Directions - Geschichten einer Nacht (2017)
Posoki
"Night on Earth" trifft "Taxi Teheran": bulgarisches Episodendrama zur Lage der Nation.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Wie viele in Bulgariens Hauptstadt Sofia verdient sich auch der kleine Geschäftsmann Misho (Vassil Vassilev) als Taxifahrer etwas zum mickrigen Verdienst dazu. Als er in einer Verzweiflungstat erst seinen korrupten Bankberater Popov (Georgi Kadurin), anschließend sich selbst erschießt, löst er eine hitzige Debatte in einer nächtlichen Radiotalkshow aus. Während Anrufer mit dem Moderator (Dragomir Simeonov) und einem Sozialanthropologen (Haralan Alexandrov) über Für und Wider des Verbrechens diskutieren, bahnen sich fünf Taxifahrer ihre Wege durch Sofia.
Rada (Irini Jambonas) chauffiert erst einen Herzchirurgen zu seiner letzten Operation, bevor er sein berufliches Glück in Hamburg sucht, und trifft dann auf einen alten Kommilitonen, der ihre Ausreise nach Italien einst zunichtemachte. Joro (Assen Blatechki), im Hauptberuf Sportlehrer, holt sich erst einen Korb und rettet dann ein Menschenleben. Mitko (Gerasim Georgiev ) setzt sein eigenes Leben bei einem Streit mit einem Kunden aufs Spiel. Kosta (Vasil Banov) kommt mit dem Tod seines Sohnes nicht klar und findet erst in einem ausgesetzten Hund Trost. Andrei (Dobrin Dosev ), tagsüber Priester, fährt den arbeitslosen Bäcker Manol (Stefan Denolyubov) zu seiner Herztransplantation und diskutiert über Gott und die Welt.
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Filmkritik
Stephan Komandarevs Spielfilme erzählen vom Unterwegssein, von Grenzen, moralischen wie geografischen, die es zu wahren oder zu überwinden gilt, vor allem aber erzählen sie von den Träumen und Nöten seiner Landsleute. "Directions" begibt sich nun Mitten hinein ins Herz Bulgariens, in die Hauptstadt Sofia. Wie es der deutsche Untertitel bereits verrät, begleitet der 1966 geborene Regisseur seine Figuren nach einem furiosen, viertelstündigen Auftakt bei helllichtem Tage durch die anschließende Nacht. Deren Geschichten und Vermittlung sind nicht minder rasend und leidenschaftlich.
Komandarevs Streiffahrt ist eine dunkle Bestandsaufnahme eines Landes, das ein Herzchirurg als "Leiche", die man nicht wiederbeleben könne, und ein arbeitsloser Bäcker als "von Gott verlassen" bezeichnet. Der Allmächtige habe Bulgarien gemeinsam mit dem Drittel der Bevölkerung den Rücken gekehrt, das seine Heimat nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bereits gen Westen verlassen habe. Der Herzchirurg wird es den Glücksrittern gleichtun. Komandarev begleitet diejenigen, die keine Chance dazu haben und langsam an ihren Alltagssorgen verzweifeln. Es geht um Leben und Tod.
Der Ort ihrer Zusammenkunft ist das Taxi, eines der wenigen Soziotope, an dem alle gleich sind. Hier treffen Sportlehrer auf Selbstmörder und Priester auf Atheisten. Ein wenig erinnert das an Jim Jarmuschs "Night on Earth" (1991) oder Jafar Panahis "Taxi Teheran" (2015), ist aber weit weniger lebensbejahend als beide. Die Wege der vier Fahrer und der einen Fahrerin kreuzen sich in dieser schicksalsträchtigen Nacht. Was allesamt verbindet, ist eine Talkshow im Radio, die Komandarev und seinem Koautor Simeon Ventsislavov als loser erzählerischer roter Faden, vor allem aber als akustische gesellschaftliche Fieberkurve dient.
Komandarev und Ventsislavov haben all diese kleinen Miniaturen, von denen nicht alle gleich gut funktionieren, klug geschrieben und miteinander verwoben. Das Ensemble meistert die kurzen, nur wenig bis zum Teil gar nicht geschnittenen Szenen mit Bravour, während der Blick nach draußen im Vorbeifahren ganz andere Geschichten, die von aus dem Boden schießenden Spielcasinos, von Müll durchwühlenden Alten und sich prostituierenden Jungen erzählt.
