Rheingold (2021)
Neuer deutscher Mythos: Fatih Akin hat das Leben des Rappers Xatar verfilmt.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Das Leben des Gangsterrappers Xatar ist Legende. An Heiligabend 1981 im Bombenhagel des Ersten Golfkriegs als Giwar Hajabi geboren, ist das Erste, an das sich der spätere Musikmogul erinnern kann, das Gefängnis. Als damals Dreijähriger saß er gemeinsam mit seinen Eltern Eghbal (Kardo Razzazi) und Rasal (Mona Pirzad) im Irak im Knast, bevor seine Familie mithilfe des Roten Kreuzes über Paris nach Bonn kam.
Obwohl Giwar aus einem Bildungsbürger-Haushalt stammt, schlägt er als Jugendlicher (Ilyes Raoul Moutaoukkil) den falschen Weg ein. Er dealt mit Drogen, stählt seinen Körper in der Boxhalle und prügelt einstige Peiniger krankenhausreif.
Als Erwachsener (jetzt: Emilio Sakraya) verschärft sich die Lage noch. Er geht nach Amsterdam, um Musikmanagement zu studieren, landet über den zwielichtigen Geschäftsmann Miran (Arman Kashani), den er seit Kindheitstagen kennt, jedoch tief im Rotlichtmilieu. Als ein Deal schiefgeht, muss sich Giwar etwas einfallen lassen, um dem Kartell eine große Summe zurückzuzahlen. Er plant einen Goldraub.
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Filmkritik
Fatih Akin ist immer für eine Überraschung gut – und für einen preisverdächtigen Film. Zu Beginn seiner steilen Karriere sah es so aus, als sei der 1973 in Hamburg Altona geborene und aufgewachsene Regisseur auf direktem Weg zu einem Oscar. Drama für Drama feilte er an seiner Filmsprache. Mit "Auf der anderen Seite" (2007) hatte er sie perfektioniert. Dafür erhielt er den Drehbuchpreis bei den Filmfestspielen in Cannes. Drei Jahre zuvor nahm er von der Berlinale bereits den Goldenen Bären für "Gegen die Wand" mit nach Hause. Doch statt dem nächsten ausgefeilten Drama ließ er auf "Auf der anderen Seite" eine ausgelassene Komödie folgen.
"Soul Kitchen" (2009) hieß Akins nächster Film und drehte sich um einen Freigänger, der im Restaurant seines Bruders groß aufdreht. Die Themenwahl mochte kurios erscheinen, passte aber zu Akins bisherigem Karriereverlauf. Schon in einem Debüt, dem Gangsterfilm "Kurz und schmerzlos" (1998), gaben sich Tragik und Komik die Klinke in die Hand. Darauf folgten mit "Im Juli" (2000) eine leichte Sommerkomödie in Form eines Roadtrips durch halb Europa und mit dem Einwandererdrama "Solino" (2002) der erste große Gehversuch in ernsteren Gefilden. Im Grunde wendet er seither dieses Erfolgsrezept an. Ernste Dramen und Komödien mit Herz wechseln sich ab. Vereinzelt streut Akin einen Dokumentarfilm ein. Mit "Rheingold" ist er nun zu seinen Anfängen zurückgekehrt.
Diese freie Interpretation der Autobiografie des Rappers und Musikmoguls Xatar ist Akin in Reinform. Ein Gangsterfilm voller Härte, Hirn und Humor; dabei aber ein knappes Vierteljahrhundert reifer als noch seine Anfänge. Keine Spur vom mal verspielten, mal unsicheren Tasten eines "Kurz und schmerzlos". Fatih Akin weiß, was er will. Formale Experimente sind einer klaren Formensprache gewichen. Sein neuester Film, den er wie immer selbst geschrieben hat, ist in einer langen, ausgeklügelten Rückblende erzählt. Bildgewaltig und mit visuell meisterhaften Übergängen, die die Zeit überbrücken, inszeniert, scheut sich Akin nicht davor, formal und inhaltlich in die Vollen zu gehen. "Rheingold" pulsiert von der ersten Minute an, stellt rohe, ansatzlose Gewalt neben staubtrockenen Humor und wechselt so oft die Tonalität, dass er mehrfach zu zerbersten droht. Irgendwie hält der Regisseur seinen Film aber zusammen.
Das liegt neben Fatih Akins unbestrittenem Talent auch am Talent seines Ensembles. Emilio Sakraya glänzt als erwachsene Version von Giwar Hajabi aka Xatar. Aber auch Sakrayas jüngerer Bruder Ilyes Raoul Moutaoukkil, der Hajabi in Jugendjahren verkörpert, weiß zu überzeugen. Und auch die Nebenrollen sind mit Kardo Razzazi und Mona Pirzad als Hajabis Eltern, mit Denis Moschitto als DJ und Plattenproduzent und Arman Kashani als Bekannter aus Kindheitstagen und inzwischen gewiefter Geschäftsmann hervorragend besetzt. Vor allem Letztgenannter entwickelt sich im Lauf der Handlung durch seine schelmische Art wiederholt zum veritablen Szenendieb.
"Rheingold" auf das Genre des Gangsterfilms zu beschränken, täte dem Film jedoch unrecht. Aufgrund des Titels, des Themas, der Schwere, der Dissonanzen und dem Wechsel der Tonalität liegt ein Vergleich mit einer Wagneroper nahe. Und auch wenn Akin mit diesem Film an der Erschaffung eines neuen deutschen Mythos feilt, ist "Rheingold" doch etwas völlig Eigenständiges geworden. Eine kuriose Kreuzung aus Gangsterepos, Einwandererdrama, Coming-of-Age-Film, Heist Movie, Komödie, Aufstiegsgeschichte und Bildungsroman. Ein wilder Ritt durch das Leben eines Mannes, der seinen Weg stets selbst gegangen ist, auch wenn er die Welt glauben machen will, es sei Schicksal gewesen. Ein ebenso überraschendes wie beeindruckendes Werk, das am Ende einige Preise einsammeln dürfte.
