diese Komödie aber nicht retten. Dafür versinken zu große Strecken des Films in Mittelmäßigkeit. Was schade ist, denn "Rifkin's Festival" besitzt ausreichend Potenzial. Mit ein wenig mehr Mühe, Präzision und Lust hätte ein großartiger Film daraus werden können.
Fazit: Woody Allens 49. Film ist eine solide Komödie, die allerdings weit hinter dem Potenzial zurückbleibt, das in ihr steckt. Auf dem Papier stimmt nahezu alles: die Story, die Figuren, die Gags und die Dramaturgie. An der Umsetzung hapert es jedoch gewaltig. Timing und Chemie stimmen nicht. Letztlich eine vertane Chance.
Inzwischen sind die Abstände zwischen Allens Filmen größer geworden, und seine Filme sind nicht mehr überall zu sehen. Das hat mit den Missbrauchsvorwürfen aus dem Jahr 1992 zu tun, die im Zuge der #MeToo-Debatte erneuert wurden. (Allen bestreitet sie nach wie vor vehement. Die Zweifel an den Vorwürfen sind nicht unerheblich. Bis heute steht in dem Fall, der nie vor Gericht gelandet ist, Aussage gegen Aussage.) Als sie wieder hochkochten, kündigten die Amazon Studios ihren Vertrag mit dem Filmemacher, der auf fünf Kinofilme angelegt war. Davon betroffen war zunächst seine Komödie "A Rainy Day in New York" (2018), die von Amazon zurückgehalten wurde, 2020 mit einem neuen Verleiher schließlich in einer Handvoll US-Kinos zu sehen war und auch in Deutschland erst mit erheblicher Verspätung startete.
Für seinen nächsten Film "Rifkin's Festival" musste sich Allen erst einmal neue Geldgeber suchen, die er in Europa fand. Und obwohl die Komödie bereits im September 2020 beim Filmfestival in San Sebastián uraufgeführt wurde, kommt sie erst jetzt, fast zwei Jahre später, in die deutschen Kinos. Das hat zwar vornehmlich mit der Corona-Pandemie zu tun, Allens öffentliche Wahrnehmung dürfte aber ebenfalls eine Rolle spielen. Zumindest in den USA tut sie das. Dort hatte auch "Rifkin's Festival" nur einen limitierten Kinostart und spielte so gut wie kein Geld ein.
All das, gepaart mit einer zunehmenden Verschiebung der Filmbranche weg von den Kinos und hin zu den Streaming-Diensten, scheint Woody Allen allmählich die Laune am Filmemachen zu verderben. In einem Podcast mit dem Schauspieler Alec Baldwin gab er kürzlich zu Protokoll, dass sein 50. Film, den er gerade vorbereitet und der in Paris spielen soll, womöglich sein letzter Film sein könnte. Wer sich seinen 49. Film ansieht, den beschleicht das ungute Gefühl, dass dem Altmeister schon vorher die Lust vergangen ist. "Rifkin's Festival" ist ein Paradebeispiel für die letzte Schaffensphase in Woody Allens langer Karriere: zu gut, um wirklich schlecht zu sein, aber nicht gut genug, um sich vom Rest der mediokren Komödien entscheidend abzusetzen.
Wie in so vielen Filmen zuvor – aus der jüngsten Vergangenheit kommen einem "Wonder Wheel" (2017), "Café Society" (2016), "Irrational Man" (2015) und "Magic in the Moonlight" (2014) in den Sinn – wirkt auch "Rifkin's Festival" unfertig. Mal waren die Geschichten mau und nur leicht kaschierte Variationen älterer und besserer Allen-Filme, mal war die Story gut, aber nicht richtig zu Ende erzählt. "Rifkin's Festival" hat nun ein ganz anderes Problem.
