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Der Passfälscher (2022)

The Forger

Muntere Mimikry: deutsches Weltkriegsdrama über einen jungen Juden, der sich seine Lebenslust nicht nehmen lässt.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 4 / 5
User-Film-Bewertung [?]: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 2.9 / 5

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Berlin im Herbst 1942: Cioma Schönhaus (Louis Hofmann) lebt allein in einer großen Wohnung. Seine Eltern wurden im Juni ins Konzentrations- und Vernichtungslager Lublin-Majdanek deportiert. Einzig Ciomas Arbeit in einem Rüstungsbetrieb verhinderte auch dessen Deportation. Doch Cioma kommt ständig zu spät und droht seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Seine gute Laune lässt er sich davon aber nicht verderben.

Gemeinsam mit Det Kassriel (Jonathan Berlin), einem untergetauchten Juden, dem Cioma Unterschlupf gewährt, zieht Cioma schon mal in ergaunerten Marine-Uniformen um die Häuser. Dabei lernt er die junge Gerda (Luna Wedler) kennen, die das Spiel durchschaut, ihn aber nicht verrät, weil sie selbst untergetaucht ist. Eine größere Gefahr ist da schon Ciomas neuer Nebenverdienst und seine Hausverwalterin Frau Peters (Nina Gummich), die überall im Haus ihre Augen und Ohren hat.

Beim promovierten Juristen und Widerstandskämpfer Franz Heinrich Kaufmann (Marc Limpach) heuert Cioma als Passfälscher an. Im Gegenzug erhält er Lebensmittelkarten. Seine Fälschungen verhelfen anderen Juden zur Flucht. Bei all dem hofft Cioma stets darauf, an zwei Blanko-Wehrpässe zu gelangen, um endlich auch für Det und sich selbst einen Pass fälschen und damit aus Deutschland fliehen zu können.

Bildergalerie zum Film "Der Passfälscher"

Der Passfälscher - Jonathan Berlin, Louis HofmannDer Passfälscher - Louis Hofmann, Joscha SchönhausDer Passfälscher - Luna Wedler, Louis HofmannDer PassfälscherDer Passfälscher - Louis HofmannDer Passfälscher

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Filmkritikunterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse4 / 5

Die Unbeschwertheit dieses Protagonisten irritiert. Cioma Schönhaus' Eltern wurden in den Osten deportiert, er selbst entkam der eigenen Deportation nur knapp, und doch macht er einfach weiter, als sei nichts gewesen. Gerade war der Gerichtsvollzieher da, hat den Besitz der Eltern konfisziert und deren Räume in der großzügigen Berliner Wohnung versiegelt. In den verbliebenen Zimmern wirkt Cioma wie ein Verlorener. Doch selbst das regt scheinbar keine Gefühle in ihm. Stattdessen freut er sich diebisch, wenn er es morgens gerade noch rechtzeitig an die Werkbank schafft und seinem Chef, der ihn wegen des ständigen Zuspätkommens bereits auf dem Kieker hat, wieder einmal ein Schnippchen schlägt.

All das hat Methode. Ciomas Charakter ist eine Mischung aus Dreistigkeit und Leichtigkeit, aus Chuzpe und Leichtsinn. Beim Friseur lässt er sich einen feschen Soldatenschnitt verpassen und tritt in der Öffentlichkeit fortan als scharfer Kritiker all jener auf, die sich kriegsuntauglich schreiben lassen. So ließe sich der Krieg schließlich nicht gewinnen, lässt Cioma allerorten fallen. Mimikry lautet das Zauberwort, das er gegenüber Vertrauten mehrfach in den Mund nimmt. So wie er in der Öffentlichkeit auftritt, komme keiner auf die Idee, einen Juden vor sich zu haben, da ist sich der junge Mann sicher.

