Reise nach Jerusalem (2018)
Leben in der Warteschleife: tragikomisches deutsches Drama über eine Berlinerin auf Arbeitssuche.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Alice (Eva Löbau) ist topausgebildet und hat trotzdem keinen Job. Gegenüber ihren Freunden wahrt die 39-Jährige den Schein, behauptet als Selbstständige mehrere Auftraggeber zu haben. In Wahrheit bezieht sie Stütze, steht jeden Morgen um sieben Uhr auf, um sich in den nächsten Bewerbungsmarathon zu stürzen und Absage um Absage zu kassieren. Nebenbei verdient sie sich durch absurde Jobs in der Marktforschung etwas dazu. Dort wird sie jedoch nicht bar, sondern mit den getesteten Produkten und Benzingutscheinen entlohnt. Alice hat allerdings kein Auto, und niemand will ihr die Gutscheine abkaufen.
Irgendwann hat Alice die Nase voll. Vom Seminarleiter gegängelt bricht sie die Maßnahme des Arbeitsamts ab. Und so langsam geht ihr das Geld aus. Ihre Eltern (Veronika Nowag-Jones, Axel Werner), die nichts von der Kürzung ihrer Bezüge wissen, will sie nicht um Hilfe bitten. Also verkauft sie Möbel und Gerätschaften, stellt die Heizung ab, schiebt die nächste Miete auf und vermietet ihre Wohnung an Touristen unter. Auch beruflich wird Alice kreativ. Ein paar erfundene Punkte in ihrem Lebenslauf bringen ihr schließlich einen Termin für ein Vorstellungsgespräch ein. Der Zusammen-, Aus- und Aufbruch bleibt dennoch unausweichlich.
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Filmkritik
Die 39-jährige Alice (Eva Löbau) braucht dringend eine Veränderung, verharrt aber im alten Trott. Jedes Mal, wenn sie etwas Neues wagen könnte, macht sie einen Rückzieher. Selbst beim Friseur lässt sie sich nach kurzem Zögern doch nur die Spitzen schneiden. Alles wie immer. Ihr Leben ist eins in der Warteschleife, ihre Jobsuche eine Reise nach Jerusalem. Wie im titelgebenden Kinderspiel kommt Alice stets einen Schritt zu spät. Überall wo sich eine berufliche Gelegenheit auftut, nimmt ein anderer vor ihr Platz.
Mit präzisem Blick und Augenzwinkern zeigt Regisseurin Lucia Chiarla eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder immer weniger nach deren Charakter und Verhalten und immer mehr nach deren Beruf bewertet. Wer Arbeit hat, zählt in dieser Welt zu den Gewinnern, wer arbeitslos ist, ist selbst schuld. Es ist eine Welt, in der Unternehmen für Telekommunikation mit ihren Kunden nur noch über Computeransagen kommunizieren, in der Bewerbungsgespräche via Skype an der Internetverbindung scheitern und in der man selbst beim Friseur eine Nummer ziehen muss. Technisch, kalt, unpersönlich.
Chiarla, die bislang als Schauspielerin und Drehbuchautorin ("Bye Bye Berlusconi!", u. a.) tätig war, gibt mit "Reise nach Jerusalem" ihr Langfilmdebüt als Regisseurin. Ohne Produktionsförderung oder Beteiligung eines Fernsehsenders umgesetzt kommt das Drama ohne große Schauwerte daher. Ab und an streut Kameramann Ralf Noack ein paar Weitwinkelaufnahmen in seine nüchterne Bildgestaltung, die den tristen Alltag der Hauptfigur treffend in Szene setzt. Denn für Alice gerät jeder Kinobesuch mit Freunden, jedes Bier in der Kneipe zu einem finanziellen Kraftakt.
Chiarla hat ihr Drehbuch ganz um ihre Hauptfigur gebaut; begeht nicht den Fehler, Alice eine Romanze mit dem Nachbarn Luca (Beniamino Brogi) anzudichten, wie das wohl Hollywood getan hätte. Auch in der Interaktion der beiden bleibt "Reise nach Jerusalem" erfrischend realistisch, originell und amüsant. Eva Löbau brilliert in einer Geschichte, die die Sorgen und Nöte einer Arbeitsuchenden mit visuellen Wiederholungen (die Uhrzeit auf dem Wecker, ein kaputter Schreibtischstuhl, das Kleingeld im Supermarkt) auf den Punkt bringt, am Ende aber ein wenig zu lang geraten ist. Löbau lässt die Unsicherheit ihrer Figur unter all der vorgegaukelten Entschlossenheit stets durchschimmern. Ganz am Schluss ist sie für einen Abend die Königin.
