Eine Geschichte von drei Schwestern (2019)
Kiz Kardesler
Der Report der Mägde: türkisches Drama um drei Schwestern, die versuchen, der Enge ihres Dorfs zu entfliehen.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Havva (Helín Kandemír), die jüngste von drei Schwestern, hat ihre Stellung als Besleme, eine Mischung aus Pflegekind und Dienstmagd, verloren und kehrt aus der Stadt in ihr Bergdorf ins Haus ihres Vaters Sevket (Müfit Kayacan) zurück. Dort wohnen auch ihre älteste Schwester Reyhan (Cemre Ebüzzíya), deren Mann Veysel (Kayhan Açikgöz) und Reyhans Sohn Gökhan. Reyhan suchte als Erste eine bessere Zukunft als Besleme, kam jedoch mit einem unehelichen Kind heim und heiratete eiligst den einfältigen Veysel, den Ziegenhirten des Dorfs. Als schließlich auch Nurhan (Ece Yüksel) ihre Stelle beim Arzt Necati (Kubilay Tunçer) verliert, sind die drei Schwestern wieder alle unter einem Dach vereint.
Sevket bemüht sich, nun Havva im Haushalt von Herrn Necati unterzubringen. Auch Nurhan möchte dorthin zurück. Und Veysel bedrängt den Arzt, ihm einen Job in der Stadt zu vermitteln, um gemeinsam mit Reyhan das Dorfleben endlich hinter sich lassen zu können. Währenddessen treiben zwei Banditen in der Nähe des Dorfs ihr Unwesen.
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Filmkritik
Dieses Mal ging es schneller. Während Emin Alpers klaustrophobische Politparabel "Abluka" (2015) trotz zahlreicher Preise, darunter drei bei den Filmfestspielen von Venedig, erst zwei Jahre nach ihrer Weltpremiere den Weg in die deutschen Kinos fand, musste das Publikum auf den Nachfolger nicht ganz so lange warten. Ursprünglich hätte der Wettbewerbsbeitrag der Berlinale 2019 schon Anfang April 2020 starten sollen. Corona-bedingt ist daraus Juni geworden. Das Warten hat sich gelohnt.
Dass "Eine Geschichte von drei Schwestern" überhaupt in die Kinos kommt, ist wie schon bei "Abluka" dem Nürnberger Grandfilm Verleih zu verdanken. Dessen Katalog ist nicht nur ausnahmslos zu empfehlen, auch Alpers jüngstes Drama ist exzellent und eine sichtbare Fortentwicklung seines ohnehin schon beeindruckenden Stils, einer Mischung aus eindeutiger Sozialkritik und mehrdeutiger Lesart. Dafür hat der Regisseur und Drehbuchautor der Stadt den Rücken gekehrt und auf dem Land gedreht. Die Handlung hat er erneut an einem nicht näher bestimmten Ort in einer nicht näher bestimmten Zeit angesiedelt.
Schon "Abluka", der an der Peripherie der im Film nie benannten Millionenmetropole Istanbul spielte, verfuhr so. Das diffuse Bedrohungsszenario ließ sich problemlos auf vergleichbare historische Ereignisse übertragen und gleichzeitig ganz allgemein als überzeitliche Parabel begreifen. Blaugrau, durchnässt, dystopisch. Dem lässt Alper jetzt ein modernes Märchen über soziale und patriarchale Strukturen, über gesellschaftlichen Aufstieg und Emanzipation folgen. Erdfarben, warm und bei aller Tragik utopisch. Misstraute in "Abluka" jeder jedem, sind die Figuren nun, bei aller Abneigung, einander zugeneigt. Die Schwestern teilen am Feuer ihre Erfahrungen, der Vater kramt in seinem Anekdotenschatz. Das Geschichtenerzählen und Zuhören heilt.
Abermals verströmt Alpers Drama einen Zauber des Ungreifbaren. Den besorgen neben den wunderschönen, ans Chiaroscuro alter Meister erinnernden Einstellungen des Kameramanns Emre Erkmen und den melancholischen Violinen der Komponisten Giorgos und Nikos Papaioannou die spielerisch eingestreuten Metaphern und Symbole und deren doppelte Codierung. Wenn Veysel die Glut schürt, dann ist das ebenso im übertragenen Sinn zu verstehen, wie es ganz wörtlich genommen Konsequenzen zeitigt. Und wofür stehen die zwei Banditen, die rund ums Dorf ihr Unwesen treiben, wofür die eingestürzte Mine, die das Bergdorf einst ernährte, wofür die alte Hatice (Basak Kivilcim Ertanoglu), die, wenn keiner hinsieht, Purzelbäume schlägt?