Fazit: Fatih Akin hat das abenteuerliche Leben des Gangsterrappers Xatar verfilmt und daraus einen wilden Ritt gemacht. "Rheingold" feilt bildgewaltig, brutal und komisch an einem neuen deutschen Mythos. Ein pulsierender Genremix, der einige Preise erhalten dürfte.
"Soul Kitchen" (2009) hieß Akins nächster Film und drehte sich um einen Freigänger, der im Restaurant seines Bruders groß aufdreht. Die Themenwahl mochte kurios erscheinen, passte aber zu Akins bisherigem Karriereverlauf. Schon in einem Debüt, dem Gangsterfilm "Kurz und schmerzlos" (1998), gaben sich Tragik und Komik die Klinke in die Hand. Darauf folgten mit "Im Juli" (2000) eine leichte Sommerkomödie in Form eines Roadtrips durch halb Europa und mit dem Einwandererdrama "Solino" (2002) der erste große Gehversuch in ernsteren Gefilden. Im Grunde wendet er seither dieses Erfolgsrezept an. Ernste Dramen und Komödien mit Herz wechseln sich ab. Vereinzelt streut Akin einen Dokumentarfilm ein. Mit "Rheingold" ist er nun zu seinen Anfängen zurückgekehrt.
Diese freie Interpretation der Autobiografie des Rappers und Musikmoguls Xatar ist Akin in Reinform. Ein Gangsterfilm voller Härte, Hirn und Humor; dabei aber ein knappes Vierteljahrhundert reifer als noch seine Anfänge. Keine Spur vom mal verspielten, mal unsicheren Tasten eines "Kurz und schmerzlos". Fatih Akin weiß, was er will. Formale Experimente sind einer klaren Formensprache gewichen. Sein neuester Film, den er wie immer selbst geschrieben hat, ist in einer langen, ausgeklügelten Rückblende erzählt. Bildgewaltig und mit visuell meisterhaften Übergängen, die die Zeit überbrücken, inszeniert, scheut sich Akin nicht davor, formal und inhaltlich in die Vollen zu gehen. "Rheingold" pulsiert von der ersten Minute an, stellt rohe, ansatzlose Gewalt neben staubtrockenen Humor und wechselt so oft die Tonalität, dass er mehrfach zu zerbersten droht. Irgendwie hält der Regisseur seinen Film aber zusammen.
Das liegt neben Fatih Akins unbestrittenem Talent auch am Talent seines Ensembles. Emilio Sakraya glänzt als erwachsene Version von Giwar Hajabi aka Xatar. Aber auch Sakrayas jüngerer Bruder Ilyes Raoul Moutaoukkil, der Hajabi in Jugendjahren verkörpert, weiß zu überzeugen. Und auch die Nebenrollen sind mit Kardo Razzazi und Mona Pirzad als Hajabis Eltern, mit Denis Moschitto als DJ und Plattenproduzent und Arman Kashani als Bekannter aus Kindheitstagen und inzwischen gewiefter Geschäftsmann hervorragend besetzt. Vor allem Letztgenannter entwickelt sich im Lauf der Handlung durch seine schelmische Art wiederholt zum veritablen Szenendieb.
"Rheingold" auf das Genre des Gangsterfilms zu beschränken, täte dem Film jedoch unrecht. Aufgrund des Titels, des Themas, der Schwere, der Dissonanzen und dem Wechsel der Tonalität liegt ein Vergleich mit einer Wagneroper nahe. Und auch wenn Akin mit diesem Film an der Erschaffung eines neuen deutschen Mythos feilt, ist "Rheingold" doch etwas völlig Eigenständiges geworden. Eine kuriose Kreuzung aus Gangsterepos, Einwandererdrama, Coming-of-Age-Film, Heist Movie, Komödie, Aufstiegsgeschichte und Bildungsroman. Ein wilder Ritt durch das Leben eines Mannes, der seinen Weg stets selbst gegangen ist, auch wenn er die Welt glauben machen will, es sei Schicksal gewesen. Ein ebenso überraschendes wie beeindruckendes Werk, das am Ende einige Preise einsammeln dürfte.
Fazit: Fatih Akin hat das abenteuerliche Leben des Gangsterrappers Xatar verfilmt und daraus einen wilden Ritt gemacht. "Rheingold" feilt bildgewaltig, brutal und komisch an einem neuen deutschen Mythos. Ein pulsierender Genremix, der einige Preise erhalten dürfte.
Falk Straub
FBW-Bewertung zu "Rheingold"Jurybegründung anzeigen
RHEINGOLD ist ein deutscher Film. Auch ? oder vielleicht auch gerade weil er von dem Kind iranisch/kurdischer Flüchtlinge erzählt und von dem Sohn türkischer Gastarbeiter inszeniert wurde. Darum ergibt es zweifelsohne Sinn, hier den urdeutschen [...mehr]TrailerAlle "Rheingold"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Rheingold"
Land: DeutschlandJahr: 2021
Genre: Drama
Länge: 138 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 27.10.2022
Regie: Fatih Akin
Darsteller: Emilio Moutaoakkil als Giwar Hajabi, Kardo Razzazi, Karim Günes als Ali Brecher, Jonathan Sussner als Gymnasiast, Kazim Demirbas als Ayhan Aus Mardin
Kamera: Rainer Klausmann
Verleih: Warner Bros.
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