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FBW-Bewertung: Und morgen die ganze Welt (2020)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Luisa hat sich nach dem Abi in Mannheim für Jura eingeschrieben, aber sie spürt, dass sich noch mehr in ihrem Leben ändern muss. Ihr Vorbild ist Batte, die in einem von Autonomen besetzten Haus lebt und gegen Rechts kämpft. Dort wird Luisa zunächst nur argwöhnisch beäugt. Dann aber erhält sie ihre Bewährung. Auf einer Demo gegen eine rechtspopulistische Partei legt sie sich mit einem Neonazi an.

Unversehens befinden sich die Zuschauer mitten drin, in Regisseurin Julia von Heinz unglaublich authentischer Auseinandersetzung mit dem Kampf der Antifa gegen rechte Kräfte in Deutschland. Die Jury meinte geradezu die Gedanken und Gefühle Luisas mitdenken, bzw. -fühlen zu können. Gut nachvollziehbar, dass UND MORGEN DIE GANZE WELT durch die persönlichen Erfahrung von Julia von Heinz in der Antifa-Arbeit geprägt ist. Erheblich zur Glaubwürdigkeit des Films hat nach Ansicht der Jury auch der Cast beigetragen. Allesamt hervorragende, unverbrauchte Darsteller, die weit davon entfernt sind, hölzerne Charakterschablonen zu bedienen.

Kamerafrau Daniela Knapp ist mit ihren eindringlichen Bildern immer ganz nah an der Protagonistin. Mit tollem Rhythmus und exzellentem Timing zeigt der Film die genauso allmähliche, wie naheliegende Radikalisierung der Protagonistin. Dort, wo Judikative, Legislative und Exekutive offensichtlich zu versagen scheinen, gewinnt der Ansatz der Antifa, Gewalt als politisches Mittel einzusetzen, für Luisa immer mehr an Sinn. Zumal der angehenden Juristin mit Art. 20 (4) GGeine klare Handlungsanweisung anzudeuten scheint. Fasziniert von den charismatischen Vordenkern und -kämpfern Alpha und Lenor, ist Luisa bereit, immer radikaler gegen die Gefahr von Rechts zu agieren, auch wenn sie damit ihre Freundin Batte längst vor den Kopf gestoßen hat. Aber irgendwann, auchdas zeigt der Film, wird der Aktionismus zum Selbstläufer. Wer nicht mit der Antifa ist, ist gegen sie.

Von dieser dichten Milieustudie aus lässt Julia von Heinz UND MORGEN DIE GANZE WELT mehr und mehr zum packenden Thriller werden. Mit überzeugenden Dialogen, tollem Score, ausgezeichnetem Schnitt und vor allem einer beeindruckenden Dramaturgie hat der Film die Jury überzeugt. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der aktuellen, politischen Dimension kann sich ihr Film in Sachen Spannung durchaus mit Hollywood messen. Denn UND MORGEN DIE GANZE WELT bezieht tatsächlich Stellung und macht die Leitfigur Luisa zu wesentlich mehr als zu einer bloßen Protagonistin. Ganz im Gegenteil: Sie ist eine klassische Kinoheldin.

Die Jury zeigte sich aber auch von der Vielschichtigkeit des Films beeindruckt. UND MORGEN DIE GANZE WELT kreist zugleich um mehrere Themenkomplexe. Zum Einen erforscht der Film die gesellschaftliche und politische Tolerierung rechtsradikaler Strömungen, zum anderen stellt er die Frage danach, wie weit man gehen darf, um einen Rechtsruck abzuwehren. Und obendrein wirft die Frage auf, inwieweit sich in ihrer Radikalität Rechts und Links in ihrer Bereitschaft zur Gewalt ähneln.



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