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FBW-Bewertung: Gunda (2020)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Es ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Geschichte, die das Leben schrieb: Viktor Kossakovskys GUNDA beginnt mit einer Geburt und endet mit einem Abschied. In kontrastreichem Schwarzweiß aufgenommen, zeigt der Dokumentarfilm dazwischen in langen Einstellungen Ausschnitte aus dem Landleben, genauer gesagt einer Schweinemutter mit 13 Ferkeln, diverser Hühner und einiger Kühe. Was sie miteinander verbindet, muss sich der Zuschauer selbst erschließen, denn GUNDA verzichtet auf jeden Off-Kommentar.

Die Hauptrolle des Films kommt der Sau Gunda zu: In den ersten Bildern sieht man, wie nach und nach immer mehr kleine Ferkel über ihren Leib krabbeln und sich an sie drängen, um an ihre Zitzen zu kommen. Doch bevor der Film in Mutterglücks-Kitsch verfallen könnte, lässt Kossakovsky den Zuschauer zum Zeugen werden, wenn Gunda stoisch ein offenbar zu hilfloses Ferkel mit dem Gewicht ihres Leibes erstickt. Der spezifische Blick von Kossakovsky kommt darin zum Ausdruck: Es ist keine Disney-Perspektive, die Tiere vermenschlicht, ihnen Geschichten zuschreibt, sondern eine, die das Individuelle der Tiere erspüren will und die Bedingungen ihrer Existenz sichtbar zu machen versucht. Die Positionierung der Kamera, die meiste Zeit auf Augenhöhe der Tiere, ist dafür nur ein Mittel, ein weiteres ist, die Menschen ganz außen vor zu lassen, obwohl es sich bei allen gefilmten Tieren um "Farm-Tiere", also von Menschen gehaltene und gezogene Tiere handelt. Eine große Rolle kommt dabei auch der Wahl von Schwarzweißbildern zu, die einerseits die Aufnahmen ästhetisch besser zusammenbinden, die auf verschiedenen Höfen in Norwegen, Großbritannien und Spanien gemacht wurden, und andererseits durch ihr "Grau-in-Grau" einer falschen Romantisierung des Landlebens entgegenwirken.

Die Jury war sich einig darin, dass GUNDA ein Film ist, der Geduld verlangt ? die einzelnen Einstelllungen sind lang, nicht immer ist der Spannungsbogen klar zu erkennen. Das Aufwachsen der Ferkel zu beobachten, ist ausgesprochen unterhaltsam und an vielen Stellen sogar anrührend. Für die Szenen mit den Hühnern und den Kühen braucht der Zuschauer jedoch etwas Durchhaltevermögen. Dem aufmerksamen Blick erschließt sich dann aber, dass es sich bei den Hühnern, die zögernd und verhalten ihre Käfige verlassen und sehr langsame erste Schritte im Gras unternehmen, um Tiere handelt, die aus der Massentierhaltung gerettet wurden und nun eine Zuflucht gefunden haben. Das Anliegen des Films, Tiere als leidensfähige Gegenüber anzuerkennen, bestätigt sich mit dieser Kenntnis noch einmal. Die technisch meisterhaften Aufnahmen (Kamera: Kossakovsky und Egil Håskjold Larsen) kommen auf diese Weise zu einem Film zusammen, der einerseits leidenschaftlich das Individuelle dieser Tiere unterstreicht ? am ergreifendsten die letzte Szene, in der Gunda wie orientierungslos den Stall nach den soeben abtransportierten Ferkeln absucht ?, dabei aber ganz ohne Süßlichkeit oder falsche Identifikationsangebote auskommt.



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