Fazit: Lucia Chiarlas "Reise nach Jerusalem ist ein präziser, augenzwinkernder Blick auf unsere Arbeitswelt. Eva Löbau brilliert in einem tragikomischen Drama, das weniger durch seine Optik als durch absurd-amüsante Zuspitzungen und Wendungen überzeugt.
Mit präzisem Blick und Augenzwinkern zeigt Regisseurin Lucia Chiarla eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder immer weniger nach deren Charakter und Verhalten und immer mehr nach deren Beruf bewertet. Wer Arbeit hat, zählt in dieser Welt zu den Gewinnern, wer arbeitslos ist, ist selbst schuld. Es ist eine Welt, in der Unternehmen für Telekommunikation mit ihren Kunden nur noch über Computeransagen kommunizieren, in der Bewerbungsgespräche via Skype an der Internetverbindung scheitern und in der man selbst beim Friseur eine Nummer ziehen muss. Technisch, kalt, unpersönlich.
Chiarla, die bislang als Schauspielerin und Drehbuchautorin ("Bye Bye Berlusconi!", u. a.) tätig war, gibt mit "Reise nach Jerusalem" ihr Langfilmdebüt als Regisseurin. Ohne Produktionsförderung oder Beteiligung eines Fernsehsenders umgesetzt kommt das Drama ohne große Schauwerte daher. Ab und an streut Kameramann Ralf Noack ein paar Weitwinkelaufnahmen in seine nüchterne Bildgestaltung, die den tristen Alltag der Hauptfigur treffend in Szene setzt. Denn für Alice gerät jeder Kinobesuch mit Freunden, jedes Bier in der Kneipe zu einem finanziellen Kraftakt.
Chiarla hat ihr Drehbuch ganz um ihre Hauptfigur gebaut; begeht nicht den Fehler, Alice eine Romanze mit dem Nachbarn Luca (Beniamino Brogi) anzudichten, wie das wohl Hollywood getan hätte. Auch in der Interaktion der beiden bleibt "Reise nach Jerusalem" erfrischend realistisch, originell und amüsant. Eva Löbau brilliert in einer Geschichte, die die Sorgen und Nöte einer Arbeitsuchenden mit visuellen Wiederholungen (die Uhrzeit auf dem Wecker, ein kaputter Schreibtischstuhl, das Kleingeld im Supermarkt) auf den Punkt bringt, am Ende aber ein wenig zu lang geraten ist. Löbau lässt die Unsicherheit ihrer Figur unter all der vorgegaukelten Entschlossenheit stets durchschimmern. Ganz am Schluss ist sie für einen Abend die Königin.
Fazit: Lucia Chiarlas "Reise nach Jerusalem ist ein präziser, augenzwinkernder Blick auf unsere Arbeitswelt. Eva Löbau brilliert in einem tragikomischen Drama, das weniger durch seine Optik als durch absurd-amüsante Zuspitzungen und Wendungen überzeugt.
Falk Straub
FBW-Bewertung zu "Reise nach Jerusalem"Jurybegründung anzeigen
REISE NACH JERUSALEM bezieht sich auf ein Spiel, bei dem die Mitspieler zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein müssen, um einen rettenden Stuhl zu besetzen. Es ist eine Mischung aus Glücksspiel und Geschicklichkeit, die auch im urbanen Leben von [...mehr]TrailerAlle "Reise nach Jerusalem"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Reise nach Jerusalem"
Land: DeutschlandJahr: 2018
Genre: Drama
Länge: 118 Minuten
Kinostart: 15.11.2018
Regie: Lucia Chiarla
Darsteller: Eva Löbau als Alice, Beniamino Brogi, Veronika Nowag-Jones, Axel Werner, Antonio Wannek
Kamera: Ralf Noack
Verleih: Filmperlen