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FBW-Bewertung: Das Mädchen mit den goldenen Händen (2021)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Der Debütfilm der Schauspielerin Katharina Marie Schubert hat die Jury restlos begeistert. In einer genialen Balance aus Auserzählen und Andeuten, so dass der Zuschauer immer auch intellektuell beschäftigt bleibt, gelingt ein sensibles, facettenreiches und genaues Psychogramm ostdeutscher Provinz nach der Wende, dessen Wahrheit bis heute weiterwirkt. Positiv aufgefallen ist der Jury, dass Das MÄDCHEN MIT DEN GOLDENEN HÄNDEN keine Klischees bedient, sondern differenzierte Haltungen und Persönlichkeiten porträtiert und ihre Erfahrungen mit dem Totalitären der DDR zwischen Mitläufertum und passive und/oder konstruktivem Widerstand widerspiegelt. Dass dies gleichzeitig mit einer Kinderheimerfahrung der Hauptfigur Gudrun kombiniert ist, verschafft dem Film noch weitere Tiefe, weil sich hieraus Charaktereigenschaften und Handlungsmotivationen Gudruns erklären lassen. Dabei wird die Herbheit der Hauptfigur niemals dämonisiert. Im Gegenteil begegnet der Film jeder Ost-Biografie mit Empathie und psychologischer Tiefenschärfe ohne Beschönigungen. Mit Corinna Harfouch ist dabei natürlich ein Besetzungscoup gelungen, die alle Facetten dieser Idealistin, die in ihrem Leben auch viel falsch gemacht hat, subtil und menschlich glaubwürdig ausspielt. Wobei der gesamte Cast bis in die Nebenfiguren äußerst gelungen ist, keiner überagiert. Die Schauspielführung ist von subtiler Eleganz getragen, so dass die Zuschauenden insgesamt großen Erzählgenuss erleben und die Identifizierung mit allen Figuren gelingt. Mit DAS MÄDCHEN MIT DEN GOLDENEN HÄNDEN ist eine durchweg gelungene Familiengeschichte des Ostens entstanden, die noch lange als Referenzerzählung im Kino Bestand haben wird.

Besonders begeistert war die Jury auch vom Einsatz kleinster inhaltsträchtiger und psychologisch bedeutsamster Details (bis hin zu einem Honiglöffel, der seit 54 Jahren aufbewahrt worden war). Die Ausstattung vermittelt ebenfalls eine authentische Atmosphäre, die Musik ist dezent aus der Handlung heraus entwickelt.

Dass mit den persönlichen Geschichten von Mutter, Tochter und Mann, denen der Film als Schwerpunkte eigene Abschnitte widmet, ohne dass der Erzählfluss gestört wäre, auch viel über Politik der DDR sowie der Wendezeit und ihre Problematiken (das Verhalten der ?alten? gegenüber den ?neuen? Bundesländern, Kapitalismus und Bevölkerungsschwund) erzählt wird, ist ein Hauptanliegen des Films, das ? elegant verwoben ? voll eingelöst wird.

Die Prädikatsvergabe BESONDERS WERTVOLL erfolgte euphorisch und einstimmig.



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