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FBW-Bewertung: Berlin Alexanderplatz (2019)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Burhan Qurbani traut sich hier etwas. In BERLIN ALEXANDERPLATZ verpflanzt er Alfred Döblins monumentalen Roman aus dem Jahr 1929 in die heutige Zeit. Aus Franz Biberkopf wird der Afrikaner Francis B., der einer der vielen Migranten ist, die illegal nach Deutschland kommen und ohne Papiere jede Arbeit annehmen müssen. Durch die Freundschaft mit dem Drogenhändler Reinhold macht Francis Karriere in der Berliner Unterwelt, doch dessen Todessehnsucht lässt auch ihn tief fallen. Qurbani inszeniert auf einer Ebene so zeitgenössisch, packend und spannend wie bei einem Genrefilm, erinnert aber auch immer wieder an die Vorlage, indem er etwa literarische Stilmittel verwendet wie die Einteilung in Kapitel, Pro- und Epilog sowie Originalzitate aus dem Buch, die die Erzählstimme von Mietze, der Freundin von Francis, wie einen inneren Monolog spricht. Sein Film überzeugt durch seine vitale und originelle Inszenierung. Mit einem sozialrealistischen Blick werden die verschiedenenMilieus, in denen Francis sich bewegt, authentisch präsentiert, und dabei muss auch die Auswahl der Berliner Originaldrehorte gelobt werden. In dieser Welt der Flüchtlingsheime, der illegalen Arbeit auf Baustellen, des Drogenverkaufs im Volkspark Hasenheide, von Prostitution und Raubüberfällenentfaltet Qurbani in drei Stunden, die erstaunlich kurz wirken, eine fesselnde Geschichte. In dieser schwört Francis zum Beginn des Films, ein guter Mensch zu werden, und wird doch immer tiefer in die Machenschaften seines vermeintlichen Freundes Reinhold hineingezogen. Francis ist dabei ein stoischer Held, und Welket Bungué spielt ihn mit einer sehr körperlichen, intensiven Präsenz. Sein Antagonist Reinhard ist in allem, sowohl körperlich wie auch geistig, das denkbar größte Gegenteil von ihm, und Albrecht Schuch spielt ihn dann auch in einer inspirierten Darstellung als einen verwachsenen Menschen mit sanfter und doch bedrohlicher Stimme ? und somit auch als einen grotesken, psychopathologischen Zerstörer. Auch mit Jella Haase in der Rolle der Mieze und Joachim Król als alterndem Gangsterboss zeigt Qurbani, dass er eine gute Hand für die Besetzung hat. Der Film überzeugt durch die souveräne Verwendung der vielen verschiedenen stilistischen Mittel (so beginnt er etwa buchstäblich auf dem Kopf stehend) und seinen langen epischen Atem. Qurbani hat sich Döblins Stoff kühn zu eigen gemacht, und ist gerade deshalb dem Geist des Romans treu geblieben.



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