Fly (2019)
Tanzende Häftlinge: 24 Jahre nach ihrem Film "Bandits" über eine Gefängnis-Rockgruppe hat Katja von Garnier einen Film über eine Gefängnis-Tanztruppe gedreht.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 3 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Die 20-jährige Bex (Svenja Jung) sitzt im Knast, weil sie einen schweren Autounfall verursacht hat. Von ihrer Anwältin Dr. Goldberg (Katja Riemann) empfohlen, nimmt sie an einem Resozialisierungsprogramm teil, dass die Sozialarbeiterin Sara (Nicolette Krebitz) angeleiert hat. Gemeinsam mit andere Insassen wie Jay (Ben Wichert), Fahid (Majid Kessab) oder Carmel (Luwam Russom) soll Bex von der Tanzlehrerin Ava (Jasmin Tabatabai) zu einer konkurrenzfähigen Einheit zusammengeschweißt werden.
Denn Ava verfolgt mit dem Unterricht im Knast noch ein ganz anderes Ziel. Ihr großer Traum ist ein Theater für urbanen Tanz. Eine freie Fläche, die viel mit Avas verstorbenem Bruder zu tun hat, käme dafür infrage. Dafür müssen sie und ihre Tanztruppe aber erst den Kulturpolitiker Hartmann (Aleksandar Jovanovic) davon überzeugen, dass auch der urbane Tanz seinen Platz in der Berliner Hochkultur verdient hat. Gerade als es für die Truppe richtig gut läuft, wird Bex von ihrer Vergangenheit eingeholt.
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Filmkritik
Spätestens mit dem Film "Beat Street" (1984) waren urbane Tanzformen wie der Breakdance auch einer breit(er)en Öffentlichkeit bekannt. Richtig im Mainstreamkino angekommen sind die auf der Straße und in Musikklubs entstandenen Tänze aber erst im neuen Jahrtausend. Der Film "Save the Last Dance" (2001) ebnete den Weg. Inzwischen gibt es ganze Filmreihen, die sich den Straßentänzen annehmen, wie die amerikanische "Step Up"-Reihe (seit 2006), die britische "Streetdance"-Reihe (2010, 2012) und ein französisches Remake. Nun hat auch Deutschland seinen ersten zeitgenössischen Vertreter. Hat es den gebraucht?
Die Antwort ist ja, denn Katja von Garniers Tanzfilm braucht den Vergleich mit den internationalen Vorbildern nicht zu scheuen. (Strenggenommen ging ihm Jan Martin Scharfs "Dessau Dancers" sieben Jahre voraus. Doch Scharfs Film, der erzählt, wie der Breakdance in die DDR kam, spielt weder in der Gegenwart noch ist er so toll choreografiert wie "Fly".) Die von der Tanztruppe "Flying Steps" erarbeiteten Choreografien sind ebenso erstklassig wie das tanzende Ensemble, was daran liegt, dass von Garnier keine Schauspieler gecastet und ihnen das Tanzen beigebracht, sondern Tänzer gecastet und ihnen das Schauspielern beigebracht hat. Hauptdarstellerin Svenja Jung bildet die einzige Ausnahme, brachte aber bereits Tanzerfahrung mit und muss sich hinter dem Rest der Truppe, zu der einige Weltmeister gehören, nicht verstecken. Auch visuell sieht "Fly" nach großem Kino aus. Erzählerisch beschreitet er zwar keine neuen, dafür aber bewährte Pfade.
Ein großer Kritikpunkt an den Vorbildern ist, dass eine Kunstform, die sich in bunt durchmischten Nachbarschaften entwickelt hat, durch die Augen von weißen Figuren erzählt wird. Das ist auch in "Fly" nicht anders, in deren Zentrum die von Svenja Jung gespielte Bex steht. Die Konstruktion dieser Figur als Mittlerin zwischen den Welten merkt man ihr bis zuletzt an. Zum Glück hat Katja von Garnier um ihre Hauptdarstellerin herum aber einen so diversen Cast versammelt, dass sich ihr Film tatsächlich wie ein Querschnitt durch das bunte und lebendige Berlin anfühlt. Hier trifft Daphne Ferraros Drehbuch gleich zu Beginn eine gute Entscheidung und komplementiert den stocksteifen weißen Tanzlehrer (Andreas Pietschmann in einem Cameo) aus der Handlung hinaus. Mit der von Jasmin Tabatabai verkörperten und burschikos angelegten Ava übernimmt eine Kollegin, die sich von den jungen Straßenkötern nichts sagen lässt und die nötige Street Credibility mitbringt.
Der Rest ist eine klassisch erzählte Aufsteigergeschichte um eine Gruppe Außenseiter, auf die keiner mehr einen Pfifferling setzt, bevor sie sich mit Pfiff emporarbeitet. Es geht darum, etwas aus seinem Leben zu machen, darum, seine Talente zu nutzen, um zurück auf den richtigen Weg zu kommen. Auf einer übergeordneten Ebene erzählt der Film zudem vom ewigen Ringen der U-Kultur mit der E-Kultur. Auf die erwartbaren Rückschläge und dunklen Enthüllungen folgt die Erkenntnis, dass das Erreichen des gemeinsamen Ziels nur durch Zusammenhalt klappt. Insgesamt mutet all das für einen deutschen Film ziemlich amerikanisch an.
