FBW-Bewertung: The Sparks Brothers (2021)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Sie sind eine der einflussreichsten Popbands des 20. Jahrhunderts ? doch nur wenige kennen sie. Eine bessere Ausgangssituation für einen Dokumentarfilm ergibt sich selten, und Edgar Wright nutzt diese Chance virtuos, indem er die Sparks als ein Pop-Phänomen präsentiert und gar nicht erst versucht, die realen Menschen hinter den Kunstfiguren Ron und Russell zu finden. Russell hat sich von Anfang an exaltierter Sänger der Band stilisiert, Ron, der die inzwischen 345 Songs der Band schrieb, gibt sich dagegen als einen Antistar, der fast bewegungslos auf der Bühne und in den Musikvideos seine Keyboards spielt und in den Anfangszeiten der Band sicher nicht zufällig mit seinem quadratischen Schnurrbart an Adolf Hitler erinnert. Die beiden waren immer auch visuelle Künstler, und so kann sich Wright an ihren Musikvideos, Konzertaufnahmen, Fernsehauftritten, Albumcovern und Publicity-Fotos bedienen, die durchweg originell, witzig, schräg und konsequent künstlich konzipiert und performt wurden. So war es einerseits einfach, einen unterhaltsamen, informativen und witzigen Film über die Sparks zu machen, denn Ron und Russell sind grandiose Protagonisten, die zudem ihre Geschichte mit einer sympathischen Selbstironie erzählen. Dass sie dabei den Film selber als ihre Bühne ansehen, und auch ihre eigenen Gesprächssequenzen inszenierte Auftritte sind, versteht sich fast von selbst. Doch es braucht einen abenteuerlustigen Filmemacher mit viel Humor wie Edgar Wright, um auf gleicher Höhe mit ihnen arbeiten zu können. Wright ist hier eher ihr künstlerischer Partner als ein Dokumentarist, der versucht, möglichst objektiv eine Musikdokumentation zu machen. Ja, es gibt auch die üblichen Interviewsequenzen mit Künstler*innen, die von ihren Erfahrungen mit den Brüder erzählen oder davon berichten, wie sehr diese ihre eigene Musik und die von anderen beeinflusst haben. Mit Statements von Beck, Flea, Nick Rhodes, Girogio Moroder und Tony Visconti ist die Prominentendichte dabei hoch. Doch es ist auch interessant, wer nicht im Film auftaucht. Bands wie die Pet Shop Boys, Depeche Mode und Yellow haben so kräftig bei den Sparks abgekupfert, dass es für ihre Musiker peinlich gewesen wäre, im Film selber über ihre Vorbilder zu sprechen. Wright präsentiert die Gesprächssituationen, also die ?talking heads? geradezu klassisch in Schwarzweiß, aber auch diese Sequenzen sind voller visueller Einfälle und Gags. Wright arbeitet außerdem mit kurzen Trickfilmsequenzen, in denen Episoden aus der Karriere der Sparks, zu denen es kein Bildmaterial gibt, illustriert werden. Diese Sequenzen sind absichtsvoll krude und minimalistisch animiert und fügen sich so nahtlos in die Bilder- und Klangwelt der Band ein. Nebenbei wird hier auch unterhaltsam Kulturgeschichte von den 70er Jahren bis heute erzählt und dabei erstaunt, wie jung die Sparks wirken, weil sie sich immer neu erfunden haben und gerade dadurch treu geblieben sind. Superstars sind sie nie geworden, doch nach diesem Film sind sie auch kein Geheimtipp mehr. Und Wright ist ihnen gerecht geworden, denn er ist ein Fan, den seine Verehrung nicht blind gemacht, sondern inspiriert hat.Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)