Es gilt das gesprochene Wort (2019)
Ungleiches Paar: deutsches Liebesdrama, in dem eine unabhängige Frau einem abhängigen Mann aus der Klemme hilft.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Während eines Urlaubs lernt Marion (Anne Ratte-Polle) den knapp halb so alten Baran (Oğulcan Arman Uslu) kennen. Die Pilotin will nach einer Krebsdiagnose ein paar Tage mit ihrem Geliebten Raphael (Godehard Giese) im türkischen Marmaris ausspannen, Baran hält sich in der Touristenhochburg als Kellner und Gigolo mehr schlecht als recht über Wasser. Als er Marion bittet, ihn mit nach Deutschland zu nehmen, sagt sie überraschend zu.
Zurück in Marions Heimat Hamburg heiraten sie einander. Marion mietet für Baran eine Wohnung und verschafft ihm über ihren Bekannten Mark (Jörg Schüttauf) einen Job in der Gepäckabfertigung des Flughafens. Um beruflich aufzusteigen, büffelt Baran Deutsch und für die Führerscheinprüfung. Unter der ständigen Bedrohung, dass ihre Scheinehe auffliegen könnte, nähert sich das ungleich Paar langsam an.
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Filmkritik
Derzeit hält das deutsche Kino viele Nachwuchshoffnungen bereit. Ilker Çatak ist eine davon. Schon als Student heimste der 1984 geborene Sohn türkischer Einwanderer für seine Kurzfilme eine Nominierung und eine Auszeichnung bei den Studenten-Oscars sowie zwei Auszeichnungen beim Filmfestivals Max Ophüls Preis ein. Sein Langfilmdebüt, die Jugendromanadaption "Es war einmal Indianerland" (2017), war ein erzählerisch und visuell verspieltes Experimentierfeld. Gerade arbeitet er an einer weiteren Literaturverfilmung, setzt Finn-Ole Heinrichs "Räuberhände" (2007) für die große Leinwand um. Dazwischen legt er eine Geschichte vor, die er seit seiner Jugend mit sich herumtrug und die ganz anders daherkommt als sein buntes und lautes Debüt.
Mit zwölf Jahren zog Çatak nach Istanbul um. Bis zu seinem 18. Lebensjahr verbrachte er seine Sommerferien in Marmaris, wo seine Großeltern eine kleine Pension am Mittelmeer betrieben. Dort wurde er Zeuge eines faszinierend-irritierenden Schauspiels: "Einerseits junge Männer aus Anatolien, die im Streben nach Wohlstand und Reichtum keine Moral kennen und alles in Kauf nehmen, um ihren Traum von Europa wahr werden zu lassen. Andererseits Frauen auf der Suche nach einer anderen Wirklichkeit – nach Sinnlichkeit und Liebe", erinnert sich Çatak.
Baran (Oğulcan Arman Uslu) und Marion (Anne Ratte-Polle) vollführen dieses Schauspiel wie einen schüchternen Tanz voller langsamer Annäherungen und unerwarteter Wendungen. Denn Çatak und sein Co-Autor, Schriftsteller Nils Mohl, von dem die Vorlage zu Çataks Erstling stammt, erzählen ihre Geschichte behutsam und mit Zuneigung für ihre Figuren. Trotz der von Kameramann Florian Mag präzise und kühl komponierten Einstellungen blickt Çatak voller Wärme auf seine Charaktere und bildet damit eine Art Antithese zu Ulrich Seidls klinisch-zynischem "Paradies: Liebe" (2012).
Wo "Es war einmal Indianerland" schnell und schrill war und seine formalen Mittel in den Vordergrund rückte, nimmt sich "Es gilt das gesprochene Wort" zurück. Die drei Kapitel "ich war", "du bist", "wir werden sein" verleihen der Handlung Struktur und spiegeln den Inhalt. Blau- und Grautöne dominieren. Selbst die Sonne über dem Mittelmeer in Marmaris strahlt nur gedämpft, stehen das Licht und die Farben doch auch immer für die Stimmungen der Protagonisten, die erfrischend klischeefrei gezeichnet sind.
Baran ist kein skrupelloser Gigolo, sondern ein nachdenklicher, verletzlicher junger Mann, der an seinen Lebensumständen zu zerbrechen droht. Marion ist keine verzweifelte, keine den schnellen Spaß oder Macht suchende Frau, sondern eine unabhängige und selbstbewusste; nach außen rational und unterkühlt, aber nicht kalt. Was sie verbindet, ist der Wunsch nach Veränderung und eine von Anne Ratte-Polle und Oğulcan Arman Uslu umwerfend glaubhaft gespielte Grundehrlichkeit. Beide, Marion mehr als Baran, bewahren sich zudem bis zuletzt einen Rest Unergründlichkeit, der viel vom Reiz ausmacht, ihnen auf ihrem Weg zuzusehen.