Es ist dieses Rätselhafte, stets an ganz konkrete Sorgen und Nöte rückgekoppelt, das diese "Geschichte von drei Schwestern" über vergleichbare Dramen weit hinaushebt.
Fazit: Emin Alper legt noch eine Schippe drauf. Auf die klaustrophobische Politparabel "Abluka" lässt der Regisseur und Drehbuchautor ein als Märchen verkleidetes Familiendrama folgen. Einfühlsam gespielt und herausragend inszeniert. Bewegend, warm und rätselhaft.
Dass "Eine Geschichte von drei Schwestern" überhaupt in die Kinos kommt, ist wie schon bei "Abluka" dem Nürnberger Grandfilm Verleih zu verdanken. Dessen Katalog ist nicht nur ausnahmslos zu empfehlen, auch Alpers jüngstes Drama ist exzellent und eine sichtbare Fortentwicklung seines ohnehin schon beeindruckenden Stils, einer Mischung aus eindeutiger Sozialkritik und mehrdeutiger Lesart. Dafür hat der Regisseur und Drehbuchautor der Stadt den Rücken gekehrt und auf dem Land gedreht. Die Handlung hat er erneut an einem nicht näher bestimmten Ort in einer nicht näher bestimmten Zeit angesiedelt.
Schon "Abluka", der an der Peripherie der im Film nie benannten Millionenmetropole Istanbul spielte, verfuhr so. Das diffuse Bedrohungsszenario ließ sich problemlos auf vergleichbare historische Ereignisse übertragen und gleichzeitig ganz allgemein als überzeitliche Parabel begreifen. Blaugrau, durchnässt, dystopisch. Dem lässt Alper jetzt ein modernes Märchen über soziale und patriarchale Strukturen, über gesellschaftlichen Aufstieg und Emanzipation folgen. Erdfarben, warm und bei aller Tragik utopisch. Misstraute in "Abluka" jeder jedem, sind die Figuren nun, bei aller Abneigung, einander zugeneigt. Die Schwestern teilen am Feuer ihre Erfahrungen, der Vater kramt in seinem Anekdotenschatz. Das Geschichtenerzählen und Zuhören heilt.
Abermals verströmt Alpers Drama einen Zauber des Ungreifbaren. Den besorgen neben den wunderschönen, ans Chiaroscuro alter Meister erinnernden Einstellungen des Kameramanns Emre Erkmen und den melancholischen Violinen der Komponisten Giorgos und Nikos Papaioannou die spielerisch eingestreuten Metaphern und Symbole und deren doppelte Codierung. Wenn Veysel die Glut schürt, dann ist das ebenso im übertragenen Sinn zu verstehen, wie es ganz wörtlich genommen Konsequenzen zeitigt. Und wofür stehen die zwei Banditen, die rund ums Dorf ihr Unwesen treiben, wofür die eingestürzte Mine, die das Bergdorf einst ernährte, wofür die alte Hatice (Basak Kivilcim Ertanoglu), die, wenn keiner hinsieht, Purzelbäume schlägt?
Es ist dieses Rätselhafte, stets an ganz konkrete Sorgen und Nöte rückgekoppelt, das diese "Geschichte von drei Schwestern" über vergleichbare Dramen weit hinaushebt.
Fazit: Emin Alper legt noch eine Schippe drauf. Auf die klaustrophobische Politparabel "Abluka" lässt der Regisseur und Drehbuchautor ein als Märchen verkleidetes Familiendrama folgen. Einfühlsam gespielt und herausragend inszeniert. Bewegend, warm und rätselhaft.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Eine Geschichte von drei Schwestern"
Land: Türkei, Deutschland, Niederlande, GriechenlandJahr: 2019
Genre: Drama
Originaltitel: Kiz Kardesler
Länge: 108 Minuten
Kinostart: 04.06.2020
Regie: Emin Alper
Darsteller: Cemre Ebuzziya, Ece Yüksel, Helin Kandemir, Müfit Kayacan, Kayhan Açikgöz
Kamera: Emre Erkmen
Verleih: Grandfilm
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Arte zeigt "Eine Geschichte von drei Schwestern"
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