Zwar ist auch dessen Handlung eine Variante (denn eine ganz ähnliche Geschichte erzählte Woody Allen bereits 1980 in seinem Meisterwerk "Stardust Memories"), aber zumindest eine so gute Variante, dass daraus mühelos ein großer Film hätte werden können. Und auf dem Papier funktioniert "Rifkin's Festival" auch. Bis auf Allens Kommentare auf die zeitgenössische Filmbranche, die nicht bissig genug sind und ein wenig "out of touch" wirken, stimmt an seinem Drehbuch nahezu alles. Dass viele der Pointen dennoch verpuffen, liegt am mitunter miserablen Timing und an der Chemie zwischen den Schauspielern, die sich trotz eines hochkarätig besetzten Ensembles einfach nicht einstellen will.
Ein wenig wirkt das so, als hätte Woody Allen nach dem Verfassen des Drehbuchs schlicht keine Lust mehr auf die anschließenden Dreharbeiten gehabt. Am Zeitdruck kann es nicht gelegen haben. Die Dreharbeiten waren gar vor der offiziell gesetzten Frist beendet. Schade, dass Allen die eingesparte Zeit nicht dazu genutzt hat, einige Szenen nachzudrehen. Vor allem die Szenen mit Hauptdarsteller Wallace Shawn hätten es nötig gehabt. So gelungen Shawns Solo-Auftritte, in denen er Allens Pointen als Voiceover-Kommentar zum Besten gibt, auch sind, so schlecht interagiert er mit seinen Kolleginnen Gina Gershon und Elena Anaya. Gleichzeitig kann man sich dabei jederzeit vorstellen, wie hervorragend all das funktioniert hätte, hätte Woody Allen die Hauptrolle selbst gespielt. (Nicht zum ersten Mal leiden seine Filme darunter, dass er die Hauptrolle seinem filmischen Alter Ego "Woody" auf den Leib schreibt, dafür jedoch einen anderen Schauspieler anheuert, der die Rolle anders interpretiert.)
Das Ergebnis ist eine sonderbare Mischung; eine Komödie, die beständig zwischen großartigen und grauslichen Momenten wechselt. Großartig ist zum Beispiel die Idee, das eigene Leben noch einmal in Albträumen und Tagträumen an Mort Rifkins innerem Auge vorbeiziehen zu lassen. Und weil Rifkin ein ehemaliger Filmdozent ist, nehmen diese Träumereien selbstredend die Form weltbekannter Spielfilme an. Und weil der Regisseur dieser Komödie Woody Allen heißt, sind natürlich Allens Lieblingsfilme darunter. Grandios ist es dann, dass ein Traum, der wie Ingmar Bergmans "Persona" (1966) ausschaut, auf Schwedisch gesprochen und untertitelt wird; oder wie Christoph Waltz Bergmans Tod aus "Das siebente Siegel" (1957) interpretiert.
Letztlich können all diese ebenso originell geschriebenen wie versiert exekutierten Szenen diese Komödie aber nicht retten. Dafür versinken zu große Strecken des Films in Mittelmäßigkeit. Was schade ist, denn "Rifkin's Festival" besitzt ausreichend Potenzial. Mit ein wenig mehr Mühe, Präzision und Lust hätte ein großartiger Film daraus werden können.
Fazit: Woody Allens 49. Film ist eine solide Komödie, die allerdings weit hinter dem Potenzial zurückbleibt, das in ihr steckt. Auf dem Papier stimmt nahezu alles: die Story, die Figuren, die Gags und die Dramaturgie. An der Umsetzung hapert es jedoch gewaltig. Timing und Chemie stimmen nicht. Letztlich eine vertane Chance.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Rifkin's Festival"
Land: Spanien, USA, SchwedenJahr: 2022
Genre: Komödie, Romantik
Länge: 88 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 07.07.2022
Regie: Woody Allen
Darsteller: Wallace Shawn als Mort Rifkin, Michael Garvey als Psychiatrist, Damian Chapa als Festivalgoer, Bobby Slayton als Festivalgoer, Gina Gershon als Sue
Kamera: Vittorio Storaro
Verleih: Filmwelt
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