Abseits dieser berührenden Einzelschicksale, die viel über den Zustand der Gesamtgesellschaft sagen, beeindruckt Komandarevs souveräne Inszenierung. Die Gespräche in den Taxis sind perfekt auf die Umgebung abgestimmt. Vesselin Hristovs Kamera ist stets am Puls des Geschehens, gleitet mühelos und fast unbemerkt in und aus den Autos und fängt einen Selbstmordversuch geradezu schwindelerregend ein. Überhaupt diese Szene! Ein Lebensmüder auf einer Brücke, im Hintergrund die Lichter eines Filmpalasts. Hier bittere Alltagstristesse, dort süße Weltflucht. All das kann Kino in einer einzigen Einstellung sein.
Fazit: In seinem Episodenfilm "Directions" folgt Stephan Komandarev fünf Taxifahrern durch die Nacht. Die klug geschriebenen, eindrucksvoll gespielten und intensiv inszenierten kleinen Dramen sind Ausschnitte eines bulgarischen Alltags, die sich zu einem düsteren Gesamtbild zusammenfügen. Ein packendes Stück Kino.
Komandarevs Streiffahrt ist eine dunkle Bestandsaufnahme eines Landes, das ein Herzchirurg als "Leiche", die man nicht wiederbeleben könne, und ein arbeitsloser Bäcker als "von Gott verlassen" bezeichnet. Der Allmächtige habe Bulgarien gemeinsam mit dem Drittel der Bevölkerung den Rücken gekehrt, das seine Heimat nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bereits gen Westen verlassen habe. Der Herzchirurg wird es den Glücksrittern gleichtun. Komandarev begleitet diejenigen, die keine Chance dazu haben und langsam an ihren Alltagssorgen verzweifeln. Es geht um Leben und Tod.
Der Ort ihrer Zusammenkunft ist das Taxi, eines der wenigen Soziotope, an dem alle gleich sind. Hier treffen Sportlehrer auf Selbstmörder und Priester auf Atheisten. Ein wenig erinnert das an Jim Jarmuschs "Night on Earth" (1991) oder Jafar Panahis "Taxi Teheran" (2015), ist aber weit weniger lebensbejahend als beide. Die Wege der vier Fahrer und der einen Fahrerin kreuzen sich in dieser schicksalsträchtigen Nacht. Was allesamt verbindet, ist eine Talkshow im Radio, die Komandarev und seinem Koautor Simeon Ventsislavov als loser erzählerischer roter Faden, vor allem aber als akustische gesellschaftliche Fieberkurve dient.
Komandarev und Ventsislavov haben all diese kleinen Miniaturen, von denen nicht alle gleich gut funktionieren, klug geschrieben und miteinander verwoben. Das Ensemble meistert die kurzen, nur wenig bis zum Teil gar nicht geschnittenen Szenen mit Bravour, während der Blick nach draußen im Vorbeifahren ganz andere Geschichten, die von aus dem Boden schießenden Spielcasinos, von Müll durchwühlenden Alten und sich prostituierenden Jungen erzählt.
Abseits dieser berührenden Einzelschicksale, die viel über den Zustand der Gesamtgesellschaft sagen, beeindruckt Komandarevs souveräne Inszenierung. Die Gespräche in den Taxis sind perfekt auf die Umgebung abgestimmt. Vesselin Hristovs Kamera ist stets am Puls des Geschehens, gleitet mühelos und fast unbemerkt in und aus den Autos und fängt einen Selbstmordversuch geradezu schwindelerregend ein. Überhaupt diese Szene! Ein Lebensmüder auf einer Brücke, im Hintergrund die Lichter eines Filmpalasts. Hier bittere Alltagstristesse, dort süße Weltflucht. All das kann Kino in einer einzigen Einstellung sein.
Fazit: In seinem Episodenfilm "Directions" folgt Stephan Komandarev fünf Taxifahrern durch die Nacht. Die klug geschriebenen, eindrucksvoll gespielten und intensiv inszenierten kleinen Dramen sind Ausschnitte eines bulgarischen Alltags, die sich zu einem düsteren Gesamtbild zusammenfügen. Ein packendes Stück Kino.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Directions - Geschichten einer Nacht"
Land: Deutschland, BelgienJahr: 2017
Genre: Drama, Roadmovie
Originaltitel: Posoki
Kinostart: 10.05.2018
Regie: Stephan Komandarev
Darsteller: Vasil Banov als Kosta, Ivan Barnev als Vlado, Assen Blatechki als Joro, Stefan Denolyubov als Nikola, Dobrin Dosev als Andrei
Kamera: Vesselin Hristov