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FBW-Bewertung: Stillwater - Gegen jeden Verdacht (2021)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: Inspiriert vom Mordfall Amanda Knox, die als Austauschstudentin in Italien eine Freundin ermordet haben soll, jedoch später entlastet wurde, erzählt der Film STILLWATER ? GEGEN JEDEN VERDACHT die fiktionalisierte Version einer solchen Geschichte aus Sicht des Vaters.
Die junge Amerikanerin Allison (Abigail Breslin) absolviert ein Auslandsstudium in Südfrankreich, als sie in Marseille wegen Mordverdachts verhaftet wird, denn sie soll ihre Freundin getötet haben. Allerdings beschuldigt sie einen arabischen Mann der Tat, der nicht aufzufinden ist. Allisons Vater, der Bohrarbeiter Bill Baker (Matt Damon) aus Stillwater, Oklahoma, reist regelmäßig nach Marseille, um sie im Gefängnis zu besuchen. Als Allison auf eine neue Spur hinweist, setzt Bill alles daran, die Unschuld seiner Tochter zu beweisen. Der wortkarge Fremde kämpft lange gegen Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und ein kompliziertes Justizsystem, bis er eine Beziehung zu der Französin Virginie (Camille Cottin) und deren kleiner Tochter aufbauen kann. Obwohl er schließlich auf die Spur des Verdächtigen gerät und diesen stellen kann, gerät die Situation immer mehr außer Kontrolle. Bill muss feststellen, dass die ersehnte Wahrheit ihm keine Erlösung bringen wird.
Der von Matt Damon überzeugend dargestellte Bill Baker ist ein Amerikaner aus der Working Class, ehemaliger Alkoholiker und durch und durch Patriot. Virginies Freundin fragt ihn einmal direkt, ob er Trump-Wähler sei. Was er vor allem verneint, weil er als Vorbestrafter gar nicht wahrberechtigt ist.
Matt Damon beeindruckt als ?White-Trash?-Fremdkörper in Südeuropa, der mit der Französin Camille Cottin in Schwingung gebracht wird. Anhand beider Charaktere wird der kulturelle Clash durchgespielt. In STILLWATER ? GEGEN JEDEN VERDACHT geht es also vornehmlich um kulturelle Differenzen und wie sie temporär überwunden werden können.
Technisch ist der Film auf höchstem Niveau inszeniert. Er fängt die mediterrane Atmosphäre Marseilles auf überzeugende Weise ein und steht in der Tradition berühmter Vorbilder ? u. a. John Frankenheimers Marseille-Thriller FRENCH CONNECTION 2. Allerdings liegt bei STILLWATER ? GEGEN JEDEN VERDACHT der Schwerpunkt der Inszenierung weniger auf dem Thrillergenre als auf dem ?male melodrama?, welches im Modus des Thrillers erzählt wird.
Die Montage baut dabei oft auf Ellipsen und spart Momente des Spektakels gezielt aus. Dramaturgisch fokussiert der Film so auf Antihöhepunkte, die Genrefans möglicherweise enttäuschen werden ? zumal der Film als Thriller beworben wird. Das spricht wohlgemerkt nicht gegen den Film. Die Bildsprache arbeitet vor allem mit Nähe, interessiert sich mehr für die Figuren als für den Raum.
Ein interessanter Subtext des Films verweist auf das Konzept der ?Regeneration Through Violence? (Richard Slotkin), also der genuin US-amerikanischen Mythologie einer positiven Veränderung durch Gewalt. Dass Allison hier letztlich nicht unschuldig ist, zeigt, wie die latente Bereitschaft, Probleme durch Gewalt zu lösen, in allen Generationen verinnerlicht wurde. Auch ihr Vater Bill löst das wesentliche Problem mit Gewalt und Selbstjustiz ? was vom Film allerdings deutlich ambivalent inszeniert wird und nicht zum erhofften Ergebnis führt.
Mit STILLWATER ? GEGEN JEDEN VERDACHT hat der Schauspieler und Regisseur Tom McCarthy ein groß angelegtes, höchst ambivalentes Vater-Tochter-Drama inszeniert, das über 140 Minuten vor allem mit innerer Spannung arbeitet und auf seine erstklassige Besetzung baut. Einen dezidiert künstlerischen Zugang sucht der Regisseur dabei allerdings nicht ? das sah die Jury als einen kleinen Abstrich.
In der deutschen Fassung fällt die sehr sorgfältige Synchronisation auf, die transkulturelle Akzente jeweils durch Muttersprachler*innen einsprechen ließ und so sehr nah am Original bleibt.
Die Jury war von dem Film technisch und inszenatorisch überzeugt und verleiht ihm daher das Prädikat wertvoll.



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