Überall wo wir sind (2018)
Everywhere we are
Feier des Lebens: Dokumentarfilm, der einen todkranken Mann beim Sterben und dessen Familie und Freunde bei der Trauerarbeit begleitet.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 32 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Eigentlich sollte Heiko, ein Tanzlehrer aus Berlin, längst Tod sein. Nach seiner Krebsdiagnose gingen die Ärzte von einer Lebenserwartung von einem Jahr mit einer fünfprozentigen Chance auf fünf Jahre aus. Mittlerweile ist der lebensfrohe 29-Jährige seit sieben Jahren in Behandlung. Selbst eine Unterschenkelamputation hält ihn nicht vom Tanzen, Skifahren oder Reisen ab. Doch dann gelangt er an einem Punkt an, an dem keine Therapie mehr weiterhilft. Zum Sterben kehrt er in sein Elternhaus zurück. Familie und Freunde schauen täglich vorbei. Regisseurin Veronika Kaserer hat Heiko dabei begleitet.
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Filmkritik
Als Veronika Kaserer 25 Jahre alt war, starb ihre Mutter an Krebs. Die Themen Tod und Trauer fanden danach Eingang in ihr Schaffen, mündeten in den Kurzdokumentarfilm "Für die, die bleiben" (2009). Als sie über eine Berliner Ärztin im Herbst 2017 vom Schicksal des 29-jährigen Tanzlehrers Heiko erfuhr, zögerte sie nicht lang. Um Heiko, dessen Familie und Freunde beim Abschiednehmen zu begleiten, legte die Regisseurin ohne die finanzielle Unterstützung einer Filmförderung oder einer Produktionsfirma los.
Diese Unmittelbarkeit und Intimität sind in jeder Sekunde zu spüren. Kaserer war stets nur zu zweit, meist ganz allein vor Ort. Wie die sprichwörtliche Fliege an der Wand beobachtet sie still das Geschehen. Die Menschen um sie herum agieren, als ob die Kamera gar nicht da wäre. Dieses unausgesprochene Vertrauensverhältnis führt zu unglaublich wahrhaftigen Momenten, zu ungefilterter Freude, Trauer und Verzweiflung. Einzig der sterbende Heiko wirkt zurückhaltend, stets so, als wolle er nicht alles mit seinem Umfeld und der Kamera teilen. Das Nachdenken über, das Aufbäumen gegen den Tod ist ihm anzusehen. Dabei wahrt Kaserer stets den nötigen Abstand und Anstand. Ihr Objektiv fängt nicht alles ein, was es einfangen könnte, schwenkt an den entscheidenden Stellen pietätvoll auf ein offenes Fenster.
"Überall wo wir sind" zeigt den schwierigen Umgang mit Tod und Trauer. Wie viel schwerer er anderen, weniger positiv gestimmten und charakterlich gefestigten Menschen wie denen im Film fallen mag, lässt sich nur erahnen. Doch auch der bis zuletzt kämpfende Heiko, der stets positiv aufgelegte Vater, die durch die eigene Nahtoderfahrung besonnene Mutter und die geschäftige Schwester geraten an ihre Grenzen. Immer ein volles Haus und Menschen um sich herum zu haben, die einen auf dem letzten Weg begleiten, kann auch anstrengend sein. Diese Kehrseite blendet Kaserer nicht aus.
Die Filmemacherin hat sich für ein Ineinandergreifen des Vor und Danach entschieden. Statt ihre Doku klar in zwei Teile zu trennen, sind die Übergänge von der Zeit vor und nach Heikos Tod fließend. Von Kaserer Gefilmtes mischt sich mit Aufnahmen aus dem Familienarchiv, die Heiko selbst lange nach seiner Diagnose voller Vitalität zeigen. Kathrin Dietzels Montage eröffnet Assoziationsräume voll emotionaler Intensität und Sensibilität. Darüber hinaus ist "Überall wo wir sind" von hohem praktischen Wert. Wie Angehörige mit ihrer Trauer umgehen, bleibt letztlich ihnen selbst überlassen. Das begleitete Sterben so aktiv und lebenslustig anzugehen wie Heiko und seine Familie, ist freilich einem jeden zu wünschen. Am Ende dieses Films steht ein Tänzchen, wie es sich der Tanzlehrer wohl nicht besser hätte erträumen lassen: eine Feier des Lebens, so kurz es manchmal auch sein mag.