Katja von Garnier, die zuletzt mit ihrer "Ostwind"-Trilogie (2013-2017) große Erfolge feierte, beweist mit "Fly", dass ihr derzeit jedes Genre liegt. Auf drei "Pferde"-Filme folgt ein Tanzfilm, der versiert zwischen Spielfilmhandlung und eingestreuten, metaphorisch aufgeladenen Tanzeinlagen wechselt. Es sind wunderbare Szenen darunter, etwa wenn die Truppe während eines Museumsbesuchs improvisiert und sich in dieser Performance die E- und U-Kultur tatsächlich miteinander verschränken. "Fly" ist ein Tanzfilm, der sich sehen lassen kann und der ganz nebenbei allen Fans des Films "Bandits" (1997) ein augenzwinkerndes Wiedersehen mit drei der vier Hauptdarstellerinnen beschert.
Fazit: Nach Pferden nun also der Urban Dance. Regisseurin Katja von Garnier lässt ihrer "Ostwind"-Trilogie einen Tanzfilm folgen, der sich sehen lassen kann und vor der internationalen Konkurrenz nicht zu verstecken braucht. "Fly" sieht nach großem Kino aus, ist mit weltklasse Tänzer:innen besetzt und erstklassig choreografiert. Ein Film, der seine Figuren scheinbar fliegen lässt.
Die Antwort ist ja, denn Katja von Garniers Tanzfilm braucht den Vergleich mit den internationalen Vorbildern nicht zu scheuen. (Strenggenommen ging ihm Jan Martin Scharfs "Dessau Dancers" sieben Jahre voraus. Doch Scharfs Film, der erzählt, wie der Breakdance in die DDR kam, spielt weder in der Gegenwart noch ist er so toll choreografiert wie "Fly".) Die von der Tanztruppe "Flying Steps" erarbeiteten Choreografien sind ebenso erstklassig wie das tanzende Ensemble, was daran liegt, dass von Garnier keine Schauspieler gecastet und ihnen das Tanzen beigebracht, sondern Tänzer gecastet und ihnen das Schauspielern beigebracht hat. Hauptdarstellerin Svenja Jung bildet die einzige Ausnahme, brachte aber bereits Tanzerfahrung mit und muss sich hinter dem Rest der Truppe, zu der einige Weltmeister gehören, nicht verstecken. Auch visuell sieht "Fly" nach großem Kino aus. Erzählerisch beschreitet er zwar keine neuen, dafür aber bewährte Pfade.
Ein großer Kritikpunkt an den Vorbildern ist, dass eine Kunstform, die sich in bunt durchmischten Nachbarschaften entwickelt hat, durch die Augen von weißen Figuren erzählt wird. Das ist auch in "Fly" nicht anders, in deren Zentrum die von Svenja Jung gespielte Bex steht. Die Konstruktion dieser Figur als Mittlerin zwischen den Welten merkt man ihr bis zuletzt an. Zum Glück hat Katja von Garnier um ihre Hauptdarstellerin herum aber einen so diversen Cast versammelt, dass sich ihr Film tatsächlich wie ein Querschnitt durch das bunte und lebendige Berlin anfühlt. Hier trifft Daphne Ferraros Drehbuch gleich zu Beginn eine gute Entscheidung und komplementiert den stocksteifen weißen Tanzlehrer (Andreas Pietschmann in einem Cameo) aus der Handlung hinaus. Mit der von Jasmin Tabatabai verkörperten und burschikos angelegten Ava übernimmt eine Kollegin, die sich von den jungen Straßenkötern nichts sagen lässt und die nötige Street Credibility mitbringt.
Der Rest ist eine klassisch erzählte Aufsteigergeschichte um eine Gruppe Außenseiter, auf die keiner mehr einen Pfifferling setzt, bevor sie sich mit Pfiff emporarbeitet. Es geht darum, etwas aus seinem Leben zu machen, darum, seine Talente zu nutzen, um zurück auf den richtigen Weg zu kommen. Auf einer übergeordneten Ebene erzählt der Film zudem vom ewigen Ringen der U-Kultur mit der E-Kultur. Auf die erwartbaren Rückschläge und dunklen Enthüllungen folgt die Erkenntnis, dass das Erreichen des gemeinsamen Ziels nur durch Zusammenhalt klappt. Insgesamt mutet all das für einen deutschen Film ziemlich amerikanisch an.
Katja von Garnier, die zuletzt mit ihrer "Ostwind"-Trilogie (2013-2017) große Erfolge feierte, beweist mit "Fly", dass ihr derzeit jedes Genre liegt. Auf drei "Pferde"-Filme folgt ein Tanzfilm, der versiert zwischen Spielfilmhandlung und eingestreuten, metaphorisch aufgeladenen Tanzeinlagen wechselt. Es sind wunderbare Szenen darunter, etwa wenn die Truppe während eines Museumsbesuchs improvisiert und sich in dieser Performance die E- und U-Kultur tatsächlich miteinander verschränken. "Fly" ist ein Tanzfilm, der sich sehen lassen kann und der ganz nebenbei allen Fans des Films "Bandits" (1997) ein augenzwinkerndes Wiedersehen mit drei der vier Hauptdarstellerinnen beschert.
Fazit: Nach Pferden nun also der Urban Dance. Regisseurin Katja von Garnier lässt ihrer "Ostwind"-Trilogie einen Tanzfilm folgen, der sich sehen lassen kann und vor der internationalen Konkurrenz nicht zu verstecken braucht. "Fly" sieht nach großem Kino aus, ist mit weltklasse Tänzer:innen besetzt und erstklassig choreografiert. Ein Film, der seine Figuren scheinbar fliegen lässt.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Fly"
Land: DeutschlandJahr: 2019
Genre: Tanzfilm
Kinostart: 14.10.2021
Regie: Katja von Garnier
Darsteller: Svenja Jung als Bex, Ben Wichert als Jay, Jasmin Tabatabai als Ava, Nicolette Krebitz als Sara, Katja Riemann als Dr. Goldberg
Kamera: Torsten Breuer, Bernhard Jasper
Verleih: Studiocanal
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