FBW-Bewertung: SPK Komplex (2018)
Prädikat wertvoll
Jurybegründung: 1961 wurde Wolfgang Huber Medizinalassistent, promovierte 1962 zum Dr. med und wurde im Jahre 1964 Assistenzarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg. Waren es seine Erkenntnisse an dieser Klinik oder Berichte über den allgemeinen Zustand der Psychiatrie in der BRD, die teilweise als grauenhaft beschrieben wurden, welche ihn veranlassten, 1970 das ?Sozialistische Patientenkollektiv?(SPK) zu gründen, was auch seine Entlassung von der Universität Heidelberg zur Folge hatte. Was waren die Ziele Hubers und der SPK? Das Kollektiv wollte weg von der ?Verwahr-Psychiatrie?, es forderte neue innovative Therapiemethoden wie Selbstorganisation der Patienten und Aufhebung der Trennung von Patienten und Ärzten. Heidelberg stellte der SPK Therapieräume zur Verfügung und der Zulauf des Kollektivs auf rund 500 Mitglieder ging rasant. Politische Forderungen folgten und eine teilweise Radikalisierung, die auch in eine Verbindung zur RAF führten.Gerd Kroskes großer Verdienst ist, sich eines Themas deutscher Geschichte angenommen zu haben, das in Vergessenheit geraten ist und auch nie filmisch aufgearbeitet wurde.
Entstanden ist ein extrem wichtiger und sehr komplexer Dokumentarfilm im besten klassischen Typus. Der Tonmitschnitt eines Teach-Ins an der Universität Heidelberg im Herbst 1970 ist ein erschütterndes Dokument des Seelenzustandes Hubers und gleichzeitig Kern eines Films, der assoziativ aus verschiedenen Aspekten und Kommentaren unterschiedlicher Zeitzeugen sich dem Thema annähert. Die Auswahl der Protagonisten vor der Kamera deckt den ganzenBogen von SPK-Mitgliedern, auch ehemals Inhaftierten, dann Richtern, ehemaligen Kripo- Beamten und Rechtsanwälten, ab. In keiner Weise kann man dem Film unterstellen, er wäre parteiisch oder manipulativ. Doch eine etwas straffere Montage des sehr langen Films und ? so die Meinung der Jury ? der Verzicht auf den ?Nebenschauplatz? der Flüchtlingssituation in Italien hätten dieser sonst spannenden Dokumentation in ihren Augen gut getan.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)