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FBW-Bewertung: Wege des Lebens - The Roads Not Taken (2020)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat wertvoll verliehen.

Sally Potters jüngster Film WEGE DES LEBENS ? THE ROADS NOT TAKEN erzählt auf eindringliche Weise von den Auswirkungen einer Demenz auf Umfeld, Beziehungen und Erinnerungen des Betroffenen. Auf verschiedenen Ebenen agieren die unterschiedlichen Gewerke dabei derart konzentriert, dass es beim Zuschauen kein Entrinnen gibt: Auf radikale Weise vermittelt so der Film den Zustand seines Protagonisten als eine Mischung aus Apathie, Schwermut und gestörter Wahrnehmung. Diese Mischung wird für die Zuschauer*innen nacherlebbar, streckenweise nahezu körperlich spürbar ? eine erstaunliche Leistung, die aus dem Zusammenspiel der klaustrophobisch arrangierten Bilder, dem intensiven und aphasischen Spiel Javier Bardems sowie der assoziativ anmutenden Erzählführung resultiert. In dieser Hinsicht entwickelt der Film geradezu empathische Qualitäten, weil die konsequente Inszenierung den Zuschauer*innen einEntkommen aus dem Zustand der Hauptfigur ebenso wenig zugesteht wie ihr selbst.
Mag dieser Ansatz begrüßenswert radikal sein, so birgt er in den Augen der Jury doch auch nennenswerte Kehrseiten. In erster Linie hat diese Konzeption nämlich zur Folge, dass sich in den Figuren so gut wie keine Entwicklung ergibt. Weil der Film im immer gleichen Rhythmus nie seine Grundstimmung aus Depression, Apathie und Schwermut verlässt, entsteht kaum Vielschichtigkeit und Tiefe. Auch eine potenziell spannende Reflexion über die im Titel anklingenden ?Wege des Lebens? stößt der Film nicht wirklich an, sondern zelebriert recht ausgedehnt in gleicher Grundstimmung die Erinnerungen der Hauptfigur.
Ein weiterer Nebeneffekt dieser konzeptionellen Konsequenz, den erzählerischen und inszenatorischen Fokus so stark auf die Hauptfigur zu legen, findet sich in der sich daraus ergebenden Figurenkonstellation. Der Film schildert einen fragilen, starren und irgendwie ungreifbaren älteren Mann, um den herum satellitenartig zahlreiche Frauenfiguren kreisen und sich nach ihm ausrichten. Auch diese Grundvoraussetzung bleibt statisch und ohne Entwicklung und trägt deshalb nach Ansicht der Jury zum Eindruck bei, dem Film mangele es in seiner Zähheit am Ende schlicht an erzählerischer Tiefe.
Trotzdem: Die mutige Entscheidung, das Thema Demenz mit einem solch radikalen formalen Ansatz zu erzählen und erfahrbar zu machen, führt zu einer nachhaltigen Filmerfahrung, die innerhalb dieses Themenfeldes ihresgleichen sucht.



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