Die Zeit, die wir teilen (2022)
À propos de Joan
Drama mit Isabelle Huppert über eine Frau, die sich erinnert, wie ihr Leben seit der ersten großen Liebe verlief.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 4 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Die ehemalige Pariser Verlegerin Joan Verra (Isabelle Huppert) wird auf der Straße von einem Mann angesprochen, der sich als Doug (Stanley Townsend) vorstellt. In den 1970er Jahren waren die beiden einmal in Irland ein Liebespaar. In Joan werden Erinnerungen wach, wie sie als junge Frau (Freya Mavor) den irischen Taschendieb Doug (Éanna Hardwicke) kennenlernte. Die glühende Liebe scheiterte und Joan zog nach Frankreich, ohne Doug zu sagen, dass er Vater wurde. Der nächste Schock traf sie, als ihre Mutter (Florence Loiret-Caille) die Familie verließ und mit ihrem Karatelehrer nach Japan zog.
Joan fährt aufs Land, in das verwaiste Haus, in dem sie mit ihrem Sohn Nathan (Louis Broust) lebte. Überraschend kommt dieser längst erwachsene Mann (Swann Arlaud) nun aus Kanada zu Besuch. Joans Erinnerungen mäandern weiter, zu dem jüngeren Schriftsteller Tim Ardenne (Lars Eidinger), der sie mit seinen bühnenreifen Liebeserklärungen amüsierte. Als Publikumsschreck hielt er sie bei Events auf Trab, aber ihre Verbindung hat sich über die Jahre gefestigt. Je mehr sich Joan auf ihre Erinnerungen einlässt, desto stärker verändern sie sich. Sie steuern auf den Moment ihres größten Verlusts zu.
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Filmkritik
Dieses Drama des französischen Regisseurs Laurent Larivière ("I Am a Soldier") beginnt ganz unscheinbar. Eine Frau trifft unverhofft den Mann wieder, den sie als junge Frau liebte. Die kurze Begegnung weckt Erinnerungen, denen sie sich in der Abgeschiedenheit ihres verwaisten Landhauses hingibt. Die von Isabelle Huppert gespielte Verlegerin Joan lässt ihre Gedanken frei zwischen den Zeiten schweifen. In ihr jetziges Erleben mischen sich kleine Irritationen. Einmal lässt sich eine Tür nicht aufsperren, ein andermal fragt ihr Sohn sie, ob sie seinem Vater beim überraschenden Wiedersehen erzählt habe, dass es ihn gibt.
Das Hin und Her zwischen den Zeiten könnte manieriert wirken, aber Larivière zieht die Kreise der Geschichte mit Bedacht immer enger. Sie nähern sich der Traurigkeit, die die so selbstbewusst wirkende Joan mit sich herumträgt. Eine heimliche Verwunderung darüber, wie Menschen ticken, warum sie sie verlassen, muss in ihr seit den 1970er Jahren, als die Beziehung mit dem Iren Doug scheiterte, gewachsen sein. Dazu trug auch eine verstörende Nachricht über die Mutter bei, die sie seit langem in Japan wähnte. Der Sohn zog nach Kanada und nun, als er zu Besuch im Landhaus weilt, muss sie ihn am Morgen erst einmal auf dem ganzen Anwesen suchen. Was sind Besuche, außer Erinnerungen daran, dass es nie wieder so sein wird wie früher? Das Gefühl der Verlassenheit, das Joan ausstrahlt, weist in eine womöglich abgründige Tiefe.
Isabelle Huppert spielt Joan hervorragend, ja atemberaubend, in ihrem tänzelnden Kampf um die Deutungshoheit über das eigene Leben. Joan spricht wiederholt direkt die Zuschauer an, als wollte sie ihre Geschichte zugleich auch steuern und interpretieren. Sie weiß, dass Erinnerungen nicht immer wahr sein müssen. Die Menschen bilden sich Bedeutungen und Zusammenhänge ein, um ihre Gefühle mit der Realität zu versöhnen. Die Inszenierung ist ganz auf die Darstellungskunst Hupperts zugeschnitten. Mehr als sonst in ihren oft so kühlen, unnahbaren Rollen kann sie hier ihre sensible Seite ausspielen. Joan ringt immer wieder um eine nonchalante Haltung und mit der Frage, ob sie einen guten, oder wenigstens nicht sinnlosen Weg gegangen ist. Sie strahlt eine optimistische Zähigkeit aus, die sie aber zugleich angestrengt und zerbrechlich wirken lässt. Ihr persönliches Drama erfasst einen mit Haut und Haar.
