Das Wunder im Meer von Sargasso (2019)
To thávma tis thálassas ton Sargassón
Stillschweigende Solidarität: griechischer Mix aus Drama, Thriller und Mystery um zwei Frauen und einen Mord in einer gottverlassenen Lagunenstadt.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Weil sie ihrem Vorgesetzten ein Dorn im Auge ist, verliert die erfolgreiche Polizistin Elisabeth (Angeliki Papoulia), die in Athen eine Anti-Terror-Einheit leitet, ihre Anstellung. Von Griechenlands Hauptstadt wechselt sie an die Westküste und wird in der verschlafenen, für ihre Aalzucht bekannte Lagunenstadt Mesolongi Polizeichefin. Zehn Jahre später ist sie ganz unten angekommen. Die alleinerziehende Mutter vernachlässigt ihren jugendlichen Sohn Dimitris (Christian Culbida) und ihre Arbeit, beleidigt ihre Mitmenschen, trinkt exzessiv und hat eine ungesunde Affäre mit dem verheirateten Arzt Vassilis (Argyris Xafis).
Ein Mord an Schlagersänger Manolis (Hristos Passalis) bringt Bewegung in Elisabeths festgefahrenen Alltag. Nach einer durchzechten Nacht hängt Manolis tot an einem Baum am Strand. Schon vor den Ermittlungen kreuzten sich Elisabeths Wege mehrfach mit denen von Rita (Youla Boudali). Was hat die Schwester des Opfers, eine Angestellte in einer Fischfabrik, mit dem Tod ihres Bruders zu tun? Und inwieweit sind der Staatsanwalt Andreas (Laertis Malkotsis) und dessen stummer Bruder Michalis (Thanasis Dovris) in den Fall verwickelt?
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Filmkritik
Das griechische Kino ist mehr als Costa-Gavras Politthriller ("Z", 1969), Theo Angelopoulos' metaphorisch-elegische Filmepen ("Landschaft im Nebel", 1988; "Die Ewigkeit und ein Tag", 1998) oder Michael Cacoyannis' das internationale Griechenlandbild prägende Romanverfilmung "Alexis Sorbas" (1964). Seit einem starken Jahrzehnt schwappt die von Journalisten gern als "greek weird wave" bezeichnete Welle schräger Filme um Yorgos Lanthimos ("Doogtooth", 2009; "Alpen", 2011) und Athina Rachel Tsangari ("Attenberg", 2010) um den Globus. Syllas Tzoumerkas' "Das Wunder im Meer von Sargasso" surft irgendwo dazwischen und erinnert in seiner Figurenzeichnung, der Gewalt, dem Unflat und den Unflätigkeiten stark an Yannis Economides' Berlinale-Beitrag "Stratos" (2014; Originaltitel: "To mikro psari").
Der klugen Eigenanalyse des Regisseurs folgend, könnte man "Das Wunder im Meer von Sargasso" als Abschluss einer Trilogie über den Zustand der griechischen Gesellschaft betrachten. War das Griechenland vor der Finanzkrise in "Homeland" (2010) die Hölle und das nach dem Zusammenbruch in "A Blast" (2014) das Fegefeuer, führt der Regisseur und Drehbuchautor seine Figuren dieses Mal heraus aus der Stadt und ins (Natur-)Paradies. Bei Tzoumerkas kommt dieses freilich ebenfalls einem Schwebezustand irgendwo zwischen Fegefeuer und Hölle gleich. Den Garten Eden gibt es bei ihm nur in Schlagersongs in der Disco.
Überhaupt lässt sich Tzoumerkas' jüngster Wurf am ehesten als Schwebezustand beschreiben. Die Landschaft ist wunderschön und zugleich hässlich. Die Musik von drei unterschiedlichen Komponisten pendelt zwischen Orchester, improvisiertem Ambient-Punk und griechischen Schnulzen. Der Film beginnt als knallharter Polizeithriller und schlägt unversehens in ein Sozial- und Familiendrama um, gespickt mit Krimi- und Mystery-Einsprengseln voller Träume und Visionen.
Tzoumerkas entführt sein Publikum in eine rohe, schmutzige, pervertierte Welt, in der kaum einer unschuldig bleibt. Hier treffen zwei ungleiche, jede auf ihre eigene Weise selbstzerstörerische Frauen aufeinander, die der Wunsch vereint, diesen Ort so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Während die männlichen Charaktere bis auf den von Christos Passalis vibrierend verkörperten Schlagerbarden Manolis durchweg unterkomplex bleiben, hat Tzoumerkas mit seiner Co-Autorin und Darstellerin Youla Boudali zwei vielschichtige Frauen ins Zentrum gerückt.
