FBW-Bewertung: Der letzte Mieter (2018)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Im Kino besteht eine altbewährte Strategie darin, dass im Rahmen von Genrefilmen aktuelle und politisch brisante Themen behandelt werden. Auf einer Ebene werden die Erwartungen an das Unterhaltungskino befriedigt, es gibt also Spannungsmomente, Actionszenen und einen Protagonisten, der zu Identifizierung einlädt. Auf einerzweiten Ebene werden, möglichst gut recherchiert und informativ, Missstände oder bedenkliche Entwicklungen in der Gesellschaft verhandelt. Gregor Erler ist dieser Spagat mit DER LETZTE MIETER beispielhaft gut gelungen. Er erzählt darin von der Gentrifizerung von Wohnvierteln in deutschen Großstädten, und dabei dürften die meisten von ihm geschilderten Details der bundesdeutschen Realität der späten 2010er Jahre entsprechen. Die Geschichte, die er in einem alten Mietshaus ansiedelt, aus dem mit Hilfe der Polizei die letzten Mieter zwangsgeräumt werden, wirkt auf den ersten Blick ein wenig konstruiert: Der Protagonist Tobias arbeitet für die Immobilienfirma, der das Haus gehört, doch zugleich gehört sein Vater zu den letzten verbliebenen Mietern. Der alte Mann weigert sich, seine Wohnung zu verlassen. Aus Gründen, die erst später offenbart werden, ist ein junger Makler in der Wohnung und dazu kommt etwas später eine junge Polizistin. Schnell eskaliert die Situation und es entwickelt sich ein Geiseldrama, dass so temporeich und spannend inszeniert wird, dass man schnell vergisst, wie funktional die einzelnen Figuren im Grunde eingesetzt werden. Dies gelingt vor allem deshalb, weil die Charaktere durch ihre Aktionen definiert werden, Erler also eher sparsam pointierte Dialoge einsetzt und stattdessen mehr mit überraschenden Wendungen des Plots arbeitet. Bemerkenswert ist auch, dass er weitgehend auf eine klischeehafte Darstellung etwa der Polizisten oder der Chefin der Immobilienfirma verzichtet. Und im letzten Akt arbeitet er sehr effektiv mit einem Stilbruch, denn plötzlich wechselt Erler von seinem semidokumentarischen Stil zu den bombastischen Bildern von Katastrophenfilmen, bei denen er sich bei der Ikonografie von ?9/11? bedient und Tobias von einem naturalistisch gezeichneten deutschen Normalbürger zu einem Actionhelden mutiert, dem alles zu gelingen scheint. Dieses auf den ersten Blick unplausibel wirkende Finale bekommt durch die letzten Bilder des Films eine unerwartete Bedeutung, mit der die Geschichte auf allen Ebenen konsequent undstimmig zu Ende erzählt wird. DER LETZTE MIETER ist ein grandioses Regiedebüt.Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)