Fazit: Der französische Regisseur Laurent Larivière zieht das Publikum dieses Dramas mit einer Erzählweise in Bann, die ausgeklügelt zwischen Erinnerungen und Gegenwartsebene pendelt. Seine Inszenierung ist ganz auf die Schauspielkunst Isabelle Hupperts zugeschnitten, die eine alternde Verlegerin beim Versuch einer Lebensbilanz darstellt. Während sich in ihren Erinnerungen die Hinweise auf verlorene und auf durchwachsene Beziehungen häufen, führt die Hauptfigur einen zähen Kampf gegen die eigene Verwundbarkeit. Diese in simple Verwunderung über das Leben zu verwandeln, gelingt dem Film und seiner Hauptdarstellerin auf bewegende Weise.
Das Hin und Her zwischen den Zeiten könnte manieriert wirken, aber Larivière zieht die Kreise der Geschichte mit Bedacht immer enger. Sie nähern sich der Traurigkeit, die die so selbstbewusst wirkende Joan mit sich herumträgt. Eine heimliche Verwunderung darüber, wie Menschen ticken, warum sie sie verlassen, muss in ihr seit den 1970er Jahren, als die Beziehung mit dem Iren Doug scheiterte, gewachsen sein. Dazu trug auch eine verstörende Nachricht über die Mutter bei, die sie seit langem in Japan wähnte. Der Sohn zog nach Kanada und nun, als er zu Besuch im Landhaus weilt, muss sie ihn am Morgen erst einmal auf dem ganzen Anwesen suchen. Was sind Besuche, außer Erinnerungen daran, dass es nie wieder so sein wird wie früher? Das Gefühl der Verlassenheit, das Joan ausstrahlt, weist in eine womöglich abgründige Tiefe.
Isabelle Huppert spielt Joan hervorragend, ja atemberaubend, in ihrem tänzelnden Kampf um die Deutungshoheit über das eigene Leben. Joan spricht wiederholt direkt die Zuschauer an, als wollte sie ihre Geschichte zugleich auch steuern und interpretieren. Sie weiß, dass Erinnerungen nicht immer wahr sein müssen. Die Menschen bilden sich Bedeutungen und Zusammenhänge ein, um ihre Gefühle mit der Realität zu versöhnen. Die Inszenierung ist ganz auf die Darstellungskunst Hupperts zugeschnitten. Mehr als sonst in ihren oft so kühlen, unnahbaren Rollen kann sie hier ihre sensible Seite ausspielen. Joan ringt immer wieder um eine nonchalante Haltung und mit der Frage, ob sie einen guten, oder wenigstens nicht sinnlosen Weg gegangen ist. Sie strahlt eine optimistische Zähigkeit aus, die sie aber zugleich angestrengt und zerbrechlich wirken lässt. Ihr persönliches Drama erfasst einen mit Haut und Haar.
Fazit: Der französische Regisseur Laurent Larivière zieht das Publikum dieses Dramas mit einer Erzählweise in Bann, die ausgeklügelt zwischen Erinnerungen und Gegenwartsebene pendelt. Seine Inszenierung ist ganz auf die Schauspielkunst Isabelle Hupperts zugeschnitten, die eine alternde Verlegerin beim Versuch einer Lebensbilanz darstellt. Während sich in ihren Erinnerungen die Hinweise auf verlorene und auf durchwachsene Beziehungen häufen, führt die Hauptfigur einen zähen Kampf gegen die eigene Verwundbarkeit. Diese in simple Verwunderung über das Leben zu verwandeln, gelingt dem Film und seiner Hauptdarstellerin auf bewegende Weise.
Bianka Piringer
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Besetzung & Crew von "Die Zeit, die wir teilen"
Land: Frankreich, Deutschland, IrlandWeitere Titel: Joan Verra
Jahr: 2022
Genre: Drama
Originaltitel: À propos de Joan
Länge: 102 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 31.08.2022
Regie: Laurent Larivière
Darsteller: Isabelle Huppert als Joan Verra, Lars Eidinger als Tim Ardenne, Swann Arlaud als Nathan Verra, Freya Mavor, Florence Loiret Caille als Madeleine Verra
Kamera: Céline Bozon
Verleih: Camino