Wie im echten Leben (2022)

Das Drama "Wie im echten Leben" basiert auf dem Sachbuch "Le Quai de Ouistreham" der französischen Journalistin Florence Aubenas, das 2010 im Deutschen unter dem Titel "Putze: mein Leben im Dreck" erschienen ist. Aubenas beschreibt darin, wie sie sich im Rahmen einer investigativen Recherche in der Hafenstadt Caen arbeitslos meldete, um Jobs als Reinigungskraft zu erhalten. Auf diesem Wege wollte sie den Alltag und die Arbeitsbedingungen an den Rändern der Gesellschaft kennenlernen und sie ihrer Leserschaft vermitteln.

Die Schauspielgröße Juliette Binoche ist nicht nur als Hauptdarstellerin (und einziger Star in einem bewusst aus Laiinnen und Laien bestehenden Cast) an dem Projekt beteiligt, sondern war als Produzentin auch die treibende Kraft dahinter. Das Ergebnis ist ein starker Film, der neben der Härte der Arbeit vor allem die Solidarität unter den Leuten zeigt. Dass die Protagonistin gewissermaßen undercover unterwegs ist, erfahren wir erst nach einer Weile ganz explizit. Zunächst führt das von Regisseur Emmanuel Carrère und dessen Co-Autorin Hélène Devynck verfasste Drehbuch die Aubenas nachempfundene Figur Marianne Winckler als die Person ein, die sie zu sein vorgibt: eine geschiedene Frau, die dringend Geld verdienen muss. Und so erleben wir mit ihr den Bewerbungsprozess und die Einführungen in die Reinigungsarbeit.

Es gelingt dem Film, einerseits Wahrhaftigkeit zu erzeugen – nicht zuletzt durch die Besetzung der weiteren Rollen mit Personen, deren Lebensrealität nah am Geschilderten dran ist –, und zugleich das Spiel damit zu reflektieren. Beutet Marianne das Vertrauen ihrer Putz-Kolleginnen nicht auch aus, indem sie sich für ihr Schreibvorhaben als "eine von ihnen" ausgibt? Das Skript und die Inszenierung liefern dazu bewusst keine eindeutige Antwort. "Wie im echten Leben" ist kein Feel-Good-Movie, sondern, getreu seinem Titel, eine ambivalente und vielschichtige Betrachtung.

Fazit: Ein eindrücklicher Film, der einen Blick auf prekäre Arbeitsverhältnisse wirft und den Wunsch des Mediums nach Authentizität dabei gekonnt mitdenkt.