oder

FBW-Bewertung: Asphaltgorillas (2018)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Mit KNALLHART hatte Detlev Buck, der bereits als Komödienregisseur etabliert war, vor einigen Jahren eine überraschend intensive Auseinandersetzung mit Jugendgewalt und Verbrechen inszeniert, an die er mit dem neuen Gangsterfilm ASPHALTGORILLAS anknüpft: allerdings mit einem grotesken Dreh. Sein temporeicher Thriller mutet an, als hätte er FatihAkins Filme KURZ UND SCHMERZLOS und SOUL KITCHEN auf Speed gekreuzt.
Alles beginnt mit Atris (Samuel Schneider), der als Drogendealer in Berlin-Kreuzberg arbeitet. Der junge Mann ist es leid, immer nur der Handlanger seines Bosses El Keitar (Kida Khodr Ramadan) zu sein. Als er eines Tages auf der Flucht vor der Polizei zufällig auf Frank (Jannis Niewöhner) trifft, einen Freund aus Kindheitstagen, der ihn mit seinem dicken Lamborghini fast über den Haufen fährt, wittert Atris die Chance, seinem tristen Alltag zu entkommen. Die beiden planen einen Falschgeld-Coup, der bald schief läuft. Atris hat jedoch keine andere Wahl als im Plan zu bleiben, zumal er bereits die Herumtreiberin Marie (Ella Rumpf) involviert und in die er sich spontan verliebt hat. Als alles aus dem Ruder läuft, häufen sich die Leichen: tierische und menschliche. Doch Atris ist im Herzen ein Romantiker, was ihm extrem dabei hilft, zu überleben.
Detlev Bucks Gangsterfilm ASPHALTGORILLAS ist bei aller Gewaltäußerst witzig und unterhaltsam, der Film ist das Ergebnis einer souveränen Inszenierung, die Milieuzeichnung, Lokalkolorit und bizarre Charaktere gleichermaßen im Griff hat. Die Protagonistinnen und Protagonisten haben vom ersten Moment an Tiefe und Komplexität, wobei einige Nebenfiguren Momente der Nähe und des Innehaltens zugestanden bekommen (etwa Marie oder der musiklöse Leibwächter, der bis in den tragischen Tod treu bleibt), während andere eher stereotyp preisgeben werden (der russische und der chinesische Gangsterboss). Die arabischen Familienmodelle werden im Gangstermilieu gespiegelt und dabei zugleich dekonstruiert: fast beiläufig erleben wir die arrangierten Ehen, die Ablehnung des kulturell als fremd Definierten, und die exponierte Frauenverachtung.
Der vignettenhaft mäandernde Erzählfluss kommt dem Film zugute. Auf diese Weise kennzeichnet Buck den Stadtteil Kreuzberg als weiteren Protagonisten, dem der Film spannende neue und kinotaugliche Perspektiven abtrotzt. Stilistische Divergenz wird zum Prinzip erhoben, das deutlich durch Hiphop-Ästhetik geschult ist.
Die beiden Protagonisten erscheinen als eigentlich schwache Kleinganoven, die nicht aus ihrem Milieu herausfinden, und doch die Eskalation fast unbeschadetüberstehen. Die Darsteller hier sind bis in die kleinsten Rollen hinein hervorragend besetzt. Ungewöhnlicher ist Bucks Umgang mit teilweise extremer Gewalt, die zwar hochgradig ästhetisiert ist, aber nie konsequenzlos bleibt. Verbrechen wird als ein schwer durchschaubares Netzwerk geschildert, aus dem eine eigene Parallelgesellschaft entsteht, die immer neue Hierarchien und Gewalt hervorbringt.
Das synkretistische Sounddesign mit unterschiedlichsten Elementen und Einflüssen ist sehr schlüssig und der visuellen Wucht gewachsen. Die Jury würdigt den Film als formalästhetische erstaunliche Leistung, die den deutschen Genrefilm auf hohem Niveau belebt und verleiht ihm das Prädikat ?besonders wertvoll?.



Spielfilm.de-Mitglied werden oder einloggen.