Paris Calligrammes (2019)
Dokumentarfilm von Ulrike Ottinger über ihre Erinnerungen an die Stadt Paris in den 1960er Jahren.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Die spätere Filmemacherin Ulrike Ottinger ging als 20-Jährige 1962 aus Konstanz fort, um in Paris Künstlerin zu werden. Sie blieb bis 1969. In Paris besuchte sie oft die antiquarische Buchhandlung "Calligrammes", die der deutsch-jüdische Emigrant Fritz Picard betrieb. Hier trafen sich Exilanten, die vor den Nazis geflohen waren, Intellektuelle und Künstler verschiedener Generationen. Ottinger kam mit dem Dadaismus und anderen Kunstrichtungen in Verbindung und ließ sich von Picards Liebe zu schönen Büchern anstecken.
Im Atelier von Johnny Friedlaender lernte sie Radiertechniken. Sie begann, Bilder im Stil von Comicstrips zu malen, einer zur Pop Art zählenden Richtung der bildenden Kunst. Sie erinnert sich, wie ihre Freunde über den Algerienkrieg debattierten, und auch daran, dass die Polizei einmal hunderte Demonstranten tötete, die für ein freies Algerien und bessere Lebensbedingungen der in Paris in Armut lebenden Algerier auf die Straße gingen.
Ottinger befasste sich mit dem Erbe des Kolonialismus und den Pariser Ethnologen. Sie erinnert sich auch an die Jazzkeller und an die Cinémathèque française, wo sie unter anderem die Filme der deutschen Expressionisten kennenlernte. Am Schluss ihres Rückblicks steht die Studentenrevolte vom Mai 1968 mit ihren Straßenkämpfen.
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Filmkritik
Ähnlich wie in einem Kalligramm oder Figurengedicht, das Texte in eine bildhafte Form bringt, erinnert sich die Filmemacherin und bildende Künstlerin Ulrike Ottinger an ihre Jahre in Paris. Aus einem Abstand von 50 Jahren blickt sie in ihrer Voice-Over-Erzählung zurück, verknüpft private Anekdoten und lebendig gebliebene Eindrücke mit den großen Themen, die in den 1960er Jahren die Gespräche der Pariser Intellektuellen und Künstler beherrschten. Mit reichhaltigem Archivmaterial und neuen Aufnahmen bebildert, verweben Ottingers Erinnerungen die individuelle und die gesellschaftliche Ebene sehr anregend.
Die filmische Hommage an Paris ist in zehn Kapitel und einen Epilog unterteilt. Der intellektuelle Austausch in den 1960ern bekommt Orte zugewiesen, Cafés in Saint-Germain-des-Près, wo man hinging, um zu schreiben und ganze Nachmittage zu verbringen. In Archivaufnahmen sieht man das Leben in den Straßen, Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir gehen vorbei. Ottinger präsentiert auch ehrfürchtig ein Gästebuch, das in Fritz Picards Buchhandlung "Calligrammes" auslag und das ihr nach langem vergeblichem Suchen erst kurz vor den Dreharbeiten in die Hände fiel. Max Ernst, Marino Marini, Annette Kolb, Paul Celan, Walter Mehring und viele andere haben sich darin verewigt mit Namen, manche haben ein paar Worte oder auch eine Zeichnung beigefügt.
Ottinger erinnert sich an den Blick aus dem Fenster einer ihrer Wohnungen, sogar an die verschiedenen Geräusche in den Straßen, die ihr täglich zuverlässig die Uhrzeit verrieten. Auch Eindrücke aus dem heutigen Paris streut sie zum Vergleich ein, etwa "das weltumspannende Ritual des Selfies" betreffend - Touristen, die sich vor dem Eiffelturm fotografieren. Oder sie beobachtet, wie sich Immigrantinnen afrikanischer Abstammung in einem Friseursalon die Haare kunstvoll flechten lassen.
Die Filmemacherin fügt auch Beispiele aus ihrem eigenen künstlerischen Schaffen ein, das von den in Paris gewonnenen Eindrücken inspiriert wurde. Wie ein Füllhorn ergießt sich das gesammelte, erinnerte Material über die Kinoleinwand. Die Stadt von damals präsentiert sich als ein Geflecht sinnlicher, geistiger Reize und Herausforderungen, erwacht zum Leben. Dieses außergewöhnliche Zeitdokument ist ein schönes Geschenk an das Filmpublikum und nachfolgende Generationen.
