Painted Bird (2019)
Nabarvené Ptace
Kontroverse Kriegsgeschichte: Václav Marhoul hat Jerzy Kosińskis gleichnamigen Roman verfilmt.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird ein Junge (Petr Kotlár) von seinen Eltern von der Stadt auf den Bauernhof der alten Marta (Nina Sunevic) geschickt. Dort scheint es sicherer zu sein, doch der Junge bleibt ein Außenseiter, der von den Bauern kritisch beäugt und von den Kindern der Nachbarhöfe gepiesackt wird. Als Marta unerwartet stirbt, ist der Junge auf sich allein gestellt. Erst wird er an die Heilerin Olga (Alla Sokolova) verkauft, bevor er in einen Fluss geworfen und an der Mühle eines jähzornigen Müllers (Udo Kier) und dessen Frau (Michaela Dolezalová) angeschwemmt wird. Doch auch diese Station ist nur eine von vielen auf einer Odyssee durch eine kriegsversehrte Gegend.
Beim sanftmütigen Vogelfänger Lekh (Lech Dyblik), der die im Wald umherstreifende Ludmila (Jitka Cvancarová) liebt, wird der Junge kurz glücklich. Dann wird er von Dorfbewohnern an die Deutschen ausgeliefert, vom Soldaten Hans (Stellan Skarsgård), der ihn erschießen soll, aber verschont. Auch bei einem Priester (Harvey Keitel), der ihn von der Straße aufliest, geht es dem Jungen kurze Zeit gut, bevor ihn der Priester unwissentlich beim pädophilen Schnapsbrenner Garbos (Julian Sands) unterbringt. Als sich der Krieg seinem Ende nähert, sammelt die vorrückende Roten Armee den Jungen auf. Der Soldat Gavrila (Aleksey Kravchenko) und der Scharfschütze Mitka (Barry Pepper) nehmen ihn unter ihre Fittiche. Nach Kriegsende kommt er in ein Kinderheim, bevor er völlig unverhofft auf seine beinahe schon vergessene Vergangenheit trifft.
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Filmkritik
Die Drop-Out Cinema eG hat sich auf anspruchsvolle Nischenfilme spezialisiert. Oft ist kontroverse und nicht gerade leicht verdauliche Kost darunter. Neben Neuerscheinungen, die es ohne den genossenschaftlich organisierten Verleih wohl kaum ins Kino schaffen dürften, hat der Verleih auch Wiederaufführungen von Klassikern im Repertoire. Pünktlich zur Wiedereröffnung der Kinos stand Anfang Juli 2021 der Re-Release von Elem Klimows monströsem Kriegsfilm "Komm und sieh" (1985) auf dem Programm. Jetzt folgt ein erst zwei Jahre alter Kriegsfilm, der Klimows Meisterwerk in vielem ähnelt.
"The Painted Bird" feierte im September 2019 im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig seine Weltpremiere. Seine Entstehungsgeschichte ist lang und kompliziert. Das knapp dreistündige Kriegsdrama basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jerzy Kosiński, den der gebürtige Pole nach seiner Emigration in die USA dort 1965 herausgebracht hatte. Der tschechische Schauspieler und Filmemacher Václav Marhoul sicherte sich die Rechte am Stoff 2012, konnte sein Projekt aber zunächst nicht finanzieren – nicht zuletzt deshalb, weil das polnische Filminstitut eine Finanzierung zweimal abgelehnt hatte. Gedreht wurde in Tschechien, Polen, der Ukraine und der Slowakei. Um den Hauptdarsteller Petr Kotlár sichtbar altern zu lassen, fanden die Dreharbeiten in sieben Abschnitten statt, die sich über einen Zeitraum von insgesamt 16 Monaten erstreckten.
