Chris the Swiss (2018)
Familiäre Spurensuche: Mischung aus Dokumentar- und Animationsfilm, in der Regisseurin Anja Kofmel dem Schicksal ihres im Jugoslawienkrieg verstorbenen Cousins nachgeht.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Als der 27-jährige Schweizer Journalist Christian "Chris" Würtenberg im Januar 1992 in Kroatien stirbt, ist Anja Kofmel zehn Jahre jung. Ihr Cousin Chris, der unerschrocken mitten aus dem Jugoslawienkrieg berichtet hat, wird zu ihrem Vorbild. Doch schon damals trüben Unstimmigkeiten das Bild. Nur wenige Wochen vor seinem Tod war Chris der paramilitärischen Söldnertruppe PIV (First Platoon of International Volunteers) um seinen bolivianischen Journalistenkollegen Eduardo Ròsza Flores alias "Chico" beigetreten. Wollte Chris dem Morden nicht länger tatenlos zusehen oder recherchierte er verdeckt für eine Geschichte?
Um Licht ins Dunkel zu bringen, begibt sich Kofmel selbst auf Recherchereise. Mit Chris' Zeitungsartikeln, Notiz- und Tagebüchern im Gepäck fährt sie nach Kroatien. Sie trifft sich mit Chris' alten Weggefährten, Journalisten wie ehemaligen Söldnern. In Frankreich besucht sie den Terroristen Carlos im Gefängnis und zu Hause in der Schweiz befragt sie Chris' Eltern und seinen Bruder Michael.
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Filmkritik
Dokumentarische Spurensuchen, ob in der breiten Öffentlichkeit oder wie bei Anja Kofmel im engen Familienkreis, sind keine Seltenheit. Woran sie häufig scheitern, sind der untersuchte Gegenstand und die Leerstellen der Recherche. Mal ist der vorgestellte Sachverhalt oder die Person nicht spannend genug, um einen abendfüllenden Dokumentarfilm zu tragen, mal wird über die Lücken in den Lebensläufen allzu leichtfertig hinweggegangen.
Christian Würtenbergs kurzes Leben böte ausreichend Stoff für einen Thriller: vom Weltenbummler mit Militärausbildung zum Journalisten, schließlich zum Söldner oder gar zum inkognito agierenden Agenten? Und all das, um eine Beteiligung des erzkatholischen Opus Dei am Jugoslawienkrieg aufzudecken? Das klingt denn auch für Kofmel ein wenig zu sehr nach Verschwörungskrimi à la Dan Brown, weswegen sich die Regisseurin einer klugen Mischung aus objektiver und subjektiver Erzählform bedient.
Ihre sauber recherchierten Fakten und sachlich geführten Interviews gehen mit ihren eigenen Erinnerungen und den Tagebucheinträgen ihres Cousins Hand in Hand. Die beiden Letztgenannten hat Kofler als künstlerische Leiterin eines Animatorenteams in wunderschöne Schwarz-Weiß-Zeichnungen verwandelt. Die flüchtigen Striche sind auch immer ein Stück Spekulation und Imagination. Denn Würtenbergs Schicksal lässt sich nicht vollständig aufklären. "Den Rest muss ich mir vorstellen", sagt die Regisseurin an einer Stelle aus dem Off.
Die Übergänge zwischen Dokumentar- und Animationsfilm sind fließend. Chris' gestreifter Schal dient als Bindeglied und entführt das Publikum in eine traumgleiche Vergangenheitsbewältigung, die ihr Thema weder in den gefilmten noch in den gezeichneten Bildern beschönigt. Kritisch befragt Kofler ihren verstorbenen Cousin aus dem Off und stellt ihre eigene kindlich-naive Heldenverehrung infrage. Fotos seines Leichnams erteilen jedweder Kriegsromantik eine Absage. Beim Versuch, eine sehr persönliche Geschichte zu rekonstruieren, fördert Kofmel derweil noch ganz andere, allgemeingültige Strukturen zutage. "Chris the Swiss" ist nicht zuletzt ein Film über gelangweilte junge Männer, die ihren moralischen Kompass verloren haben.
Fazit: "Chris the Swiss" ist kritische Vergangenheitsbewältigung und kluge Reflexion. In ihrer Mischung aus Dokumentar- und Animationsfilm fördert Regisseurin Anja Kofmel anhand der sehr persönlichen Geschichte ihres Cousins bittere Wahrheiten über den Krieg zutage.
Christian Würtenbergs kurzes Leben böte ausreichend Stoff für einen Thriller: vom Weltenbummler mit Militärausbildung zum Journalisten, schließlich zum Söldner oder gar zum inkognito agierenden Agenten? Und all das, um eine Beteiligung des erzkatholischen Opus Dei am Jugoslawienkrieg aufzudecken? Das klingt denn auch für Kofmel ein wenig zu sehr nach Verschwörungskrimi à la Dan Brown, weswegen sich die Regisseurin einer klugen Mischung aus objektiver und subjektiver Erzählform bedient.
Ihre sauber recherchierten Fakten und sachlich geführten Interviews gehen mit ihren eigenen Erinnerungen und den Tagebucheinträgen ihres Cousins Hand in Hand. Die beiden Letztgenannten hat Kofler als künstlerische Leiterin eines Animatorenteams in wunderschöne Schwarz-Weiß-Zeichnungen verwandelt. Die flüchtigen Striche sind auch immer ein Stück Spekulation und Imagination. Denn Würtenbergs Schicksal lässt sich nicht vollständig aufklären. "Den Rest muss ich mir vorstellen", sagt die Regisseurin an einer Stelle aus dem Off.
Die Übergänge zwischen Dokumentar- und Animationsfilm sind fließend. Chris' gestreifter Schal dient als Bindeglied und entführt das Publikum in eine traumgleiche Vergangenheitsbewältigung, die ihr Thema weder in den gefilmten noch in den gezeichneten Bildern beschönigt. Kritisch befragt Kofler ihren verstorbenen Cousin aus dem Off und stellt ihre eigene kindlich-naive Heldenverehrung infrage. Fotos seines Leichnams erteilen jedweder Kriegsromantik eine Absage. Beim Versuch, eine sehr persönliche Geschichte zu rekonstruieren, fördert Kofmel derweil noch ganz andere, allgemeingültige Strukturen zutage. "Chris the Swiss" ist nicht zuletzt ein Film über gelangweilte junge Männer, die ihren moralischen Kompass verloren haben.
Fazit: "Chris the Swiss" ist kritische Vergangenheitsbewältigung und kluge Reflexion. In ihrer Mischung aus Dokumentar- und Animationsfilm fördert Regisseurin Anja Kofmel anhand der sehr persönlichen Geschichte ihres Cousins bittere Wahrheiten über den Krieg zutage.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Chris the Swiss"
Land: SchweizJahr: 2018
Genre: Dokumentation, Animation
Kinostart: 31.01.2019
Regie: Anja Kofmel
Darsteller: Megan Gay
Kamera: Guy Faessler
Verleih: Real Fiction
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