FBW-Bewertung: Der Fall Collini (2018)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: ?Schuld und Sühne? oder ?Rache, Recht und Gerechtigkeit?. Das sind die Motive, in die DER FALL COLLINI einführt. Regisseur Marco Kreuzpaintner hat den Bestseller Ferdinand von Schirachs verfilmt. Er erzählt die Geschichte des jungen Anwalts Caspar Leinen, der zum Pflichtverteidiger des Italieners Fabrizio Collini bestellt wird. Collini soll den Industriellen Hans Meyer erschossen haben. Der Täter schweigt beharrlich und alles sieht nach vorsätzlichem Mord aus, doch dann kommen Leinen Zweifel.Obwohl das Thema wirklich nicht neu ist, ließ sich die Jury von Anfang an durch Kreuzpaintners Drama fesseln. DER FALL COLLINI ist wesentlich mehr als ein gut inszenierter Gerichtsthriller, DER FALL COLLINI ist die spannende Suche nach einem Mordmotiv, die Verteidiger Leinen weit in die deutsche Geschichte zurückführt. Wie ein gewaltiges Puzzle fügt er Steinchen für Steinchen eines Mosaiks zusammen, das ihn schließlich auch zu einem nachkriegsdeutschen Justizskandal führt.
Die Jury zeigte sich beeindruckt von der pointierten und bis in die Einzelheiten genauen Erzählung mit der DER FALL COLLINI die Suche nach einem Motiv für die Tötung schildert. Der Film ist gut austariert und vermag mit extremer Klarheit eine an sich komplizierte Thematik vermitteln. Trotz Einführung diverser Nebenschauplätze und Handlungen reißt der Spannungsfaden niemals ab. Das ist zum einen natürlich der literarischen Vorlage geschuldet. Immerhin hält sich DER FALL COLLINI in vielen Details erstaunlich genau an die Buchvorlage von Schirachs. Zum anderen aber zeigte sich die Jury auch durch die Dramaturgie des Drehbuchs gefesselt. Anders als so manche deutsche Kinoproduktion wirkt DER FALL COLLINI von Anfang bis Ende tatsächlich wie ein echter Kinofilm. Kamera und Schnitt haben großartige Arbeit geleistet. In der Diskussion hat die Jury daher den Realismus und die Frische der Inszenierung hervorgehoben, die sich auch international sehen lassen können.
Als herausragend hat die Jury auch Cast und Schauspielführung empfunden: Alexandra Maria Lara, aber auch Franco Nero, Heiner Lauterbach und Manfred Zapatka sind für Nebenrollen eine großartige Besetzung. Die eigentliche Überraschung war für die Jury allerdings Elyas M'Barek als Protagonist Caspar Leinen, der zeigt, dass er auch das ernste Sujet bedienen kann.
Ambivalenter hat die Jury dagegen die Exekutionsszenen in der italienischen Kleinstadt aufgenommen. In der Diskussion wurdeüberlegt, ob hier evtl. vorhandene zeitgenössische Aufnahmen für ein angemessenes Mehr an Niveau und Distanz gesorgt hätten oder ob es genau dieser Spielsequenz bedurfte, um dramaturgisch schlüssig fortfahren zu können. Letztlich wirft der Film immerhin die Frage auf, ob Fabrizio Collinis TatVergeltung, Recht oder Gerechtigkeit war. Die Justiz, so viel steht von vornherein fest, urteilt diesbezüglich ganz klar. Vielleicht aber erkennt der Zuschauer Nuancen, die das Recht nicht kennt. DER FALL COLLINI gibt definitiv wichtige Ansätze zum Nachdenken über Recht und Gesetzgebung im Nachkriegsdeutschland.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)