Angeliki Papoulia als desillusionierte Polizeichefin und Boudali als Manolis' ausgenutzte und missbrauchte Schwester spielen überragend. Zwei geschundene Seelen, die sich nicht mögen, aber stillschweigend solidarisieren. In dieser flirrenden Lagunenlandschaft verschwimmen irgendwann ihre Träume. Auch wenn es Tzoumerkas mit seinen Metaphern, den Bezügen zu Mesolongis Historie und zur Bibel ab und an übertreibt, erzeugt die Kombination aus all dem einen unentrinnbaren Sog. Eine beinahe delirierende, knallharte Abrechnung mit der griechischen Gesellschaft, mit Doppelmoral und einem überkommenen Patriarchat.
Fazit: Syllas Tzoumerkas liefert einen unkonventionellen, dreckigen und das Publikum fordernden Genremix ab, dessen geheimnisvoll flirrendem Sog man sich nur schwer entziehen kann. Eine knallharte Abrechnung mit Griechenlands Gesellschaft, aus der Sicht zweier vielschichtiger und widerstandsfähiger Frauen erzählt.
Der klugen Eigenanalyse des Regisseurs folgend, könnte man "Das Wunder im Meer von Sargasso" als Abschluss einer Trilogie über den Zustand der griechischen Gesellschaft betrachten. War das Griechenland vor der Finanzkrise in "Homeland" (2010) die Hölle und das nach dem Zusammenbruch in "A Blast" (2014) das Fegefeuer, führt der Regisseur und Drehbuchautor seine Figuren dieses Mal heraus aus der Stadt und ins (Natur-)Paradies. Bei Tzoumerkas kommt dieses freilich ebenfalls einem Schwebezustand irgendwo zwischen Fegefeuer und Hölle gleich. Den Garten Eden gibt es bei ihm nur in Schlagersongs in der Disco.
Überhaupt lässt sich Tzoumerkas' jüngster Wurf am ehesten als Schwebezustand beschreiben. Die Landschaft ist wunderschön und zugleich hässlich. Die Musik von drei unterschiedlichen Komponisten pendelt zwischen Orchester, improvisiertem Ambient-Punk und griechischen Schnulzen. Der Film beginnt als knallharter Polizeithriller und schlägt unversehens in ein Sozial- und Familiendrama um, gespickt mit Krimi- und Mystery-Einsprengseln voller Träume und Visionen.
Tzoumerkas entführt sein Publikum in eine rohe, schmutzige, pervertierte Welt, in der kaum einer unschuldig bleibt. Hier treffen zwei ungleiche, jede auf ihre eigene Weise selbstzerstörerische Frauen aufeinander, die der Wunsch vereint, diesen Ort so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Während die männlichen Charaktere bis auf den von Christos Passalis vibrierend verkörperten Schlagerbarden Manolis durchweg unterkomplex bleiben, hat Tzoumerkas mit seiner Co-Autorin und Darstellerin Youla Boudali zwei vielschichtige Frauen ins Zentrum gerückt.
Angeliki Papoulia als desillusionierte Polizeichefin und Boudali als Manolis' ausgenutzte und missbrauchte Schwester spielen überragend. Zwei geschundene Seelen, die sich nicht mögen, aber stillschweigend solidarisieren. In dieser flirrenden Lagunenlandschaft verschwimmen irgendwann ihre Träume. Auch wenn es Tzoumerkas mit seinen Metaphern, den Bezügen zu Mesolongis Historie und zur Bibel ab und an übertreibt, erzeugt die Kombination aus all dem einen unentrinnbaren Sog. Eine beinahe delirierende, knallharte Abrechnung mit der griechischen Gesellschaft, mit Doppelmoral und einem überkommenen Patriarchat.
Fazit: Syllas Tzoumerkas liefert einen unkonventionellen, dreckigen und das Publikum fordernden Genremix ab, dessen geheimnisvoll flirrendem Sog man sich nur schwer entziehen kann. Eine knallharte Abrechnung mit Griechenlands Gesellschaft, aus der Sicht zweier vielschichtiger und widerstandsfähiger Frauen erzählt.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Das Wunder im Meer von Sargasso"
Land: GriechenlandWeitere Titel: The Miracle of the Sargasso Sea
Jahr: 2019
Genre: Thriller, Drama
Originaltitel: To thávma tis thálassas ton Sargassón
Länge: 121 Minuten
Kinostart: 12.09.2019
Regie: Syllas Tzoumerkas
Darsteller: Aggeliki Papoulia als Elisabeth, Youla Boudali als Rita, Hristos Passalis, Argyris Xafis, Thanasis Dovris
Kamera: Petrus Sjövik
Verleih: Real Fiction
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