Warten auf Bojangles (2022)

Nach der Lektüre von Olivier Bourdeauts Debütroman "Warten auf Bojangles" (2016) stellte sich der Regisseur Régis Roinsard eine Frage, die exemplarisch für seine Romanverfilmung stehen könnte: "Wie weit geht man für den Menschen, den man liebt?" Der Regisseur ging weit. Seine Adaption ist, wenn man so will, ein Liebesbeweis. Denn Roinsards Frau scherzte, ihn zu verlassen, wenn er Bourdeauts Vorlage nicht adaptieren würde. Von der im Film gezeigten Aufopferungsbereitschaft ist das freilich noch ein gutes Stück entfernt.

Romain Duris spielt Georges Fouquet, einen liebenswerten Lebemann, der ganze Abendgesellschaften mit seinen Lügengeschichten bei Laune hält. Roinsard wirft Fouquets Modus Operandi mit demselben Charme, der Verve und Eleganz auf die Leinwand, die auch Fouquet an den Tag legt. Während der virtuos inszenierten Exposition schleicht sich der Hochstapler an der Côte d'Azur in die feine Gesellschaft ein und gaukelt gleich mehrere Rollen vor. Er gleitet und blendet. Ein schauspielerisches Bravourstück von Romain Duris. Hier trifft dessen Figur auf die von Virginie Efira nicht minder souverän verkörperte Camille, und es klickt sofort. Hier haben sich zwei gefunden, die ähnlich ticken; die der Last des Alltags durch erfundene Geschichten entfliehen. Und bereits hier deutet sich an, dass bei Camille mehr als nur die Freude am Fabulieren dahintersteckt.

Bourdeauts Erstlingswerk war geradezu prädestiniert, verfilmt zu werden. Direkt nach Erscheinen heimste der Debütant mehrere Preise für seinen Roman ein, der sich in der Folge wie geschnitten Brot verkaufte. Adaptionen als Comic, Hörspiel und Theaterstück folgten. Die Geschichte, besser gesagt die Figurenkonstellation ist aber auch einfach zu gut, um nicht in anderen Medien umgesetzt zu werden. Bei Bourdeaut dürfen Erwachsene wie Kinder sein und muss das Kind dieser Erwachsenen früh erwachsen werden. Roinsard hat daraus einen bezaubernden Film gemacht, der als schwungvolle Komödie beginnt und als Drama endet, das sich aber bis zum Schluss seinen Humor bewahrt.

Der 1972 geborene Filmemacher liebt die 1950er- und 1960er-Jahre, was sich bereits an seinem Langfilmdebüt "Mademoiselle Populaire" (2012) ablesen lies. Gemeinsam mit seinem Co-Drehbuchautor Romain Compingt hat er auch Bourdeauts Roman in diese Epoche versetzt, was wiederum gut zum Originaltitel des Buches "En attendant Bojangles" passt. Der erinnert an Samuel Becketts 1952 erschienenes Theaterstück "En attendant Godot" (dt. "Warten auf Godot"), und bei Georges Fouquets Versuch, mit den Verrücktheiten seiner Frau mitzuhalten, nimmt die Handlung immer wieder absurde Züge an.

"Warten auf Bojangles" ist eine sagenhaft ausgestattete und farbenprächtig inszenierte Amour fou, die nicht spurlos an einem vorübergeht. Am stärksten davon betroffen ist Georges' und Camilles Sohn Gary, den Solan Machado Graner so überzeugend und selbstverständlich spielt, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht. Dabei ist es seine erste Rolle. Im Umfeld allabendlicher Cocktailpartys parliert Gary wie ein Erwachsener und muss angesichts der psychischen Erkrankung seiner Mutter und des laxen Umgangs seines Vaters damit auch früh erwachsen werden. Dem Kino beschert diese Konstellation eine der schönsten erwachsenen Kinderfiguren und eine der ausgeflipptesten Familien überhaupt.

Der Regisseur hält gekonnt die Waage zwischen Witz und Wahnsinn. Am Ende geht sein Film auch am Publikum nicht spurlos vorüber. Wie Roinsard stellen sich auch die Zuschauenden die Frage, wie weit sie für die Liebe gehen würden, ob der im Film aufgezeigte Weg der richtige oder der falsche ist und wie wir vom Wahnsinn, der Liebe und einer wahnsinnigen Liebe erzählen wollen. Régis Roinsard erzählt von alldem bittersüß. Eine gute Wahl!

Fazit: Régis Roinsard hat den gleichnamigen Roman von Olivier Bourdeaut als humorvolles Drama mit einer bittersüßen Note verfilmt. "Warten auf Bojangles" ist eine farbenprächtig und schwungvoll inszenierte, herausragend gespielte Amour fou, die nicht spurlos am Publikum vorübergeht.