Heimat ist ein Ort aus Zeit (2018)
Heimat ist ein Raum aus Zeit
Dokumentarfilm über drei Generationen einer deutschen Familie.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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In diesem Film vertieft sich Thomas Heise anhand von Briefen und Tagebüchern in die Geschichte seiner Familie, beginnend mit dem Großvater Wilhelm Heise. Als 14-Jähriger schreibt der Schüler 1912 einen kritischen, nachdenklichen Aufsatz über den Krieg. Zehn Jahre später macht er der Wienerin Edith Hirschhorn den Hof, die seine Frau wird. Das Naziregime bringt mehreren Mitgliedern der jüdischen Familie Hirschhorn den Tod. Wilhelm wird wegen der "Mischehe" als Lehrer vorzeitig pensioniert. Die beiden Söhne Wolfgang und Hans Heise steckt die Gestapo 1944 ins Arbeitslager.
Nach dem Krieg zieht der Kommunist Wolfgang aus West- nach Ostberlin. Er wird Philosophieprofessor. Mit seiner Frau Rosemarie bekommt er zwei Söhne, Thomas und Andreas Heise. Wolfgang ist dem Regime in den 1960er Jahren nicht linientreu genug, die Ernennung zum Prorektor an der Humboldt-Universität wird ihm entzogen. Das Ehepaar ist mit Christa Wolf und Heiner Müller bekannt. Die Familie wird bespitzelt, die Söhne leisten in den 1970er Jahren ihren Dienst bei der NVA ab, schreiben nach Hause. 2014, am Schluss des Films, notiert Thomas Heise, dass die Mutter jetzt in einem Pflegeheim lebt.
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Filmkritik
Der Dokumentarfilm von Thomas Heise ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich, aber die Geschichte seiner Familie, die er darin wiederaufleben lässt, steht exemplarisch für viele deutsche Biografien und Schicksale. Was den Schwarz-Weiß-Film ungewöhnlich macht, ist die Zeit, die sich Thomas Heise nimmt, um aus Briefen und anderen Schriftstücken in Voice-Over vorzulesen. So lernt man den Großvater Wilhelm Heise kennen, die Eltern Wolfgang und Rosemarie Heise und viele andere, die ihren Hoffnungen und Nöten Ausdruck verleihen.
Der Film dauert gut dreieinhalb Stunden. Man sieht Fotografien der Familienmitglieder, außerdem Landschaften, Züge, Aufnahmen an verschiedenen Schauplätzen aus jüngerer Zeit. Die vorgelesenen Dokumente entfalten in dieser Ruhe einen starken Sog. Das Vertiefen in die Lebenswelten der Protagonisten fällt umso leichter, als sie gute Briefe- oder Tagebuchschreiber sind, feine und genaue Beobachtungen in Worte fassen.
Mit angemessener Ausführlichkeit widmet sich der Film der Zeit des Nationalsozialismus. Wilhelm und Edith Heise erhalten in Berlin zunehmend verzweifelte Briefe von Ediths jüdischen Angehörigen in Wien. Sie müssen in kleinere Wohnungen ziehen, dürfen keinen Tabak kaufen, sie haben keine Kohle zum Heizen, dürfen die öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr benutzen. Ediths Vater Max Hirschhorn geht nicht mehr viel aus, "kann mich an die linksseitige ‚Dekoration‘ nicht gewöhnen". Die Kamera fährt lange alphabetische Deportationslisten ab, auch die Namen der Briefeschreiber tauchen auf. Die bis zum Schluss von Hoffnung kündenden Briefe aus Wien stellen bewegende und bedeutsame Zeitdokumente dar. Auch aus der DDR-Epoche trägt Thomas Heise aussagekräftige Schriftstücke zusammen. Eines der vielsagendsten ist eine "Wohngebietsermittlung gegen Wolfgang Heise" von 1976, in der Stasi-Nachbarn beispielsweise notieren, dass das Licht in der Wohnung manchmal bis zum Morgen brennt.
Auch ein Tonbandgespräch von Wolfgang Heise mit Heiner Müller über Brecht und den Sozialismus erweist sich als wertvolles Dokument. Die vielen Briefe hingegen, die ein Verehrer in den 1950er Jahren an Thomas Heises Mutter schreibt, dehnen die Zeit ohne Grund. Die Wende und die 1990er Jahre werden dann erstaunlich knapp abgehandelt. Es lohnt sich, sich auf den Film einzulassen, weil es darin um menschlich erlebte Geschichte geht, die so auch für die heutigen Rezipienten erfahrbar wird.