Das Ergebnis ist gleichermaßen betörend wie verstörend. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Kameramanns Vladimír Smutný sehen atemberaubend aus. Jede Einstellung ist perfekt kadriert, jede Szene und Sequenz kunstvoll choreografiert und montiert. Marhoul präsentiert seinem Publikum einen kinematografischen Totentanz, in dem das Schöne und das Hässliche Hand in Hand gehen. Grausamste Verbrechen werden vor bezaubernden Landschaften verübt. Mal zeigt Marhoul die Gewalt explizit, mal deutet er sie nur an. Zu hören sind nur das Rauschen des Windes, das Prasseln des Regens oder das Zwitschern der Vögel. Denn auf Musik verzichtet der Regisseur komplett. Die Wurzel allen Übels ist sowohl in der Natur als auch in der Kultur des Menschen zu finden. Während seiner Irrfahrt glaubt der namenlose Junge mehrfach, einen sicheren Hafen gefunden zu haben. Doch weder der Glaube an einen Gott noch der an die Natur oder der an die Partei bieten Rettung.
Marhoul bleibt nah an der Vorlage. Aus den 20 namenlosen Kapiteln des Romans hat er neun Episoden gemacht, die nach den Personen benannt sind, denen der Protagonist auf seiner Reise begegnet. Manches hat Marhoul weggelassen, andere Ereignisse und Figuren verdichtet. Das episodische Erzählen führt beim Zusehen zu einer gewissen Orientierungslosigkeit. Wie viel Zeit seit dem Beginn der Odyssee vergangen ist, lässt sich nur am Fortgang des Krieges ablesen. Wo sich der Junge befindet, bleibt bis zuletzt vage, was auch daran liegt, dass der Regisseur sein Ensemble keine spezifischen Landessprachen, sondern ein allgemein verständliches Interslawisch sprechen lässt. Eine bewusste Entscheidung, um die Orte des Geschehens unkenntlich zu machen.
Schon die Veröffentlichung des Romans war von verschiedenen Kontroversen begleitet. Eine davon drehte sich um die Authentizität der Ereignisse, denn Jerzy Kosiński ließ die Öffentlichkeit lange in dem Glauben, er hätte die von ihm in seinem Roman geschilderten Kriegsgräuel selbst erlebt. An der Verfilmung wird nun häufig das Verhältnis zwischen der Brutalität und ihrer Ästhetisierung kritisiert. Muss so viel Grausamkeit – noch dazu verübt an einem kleinen Jungen – überhaupt gezeigt und darf sie so atemberaubend in Szene gesetzt werden?
"The Painted Bird" ist kein einfacher, aber ein beeindruckender Film. Ein unbequemes und zugleich überwältigendes Seherlebnis mit einem fabelhaften Hauptdarsteller, der das Publikum fast ohne Worte nur mit seinem unschuldigen Blick für sich einnimmt. Eine Höllenfahrt in bestechend schönen Bildern.
Fazit: Václav Marhoul hat ein Mammutprojekt gestemmt. Seine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jerzy Kosiński ist ein kontrovers diskutiertes, grandios inszeniertes, betörendes und verstörendes Kriegsdrama. Episodisch erzählt, in atemberaubendem Schwarz-Weiß gefilmt und fabelhaft gespielt, blickt "The Painted Bird" schonungslos auf die Gräuel des Krieges. Eine die Sinne überwältigende Höllenfahrt.
"The Painted Bird" feierte im September 2019 im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig seine Weltpremiere. Seine Entstehungsgeschichte ist lang und kompliziert. Das knapp dreistündige Kriegsdrama basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jerzy Kosiński, den der gebürtige Pole nach seiner Emigration in die USA dort 1965 herausgebracht hatte. Der tschechische Schauspieler und Filmemacher Václav Marhoul sicherte sich die Rechte am Stoff 2012, konnte sein Projekt aber zunächst nicht finanzieren – nicht zuletzt deshalb, weil das polnische Filminstitut eine Finanzierung zweimal abgelehnt hatte. Gedreht wurde in Tschechien, Polen, der Ukraine und der Slowakei. Um den Hauptdarsteller Petr Kotlár sichtbar altern zu lassen, fanden die Dreharbeiten in sieben Abschnitten statt, die sich über einen Zeitraum von insgesamt 16 Monaten erstreckten.
