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FBW-Bewertung: Ein bisschen bleiben wir noch (2019)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: EIN BISSCHEN BLEIBEN WIR NOCH ist ein interkulturelles Sozialdrama mit Elementen des Coming of Age-Films, inszeniert von Arash T. Riahi. Das Drehbuch adaptierte den Roman ?Oskar und Lilli? von Monika Helfer (1994), der in einer etwas anderen historisch Situation als im Film situiert ist.
Im Zentrum des Film stehen die tschetschenischen Geschwister Oskar (Leopold Pallua) und Lilli (Rosa Zant), die von ihrer psychisch labilen Mutter (Ines Miro) getrennt werden und auf zwei unterschiedlichen Pflegefamilien verteilt werden. Die Hoffnung der Kinder, einander und ihre Mutter wieder zu sehen, erscheint bald aussichtslos, denn der Kontakt wird von offizieller Seite verhindert. Während Lilli mit ihrer alleinstehenden Pflegemutter immer besser zurecht kommt und eine neue Freundin findet, hängt Oscar an seiner leiblichen Mutter und fühlt sich in der nur oberflächlich liberalen Familie isoliert. Nur zu der an Parkinson erkrankten Großmutter knüpft er eine emotionale Verbindung. Gemeinsam versuchen die Geschwister, die bürokratischen Hürden zu überwinden und ihre in einer Psychiatrie untergebrachte Mutter wieder zu finden, um die verlorene Familie wiederzuvereinigen.

Die Bildgestaltung des Films ist geprägt von einem ausgeprägten ästhetischen Gestaltungswillen, arbeitet mit metaphorischen Arrangements, aufwändigen Fahrten und der Inszenierung auf mehreren Ebenen. Dazu kommt ein kreativer Einsatz von Musik, sowohl on als auch off screen. Ziel des Films ist es, nicht nur die geschwisterliche Liebe, sondern auch die österreichischen Milieus schonungslos darzustellen. Dazu entwirft er ein vielschichtiges Geflecht von sozialen und gesundheitlichen Problemen, die eine Innensicht der österreichischen Gegenwart vermitteln. Dramaturgisch baut der Film auf eine Ambivalenzerfahrung mittels des Einblicks in zwei unterschiedliche Coming of Age-Prozesse.

Der Ansatz, magischen Realismus und sozialen Realismus zu konfrontieren, stieß nicht bei allen Jurymitgliedern auf Verständnis. Auch wurde in Frage gestellt, ob der Film wirklich bei einem jugendlichen Zielpublikum funktionieren wird. Die Diskussion belegte die ambivalente Tendenz des Films, in dem die Kinder als Katalysator und Spiegel ihrer Umwelt funktionieren. Manche Szenen kommen diesem Ansatz entgegen, in anderen wirkt die Regie nach Ansicht der Jury unklar, etwa in der Schlüsselszene, der Wiederbegegnung mit der Mutter, die, so die Jury, etwas inkonsequent inszeniert wurde. Die Kinder wirken merkwürdig teilnahmslos angesichts einer Mutter, die sie verleugnet. Die kindlichen Darsteller überzeugen in ihrer Darstellung, wirken aber mitunter etwas verloren in den konstruierten Szenen.
Ungeachtet dieser Einwände zeigt EIN BISSCHEN BLEIBEN WIR NOCH auf beklemmende Weise, wie durch die Vergangenheit eingeschriebene Wunden und Traumata auch das neue Umfeld infiltrieren und infizieren. So wird deutlich, dass alles eines ist in dieser Welt, die sich so fern vom eigentlichen Unheil wähnt. In Abwägung aller Argumente erteilt die Jury gerne das Prädikat ?wertvoll?.



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