FBW-Bewertung: Oeconomia (2020)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Dieser Film bietet einen spannenden und letztlich erschreckenden Blick in die Mechanismen des globalen Kapitalmarktes, den Regularien der nationalen und globalen Wirtschaftssysteme, die spätestens auch seit der großen Weltfinanzkrise immer undurchsichtiger geworden sind.Die Autorin und Regisseurin Carmen Losmann versucht, mit einfachen Fragen an Wirtschaftsfachleute, an Spitzen von Banken und Investitionsunternehmungen Antworten zu bekommen. Aber, auf einfache Fragen auch Antworten zu bekommen, ist schwieriger als gedacht. Das geht von Verweigerung zu erbetenen Interviews, zum Verweis von Spitzenfunktionären zu kleineren Chargen, zur Abwiegelung auf Telefonate, die selbstverständlich nicht mitgeschnitten werden dürfen, und auch zur Nichtzulassung der Film-Teams. Dennoch: Carmen Losmann baut logisch konsequent und auch für Laien verständlich ein Gebäude aus Fragen und Antworten, gespickt mit erklärenden Grafiken und Zahlenwerken auf. Erstaunlich dabei ist, wie selbst die sogenannten Fachkräfte im System um gewisse Antworten ringen müssten oder keine zu geben wissen. Die scheinbar einfache Frage zu Beginn - wie entsteht Geld ? führt uns vom privaten Investor, der Geld von der Bank für den Aufbau eines Unternehmens braucht, zur ersten Antwort: Der Kredit der Bank ist die Schöpfung von Geld, das der Investor durch seine Investition in den Wirtschaftskreislauf bringt. Durch die Investition erhofft sich der Investor Profit, basierend wiederum durch eine funktionierende Wirtschaft mit Wirtschaftswachstum. Hinter den Banken steht der Staat, der mit der Ausgabe von Staatsanleihen den Geldkreislauf erst möglich macht. Letztlich funktioniert das System nur durch ständig steigende Schulden. Die Schulden von heute sind die Profite von morgen oder die Profite von heute sind dieSchulden von morgen. Wer das Geld hat, wird immer reicher und die Armen bleiben arm oder werden noch ärmer. Die Schere wird größer von Tag zu Tag. Und auf die Frage der Filmemacherin, wie lange dieses System des ständigen Schuldenaufbaus weltweit noch funktionieren wird, antwortet auch der Experte mit einer Frage: ?Was wird zuerst kollabieren? Die Welt oder der Kapitalismus??
OECONOMIA besticht durch seinen hohen Informationswert und seinen Detailreichtum. Die Grafiken, Zahlenreihen und Inserts machen dieses komplexe Glaubensgebäude nahbar, fühlbar und bauen selbst für den Laien unter den Zuschauer einen schönen Spannungsbogen auf. Ein sehr wichtiges gestalterisches Element ist die Kamera, die als idealen bildlichen Hintergrund für das Spiel von Fragen und Antworten die gigantischen gläsernen Fassaden der Bürotürmevon Banken und Großwirtschaft uns vor Augen hält. Bleibt die Frage, wer eigentlich die Macht im Staat hat? Und durch Fragen wie diese ist OECONOMIA auch ein politischer Film, ein Aufklärungsfilm ? und ein mehr als geeigneter Film für Schulen.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)