Das Ergebnis ist gleichermaßen betörend wie verstörend. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Kameramanns Vladimír Smutný sehen atemberaubend aus. Jede Einstellung ist perfekt kadriert, jede Szene und Sequenz kunstvoll choreografiert und montiert. Marhoul präsentiert seinem Publikum einen kinematografischen Totentanz, in dem das Schöne und das Hässliche Hand in Hand gehen. Grausamste Verbrechen werden vor bezaubernden Landschaften verübt. Mal zeigt Marhoul die Gewalt explizit, mal deutet er sie nur an. Zu hören sind nur das Rauschen des Windes, das Prasseln des Regens oder das Zwitschern der Vögel. Denn auf Musik verzichtet der Regisseur komplett. Die Wurzel allen Übels ist sowohl in der Natur als auch in der Kultur des Menschen zu finden. Während seiner Irrfahrt glaubt der namenlose Junge mehrfach, einen sicheren Hafen gefunden zu haben. Doch weder der Glaube an einen Gott noch der an die Natur oder der an die Partei bieten Rettung.
Marhoul bleibt nah an der Vorlage. Aus den 20 namenlosen Kapiteln des Romans hat er neun Episoden gemacht, die nach den Personen benannt sind, denen der Protagonist auf seiner Reise begegnet. Manches hat Marhoul weggelassen, andere Ereignisse und Figuren verdichtet. Das episodische Erzählen führt beim Zusehen zu einer gewissen Orientierungslosigkeit. Wie viel Zeit seit dem Beginn der Odyssee vergangen ist, lässt sich nur am Fortgang des Krieges ablesen. Wo sich der Junge befindet, bleibt bis zuletzt vage, was auch daran liegt, dass der Regisseur sein Ensemble keine spezifischen Landessprachen, sondern ein allgemein verständliches Interslawisch sprechen lässt. Eine bewusste Entscheidung, um die Orte des Geschehens unkenntlich zu machen.
Schon die Veröffentlichung des Romans war von verschiedenen Kontroversen begleitet. Eine davon drehte sich um die Authentizität der Ereignisse, denn Jerzy Kosiński ließ die Öffentlichkeit lange in dem Glauben, er hätte die von ihm in seinem Roman geschilderten Kriegsgräuel selbst erlebt. An der Verfilmung wird nun häufig das Verhältnis zwischen der Brutalität und ihrer Ästhetisierung kritisiert. Muss so viel Grausamkeit – noch dazu verübt an einem kleinen Jungen – überhaupt gezeigt und darf sie so atemberaubend in Szene gesetzt werden?
"The Painted Bird" ist kein einfacher, aber ein beeindruckender Film. Ein unbequemes und zugleich überwältigendes Seherlebnis mit einem fabelhaften Hauptdarsteller, der das Publikum fast ohne Worte nur mit seinem unschuldigen Blick für sich einnimmt. Eine Höllenfahrt in bestechend schönen Bildern.
Fazit: Václav Marhoul hat ein Mammutprojekt gestemmt. Seine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jerzy Kosiński ist ein kontrovers diskutiertes, grandios inszeniertes, betörendes und verstörendes Kriegsdrama. Episodisch erzählt, in atemberaubendem Schwarz-Weiß gefilmt und fabelhaft gespielt, blickt "The Painted Bird" schonungslos auf die Gräuel des Krieges. Eine die Sinne überwältigende Höllenfahrt.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Painted Bird"
Land: Tschechien, Ukraine, SlowakeiJahr: 2019
Genre: Drama
Originaltitel: Nabarvené Ptace
Länge: 169 Minuten
FSK: 18
Kinostart: 09.09.2021
Regie: Václav Marhoul
Darsteller: Petr Kotlár als Joska, Nina Sunevic als Marta (as Nina Shunevych), Alla Sokolova als Olga, Stanislav Bilyi als Villager, Ostap Dziadek als Peasant
Kamera: Vladimir Smutny
Verleih: Drop-Out Cinema eG
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