FBW-Bewertung: Zwischen Uns (2020)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Die Herausforderungen darzustellen, vor denen Menschen und die Gesellschaft stehen, wenn sie sich mit Kindern auseinandersetzen, die gesellschaftlichen Normen zuwider handeln, ist auch nach SYSTEMSPRENGER nicht weniger relevant geworden. Der Fokus kann zudem wechseln oder sich leicht verschieben. Deshalb hat Max Feys Regiedebüt auch den Titel ZWISCHEN UNS, denn es geht nicht nur um den 13-jährigen Felix mit Asperger-Syndrom, sondern vor allem auch um seine Mutter Eva und wie beide ihr herausforderndes Leben miteinander gestalten.Dies wird unter Verzicht auf spektakuläre Zuspitzungen erzählt, die Herausforderungen für Eva sind groß, doch wird sie von diesen (lange Zeit) nicht erschlagen. Die Schule fällt Felix schwer, wobei sie es ihm aber auch schwermacht, sowohl Mitschüler und Mitschülerinnen als auch Lehrer*innen und andere Eltern. Immer wieder finden sich starke Momente in Szene gesetzt, etwa wenn Felix ein Lamm im Park findet und es ohne Umschweife beschützt, dabei aber nicht darauf achtet, dass er mit einem Tier nicht in den Supermarkt gehen darf, in dem seine Mutter arbeitet.
Der Film ist sichtbar bemüht, aus der Darstellung seines jugendlichen Protagonisten keine ?Freakshow? zu machen. Deshalb spielt Jona Eisenblätter ihn auch sehr zurückgenommen. Der Blick ist meist nach innen gerichtet, Blickkontakt wird vermieden, die Mimik ist äußerst reduziert. Liv Lisa Fries gelingt einmal mehr eine überzeugende Leistung. Sie bringt Energie und einen starken Willen in ihre Rolle, ihre Eva versucht immer einen Weg zu finden, gibt nicht auf, bleibt handlungsfähig. Erst als der Körper durch eine unglückliche Auseinandersetzung mit Felix nicht mehr ihrem Willen gehorchen mag, bricht sie zusammen. Thure Lindhardt als Nachbar Pelle, der Felix für Fische begeistert, gelingt eine originelle Darstellung von Männlichkeit und Corinna Harfouch als Schulpsychologin ist ein Glücksgriff in einer kleinen aber feinen Nebenrolle.
Die filmischen Mittel sind einem Realismus verpflichtet, der Sozialkitsch vermeidet. Die Geschichte wird weitestgehend klassisch erzählt, Ausstattung und Szenenbild sind glaubwürdig ausgewählt. Auffallend ist die Farbe Rot als Motiv, so etwa die großen roten Kopfhörer, mit denen Felix regelrecht seine Sinne erweitert. Die Musik emotionalisiert zum Schluss vielleicht ein wenig zu viel, weil sich aus den Augen von Liv Lisa Fries bereits ein regelrechter Tränenfluss ergießt, der unsere Anteilnahme zur Genüge in Anspruch nimmt. Mit Ausnahme des Endes wird Tragik indessen wohlproportioniert eingesetzt. Wichtig ist auch, dass Eva ihrem Schicksal nicht alleine überlassen bleibt. Es findet sich aufrichtige Hilfsbereitschaft, wodurch der Film verdeutlicht, wie wichtig Solidarität und Großzügigkeit zum Gelingen schwieriger Lebenssituationen sind.
So ist Max Fey mit ZWISCHEN UNS ein überzeugender Debütfilm gelungen. Schnörkellos und gut gespielt geht es um die Herausforderungen im Verhältnis zwischen einer alleinerziehenden Mutter und einem pubertierenden Jungen mit Asperger-Syndrom. An Tragik mangelt es dem Film zwar nicht, doch wird damit behutsam und wohldosiert umgegangen. Die Jury zeichnet den Film gerne mit dem Prädikat ?besonders wertvoll? aus.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)