Fazit: Der dreieinhalbstündige Dokumentarfilm von Thomas Heise besteht fast ausschließlich aus Briefen und Tagebucheinträgen verschiedener Generationen seiner Familie, die er aus dem Off vorliest. Zu sehen sind dazu Fotografien, sowie Landschafts- und Stadtimpressionen aus neuerer Zeit. Die Ruhe der filmischen Erzählung lässt die ausdrucksstarken Briefe und Notizen bewegend zur Geltung kommen. So entsteht ein streckenweise aufwühlendes und ergiebiges Stück erlebter Geschichte, das einen Bogen vom Nationalsozialismus über die DDR bis in die Gegenwart spannt.
Der Film dauert gut dreieinhalb Stunden. Man sieht Fotografien der Familienmitglieder, außerdem Landschaften, Züge, Aufnahmen an verschiedenen Schauplätzen aus jüngerer Zeit. Die vorgelesenen Dokumente entfalten in dieser Ruhe einen starken Sog. Das Vertiefen in die Lebenswelten der Protagonisten fällt umso leichter, als sie gute Briefe- oder Tagebuchschreiber sind, feine und genaue Beobachtungen in Worte fassen.
Mit angemessener Ausführlichkeit widmet sich der Film der Zeit des Nationalsozialismus. Wilhelm und Edith Heise erhalten in Berlin zunehmend verzweifelte Briefe von Ediths jüdischen Angehörigen in Wien. Sie müssen in kleinere Wohnungen ziehen, dürfen keinen Tabak kaufen, sie haben keine Kohle zum Heizen, dürfen die öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr benutzen. Ediths Vater Max Hirschhorn geht nicht mehr viel aus, "kann mich an die linksseitige ‚Dekoration‘ nicht gewöhnen". Die Kamera fährt lange alphabetische Deportationslisten ab, auch die Namen der Briefeschreiber tauchen auf. Die bis zum Schluss von Hoffnung kündenden Briefe aus Wien stellen bewegende und bedeutsame Zeitdokumente dar. Auch aus der DDR-Epoche trägt Thomas Heise aussagekräftige Schriftstücke zusammen. Eines der vielsagendsten ist eine "Wohngebietsermittlung gegen Wolfgang Heise" von 1976, in der Stasi-Nachbarn beispielsweise notieren, dass das Licht in der Wohnung manchmal bis zum Morgen brennt.
Auch ein Tonbandgespräch von Wolfgang Heise mit Heiner Müller über Brecht und den Sozialismus erweist sich als wertvolles Dokument. Die vielen Briefe hingegen, die ein Verehrer in den 1950er Jahren an Thomas Heises Mutter schreibt, dehnen die Zeit ohne Grund. Die Wende und die 1990er Jahre werden dann erstaunlich knapp abgehandelt. Es lohnt sich, sich auf den Film einzulassen, weil es darin um menschlich erlebte Geschichte geht, die so auch für die heutigen Rezipienten erfahrbar wird.
Fazit: Der dreieinhalbstündige Dokumentarfilm von Thomas Heise besteht fast ausschließlich aus Briefen und Tagebucheinträgen verschiedener Generationen seiner Familie, die er aus dem Off vorliest. Zu sehen sind dazu Fotografien, sowie Landschafts- und Stadtimpressionen aus neuerer Zeit. Die Ruhe der filmischen Erzählung lässt die ausdrucksstarken Briefe und Notizen bewegend zur Geltung kommen. So entsteht ein streckenweise aufwühlendes und ergiebiges Stück erlebter Geschichte, das einen Bogen vom Nationalsozialismus über die DDR bis in die Gegenwart spannt.
Bianka Piringer
TrailerAlle "Heimat ist ein Ort aus Zeit"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Heimat ist ein Ort aus Zeit"
Land: DeutschlandJahr: 2018
Genre: Dokumentation
Originaltitel: Heimat ist ein Raum aus Zeit
Länge: 218 Minuten
FSK: 6
Kinostart: 26.09.2019
Regie: Thomas Heise
Kamera: Stefan Neuberger
Verleih: Gmfilms