Fazit: Zwischen 1962 und 1969 lebte die junge deutsche Künstlerin Ulrike Ottinger in Paris. 50 Jahre später blickt Ottinger in ihrem Dokumentarfilm auf die bewegte Zeit zurück und die Begegnungen, die ihr Weltbild und ihre künstlerische Entwicklung beeinflussten. Ihre lebhafte Erzählung wechselt zwischen persönlichen Erkundungen und den beherrschenden Themen der Epoche, wie Algerienkrieg oder Studentenrevolte. Bebildert mit reichhaltigem Archivmaterial, aber auch heutigen Straßenszenen ist ein faszinierendes Stadtporträt entstanden, das wie in einem Album kostbare Momente, inspirierende Orte und aufwühlende Ereignisse vor dem Vergessen bewahrt.
Die filmische Hommage an Paris ist in zehn Kapitel und einen Epilog unterteilt. Der intellektuelle Austausch in den 1960ern bekommt Orte zugewiesen, Cafés in Saint-Germain-des-Près, wo man hinging, um zu schreiben und ganze Nachmittage zu verbringen. In Archivaufnahmen sieht man das Leben in den Straßen, Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir gehen vorbei. Ottinger präsentiert auch ehrfürchtig ein Gästebuch, das in Fritz Picards Buchhandlung "Calligrammes" auslag und das ihr nach langem vergeblichem Suchen erst kurz vor den Dreharbeiten in die Hände fiel. Max Ernst, Marino Marini, Annette Kolb, Paul Celan, Walter Mehring und viele andere haben sich darin verewigt mit Namen, manche haben ein paar Worte oder auch eine Zeichnung beigefügt.
Ottinger erinnert sich an den Blick aus dem Fenster einer ihrer Wohnungen, sogar an die verschiedenen Geräusche in den Straßen, die ihr täglich zuverlässig die Uhrzeit verrieten. Auch Eindrücke aus dem heutigen Paris streut sie zum Vergleich ein, etwa "das weltumspannende Ritual des Selfies" betreffend - Touristen, die sich vor dem Eiffelturm fotografieren. Oder sie beobachtet, wie sich Immigrantinnen afrikanischer Abstammung in einem Friseursalon die Haare kunstvoll flechten lassen.
Die Filmemacherin fügt auch Beispiele aus ihrem eigenen künstlerischen Schaffen ein, das von den in Paris gewonnenen Eindrücken inspiriert wurde. Wie ein Füllhorn ergießt sich das gesammelte, erinnerte Material über die Kinoleinwand. Die Stadt von damals präsentiert sich als ein Geflecht sinnlicher, geistiger Reize und Herausforderungen, erwacht zum Leben. Dieses außergewöhnliche Zeitdokument ist ein schönes Geschenk an das Filmpublikum und nachfolgende Generationen.
Fazit: Zwischen 1962 und 1969 lebte die junge deutsche Künstlerin Ulrike Ottinger in Paris. 50 Jahre später blickt Ottinger in ihrem Dokumentarfilm auf die bewegte Zeit zurück und die Begegnungen, die ihr Weltbild und ihre künstlerische Entwicklung beeinflussten. Ihre lebhafte Erzählung wechselt zwischen persönlichen Erkundungen und den beherrschenden Themen der Epoche, wie Algerienkrieg oder Studentenrevolte. Bebildert mit reichhaltigem Archivmaterial, aber auch heutigen Straßenszenen ist ein faszinierendes Stadtporträt entstanden, das wie in einem Album kostbare Momente, inspirierende Orte und aufwühlende Ereignisse vor dem Vergessen bewahrt.
Bianka Piringer
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Besetzung & Crew von "Paris Calligrammes"
Land: DeutschlandJahr: 2019
Genre: Dokumentation
Länge: 95 Minuten
Kinostart: 11.06.2020
Regie: Ulrike Ottinger
Verleih: Real Fiction
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