Die Hauptfigur in Maggie Perens neuem Film ist nicht die erste, die den Nazis mit Witz Paroli bietet. Als der Zweite Weltkrieg noch in vollem Gange war, nahmen Regisseure wie Chaplin und Lubitsch die Nationalsozialisten bereits auf die Schippe. "Der große Diktator" (1940) und "Sein oder Nichtsein" (1942) waren echte Schelmenstücke, die in dieser Form aber wohl nie entstanden wären, hätten ihre Macher das tatsächliche Ausmaß der Nazi-Barbarei zum Entstehungszeitpunkt gekannt. Danach dauerte es lange, bis Filme wie "Das Leben ist schön" (1997) und "Zug des Lebens" (1998) diesen Ansatz wieder aufgriffen. Bei der internationalen Kritik kam das nicht durchweg positiv an. Und auch der stets gut gelaunte "Passfälscher", der sich die Freude am Leben von den Nazis nicht verbieten lässt, wird nicht allen gefallen. Im Gegensatz zu anderen Schelmenstücken hat es dieses jedoch wirklich gegeben.

Cioma Schönhaus (1922–2015) hat seine Lebenserinnerungen elf Jahre vor seinem Tod unter dem Titel "Der Passfälscher. Die unglaubliche Geschichte eines jungen Grafikers, der im Untergrund gegen die Nazis kämpfte" veröffentlicht. Peren hatte die Autobiografie 2007 zum ersten Mal auf dem Tisch und Interesse an einer Verfilmung. Doch eine Veröffentlichung des Buchs in den USA und seine positive Aufnahme dort machten Perens Vorhaben zunächst einen Strich durch die Rechnung. Denn "[d]anach hat erst mal Hollywood wegen der Rechte angeklopft und es dauerte ein paar Jahre, bis ich wieder ins Spiel kam", erinnert sich die Filmemacherin.

Wenn ihr Film nun in die Kinos kommt, liegt bereits ein weiterer vor, in dem Cioma Schönhaus eine tragende Rolle spielt. In "Die Unsichtbaren – Wir wollen leben" (2017), Claus Räfles Mischung aus Dokumentarfilm und Spielfilm, verkörperte Max Mauff den lebenslustigen Fälscher. Dazwischen kommt der seinerzeit bereits hochbetagte Schönhaus selbst zu Wort. Die Lebenslust ist ihm auch kurz vor seinem Tod immer noch anzumerken.

Mit Louis Hofmann ist "Der Passfälscher" perfekt besetzt. Der aus der Netflixserie "Dark" (2017-2020) bekannte Schauspieler legt seine Hauptfigur als undurchsichtigen Charakter an. Sein Cioma Schönhaus lässt sich nie richtig fassen und bewahrt sich dadurch so viel Unergründlichkeit, dass er bis zuletzt sowohl glaubwürdig als auch fürs Kinopublikum von Interesse bleibt. Das ist keine unbedeutende Aufgabe in diesem Film. Denn Maggie Peren inszeniert selbst die heikelsten Situationen völlig unspektakulär. Wer die üblichen Spannungsmomente aus Hollywoodfilmen über den Zweiten Weltkrieg sucht, sitzt im falschen Film. Bei Peren hat man nie das Gefühl, dass Cioma Schönhaus die Situation entgleiten könnte. In jedem anderen Film wäre das eine Schwäche, in diesem ist es eine Stärke. "Wichtig war es mir, keine Überlebensgeschichte zu erzählen, sondern eine Geschichte über das Leben", sagt Peren über ihren Film. Das ist ihr gelungen.

Fazit: Maggie Perens neuer Film zeigt die Nazi-Zeit aus einem anderen Blickwinkel. Im Zentrum steht ein untergetauchter und für den Widerstand arbeitender Jude, der sich seine Lebenslust nicht nehmen lässt und dabei leichtsinnig wird. Die Hauptfigur irritiert und ist trotzdem die große Stärke eines Weltkriegsdramas, das weniger auf Spannungsmomente und mehr auf eine authentische Schilderung des Alltags setzt. Peren wollte keine Überlebensgeschichte, sondern eine über das Leben erzählen. Das ist ihr gelungen.




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Besetzung & Crew von "Der Passfälscher"

Land: Deutschland, Luxemburg
Jahr: 2022
Genre: Drama, Biopic
Originaltitel: The Forger
Länge: 114 Minuten
Kinostart: 13.10.2022
Regie: Maggie Peren
Darsteller: Louis Hofmann als Cioma, Jonathan Berlin als Det, Luna Wedler als Gerda, Nina Gummich als Mrs. Peters, Marc Limpach als Mr. Kaufmann
Kamera: Christian Stangassinger
Verleih: X Verleih

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