Dieser Weg ist voll kleiner, aufmerksam beobachteter und klug geschriebener Gesten, Worte und Metaphern. Barans sehnsüchtiger Blick auf ein Flugzeug fängt ein Schnitt in Marions Cockpit auf. Nach einem Besuch beim Augenarzt sieht er in mehrfacher Hinsicht klarer. Und Marion nennt er erst gehässig, später liebevoll "Captain". Wohin ihre Reise führt, bleibt über das Ende hinaus offen. Ein Liebesfilm wie ein Blindflug und garantiert keiner im Autopilot.
Fazit: Ilker Çataks zweiter abendfüllender Spielfilm ist ganz anders als sein Debüt "Es war einmal Indianerland", aber erneut großes Kino. Ein zurückhaltend inszeniertes und fabelhaft gespieltes Drama über eine eigentlich unmögliche Liebe, mit der Çatak, abermals beweist, das man auch in Zukunft mit ihm rechnen muss.
Mit zwölf Jahren zog Çatak nach Istanbul um. Bis zu seinem 18. Lebensjahr verbrachte er seine Sommerferien in Marmaris, wo seine Großeltern eine kleine Pension am Mittelmeer betrieben. Dort wurde er Zeuge eines faszinierend-irritierenden Schauspiels: "Einerseits junge Männer aus Anatolien, die im Streben nach Wohlstand und Reichtum keine Moral kennen und alles in Kauf nehmen, um ihren Traum von Europa wahr werden zu lassen. Andererseits Frauen auf der Suche nach einer anderen Wirklichkeit – nach Sinnlichkeit und Liebe", erinnert sich Çatak.
Baran (Oğulcan Arman Uslu) und Marion (Anne Ratte-Polle) vollführen dieses Schauspiel wie einen schüchternen Tanz voller langsamer Annäherungen und unerwarteter Wendungen. Denn Çatak und sein Co-Autor, Schriftsteller Nils Mohl, von dem die Vorlage zu Çataks Erstling stammt, erzählen ihre Geschichte behutsam und mit Zuneigung für ihre Figuren. Trotz der von Kameramann Florian Mag präzise und kühl komponierten Einstellungen blickt Çatak voller Wärme auf seine Charaktere und bildet damit eine Art Antithese zu Ulrich Seidls klinisch-zynischem "Paradies: Liebe" (2012).
Wo "Es war einmal Indianerland" schnell und schrill war und seine formalen Mittel in den Vordergrund rückte, nimmt sich "Es gilt das gesprochene Wort" zurück. Die drei Kapitel "ich war", "du bist", "wir werden sein" verleihen der Handlung Struktur und spiegeln den Inhalt. Blau- und Grautöne dominieren. Selbst die Sonne über dem Mittelmeer in Marmaris strahlt nur gedämpft, stehen das Licht und die Farben doch auch immer für die Stimmungen der Protagonisten, die erfrischend klischeefrei gezeichnet sind.
Baran ist kein skrupelloser Gigolo, sondern ein nachdenklicher, verletzlicher junger Mann, der an seinen Lebensumständen zu zerbrechen droht. Marion ist keine verzweifelte, keine den schnellen Spaß oder Macht suchende Frau, sondern eine unabhängige und selbstbewusste; nach außen rational und unterkühlt, aber nicht kalt. Was sie verbindet, ist der Wunsch nach Veränderung und eine von Anne Ratte-Polle und Oğulcan Arman Uslu umwerfend glaubhaft gespielte Grundehrlichkeit. Beide, Marion mehr als Baran, bewahren sich zudem bis zuletzt einen Rest Unergründlichkeit, der viel vom Reiz ausmacht, ihnen auf ihrem Weg zuzusehen.
Dieser Weg ist voll kleiner, aufmerksam beobachteter und klug geschriebener Gesten, Worte und Metaphern. Barans sehnsüchtiger Blick auf ein Flugzeug fängt ein Schnitt in Marions Cockpit auf. Nach einem Besuch beim Augenarzt sieht er in mehrfacher Hinsicht klarer. Und Marion nennt er erst gehässig, später liebevoll "Captain". Wohin ihre Reise führt, bleibt über das Ende hinaus offen. Ein Liebesfilm wie ein Blindflug und garantiert keiner im Autopilot.
Fazit: Ilker Çataks zweiter abendfüllender Spielfilm ist ganz anders als sein Debüt "Es war einmal Indianerland", aber erneut großes Kino. Ein zurückhaltend inszeniertes und fabelhaft gespieltes Drama über eine eigentlich unmögliche Liebe, mit der Çatak, abermals beweist, das man auch in Zukunft mit ihm rechnen muss.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Es gilt das gesprochene Wort"
Land: DeutschlandWeitere Titel: Bezness
Jahr: 2019
Genre: Drama, Romantik
Länge: 127 Minuten
Kinostart: 01.08.2019
Regie: Ilker Çatak
Darsteller: Anne Ratte-Polle als Marion, Godehard Giese als Raphael, Özgür Karadeniz als Ferdi, Canan Suvatlar als Thali, Katharina Behrens als Birte
Kamera: Florian Mag
Verleih: X Verleih
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Arte zeigt Premiere "Es gilt das gesprochene Wort"
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