Fazit: Veronika Kaserers "Überall wo wir sind" ist ein stiller, intensiver, anregender, vor allem aber ein würdevoller Film über Tod und Trauer. Er führt nicht nur vor Augen, wie schwer der Umgang damit selbst zutiefst positiv denkenden Menschen fällt, sondern zeigt ein aktives, unerschrockenes Anpacken eines nicht selten bis heute tabuisierten Themas auf. Ein bewegender Dokumentarfilm über das Sterben, der das Leben feiert.
Diese Unmittelbarkeit und Intimität sind in jeder Sekunde zu spüren. Kaserer war stets nur zu zweit, meist ganz allein vor Ort. Wie die sprichwörtliche Fliege an der Wand beobachtet sie still das Geschehen. Die Menschen um sie herum agieren, als ob die Kamera gar nicht da wäre. Dieses unausgesprochene Vertrauensverhältnis führt zu unglaublich wahrhaftigen Momenten, zu ungefilterter Freude, Trauer und Verzweiflung. Einzig der sterbende Heiko wirkt zurückhaltend, stets so, als wolle er nicht alles mit seinem Umfeld und der Kamera teilen. Das Nachdenken über, das Aufbäumen gegen den Tod ist ihm anzusehen. Dabei wahrt Kaserer stets den nötigen Abstand und Anstand. Ihr Objektiv fängt nicht alles ein, was es einfangen könnte, schwenkt an den entscheidenden Stellen pietätvoll auf ein offenes Fenster.
"Überall wo wir sind" zeigt den schwierigen Umgang mit Tod und Trauer. Wie viel schwerer er anderen, weniger positiv gestimmten und charakterlich gefestigten Menschen wie denen im Film fallen mag, lässt sich nur erahnen. Doch auch der bis zuletzt kämpfende Heiko, der stets positiv aufgelegte Vater, die durch die eigene Nahtoderfahrung besonnene Mutter und die geschäftige Schwester geraten an ihre Grenzen. Immer ein volles Haus und Menschen um sich herum zu haben, die einen auf dem letzten Weg begleiten, kann auch anstrengend sein. Diese Kehrseite blendet Kaserer nicht aus.
Die Filmemacherin hat sich für ein Ineinandergreifen des Vor und Danach entschieden. Statt ihre Doku klar in zwei Teile zu trennen, sind die Übergänge von der Zeit vor und nach Heikos Tod fließend. Von Kaserer Gefilmtes mischt sich mit Aufnahmen aus dem Familienarchiv, die Heiko selbst lange nach seiner Diagnose voller Vitalität zeigen. Kathrin Dietzels Montage eröffnet Assoziationsräume voll emotionaler Intensität und Sensibilität. Darüber hinaus ist "Überall wo wir sind" von hohem praktischen Wert. Wie Angehörige mit ihrer Trauer umgehen, bleibt letztlich ihnen selbst überlassen. Das begleitete Sterben so aktiv und lebenslustig anzugehen wie Heiko und seine Familie, ist freilich einem jeden zu wünschen. Am Ende dieses Films steht ein Tänzchen, wie es sich der Tanzlehrer wohl nicht besser hätte erträumen lassen: eine Feier des Lebens, so kurz es manchmal auch sein mag.
Fazit: Veronika Kaserers "Überall wo wir sind" ist ein stiller, intensiver, anregender, vor allem aber ein würdevoller Film über Tod und Trauer. Er führt nicht nur vor Augen, wie schwer der Umgang damit selbst zutiefst positiv denkenden Menschen fällt, sondern zeigt ein aktives, unerschrockenes Anpacken eines nicht selten bis heute tabuisierten Themas auf. Ein bewegender Dokumentarfilm über das Sterben, der das Leben feiert.
Falk Straub
Besetzung & Crew von "Überall wo wir sind"
Land: DeutschlandJahr: 2018
Genre: Dokumentation
Originaltitel: Everywhere we are
Länge: 92 Minuten
FSK: 6
Kinostart: 11.10.2018
Regie: Veronika Kaserer
Kamera: Veronika Kaserer, Jakob Stark, Jan Zabeil