Der Prinz und der Dybbuk (2016)
The Prince and the Dybbuk
Preisgekröntes Porträt: Die polnisch-deutsche Produktion über den Regisseur Michał Waszyński wurde bei den 74. Filmfestspielen von Venedig als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Als Michał Waszyński am 20. Februar 1965 in Madrid an den Folgen eines Herzinfarkts stirbt, kennt kaum einer seine wahre Identität. Seine Beisetzung in Rom ist Thema in der Wochenschau, die den Regisseur und Produzent als polnischen Adligen bezeichnet. Dabei wurde Waszyński am 29. September 1904 als Mozhe Waks im mittlerweile ukrainischen Kowel in die Familie eines armen jüdischen Schmieds geboren. Mit seinem Umzug nach Warschau wechselt Waks Namen und Religion. In den 1930ern wird er einer der produktivsten Regisseure Polens. Als Mitglied einer militärischen Filmabteilung gelangt er im Verlauf des Zweiten Weltkriegs über den Iran, Palästina und Ägypten schließlich nach Italien, wo er nach Kriegsende nicht nur als Produzent großer Hollywoodfilme Fuß fasst, sondern sich auch als Prinz ausgibt.
Das Regieduo Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski hat sich zwischen Italien, Spanien, Polen, der Ukraine, Israel und den USA auf Spurensuche begeben. Sie haben noch lebende Zeitzeugen interviewt, Tagebücher und Familienchroniken gewälzt und Archive gesichtet. Alles, um mehr über den Mann herauszufinden, der mit Orson Welles, Claudia Cardinale, Sophia Loren und Joseph L. Mankiewicz zu Abend aß, eine alte verwitwete italienische Gräfin heiratete und seine Homosexualität nach Kriegsende nur noch im Verborgenen lebte.
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Filmkritik
Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski ("Domino Effekt") standen vor einem Problem. Wie sollten sie einer Person habhaft werden, die ihre Persönlichkeit im Verlauf ihres kurzen Lebens gleich mehrfach wie ein Chamäleon wechselte, falsche Fährten legte und ihre eigene Biografie verwischte? Die Lösung des Regieduos ist ein essayistischer Ansatz, der seine Fakten nur spärlich vermittelt und stattdessen durch einen audiovisuellen Sog eine Art filmisches Psychogramm des Protagonisten anfertigt.
Niewieras und Rosołowskis Spurensuche beginnt am Ende, auf dem italienischen Friedhof, auf dem der Regisseur und Produzent als "Michele Wazsynski" seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Unter die gegenwärtigen Bilder der Gräber, Kreuze und Engel stehlen sich alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen von unheimlichen Geräuschen begleitet. Äste, Vögel, ein aufgeschlagenes Buch, durch dessen Seiten der Wind bläst, sind zu sehen und schließlich ein Junge, der sich wie ein Schemen auf die Kamera zubewegt. Mosze Waks, Michał Waszyński, Mike, der polnische Prinz, wie auch immer ihn sein Umfeld gerade nannte, bleibt in Niwieras und Rosołowskis Film bis zum Schluss solch ein Schemen.
Mal ist seine Originalstimme aus einer polnischen Radiosendung zu hören, mal werden seine Tagebucheinträge von einem Erzähler auf Jiddisch aus dem Off vorgetragen. Mal sind Fotos zu sehen, die ihn neben Orson Welles beim Dreh von dessen "Othello" (1951) oder an der Seite von Sophia Loren am Set von Anthony Manns "Der Untergang des Römischen Reiches" (1964) zeigen, mal öffentliche, dann wieder private Filmaufnahmen. Stimme und Körper bleiben stets getrennt. Der Eindruck, Michał Waszyński nicht habhaft werden zu können, verstärkt sich.
Wer sich von einem dokumentarischen Porträt einen allumfassenden Überblick von der Wiege bis zur Bahre verspricht, ist in "Der Prinz und der Dybbuk" falsch. Niewiera und Rosołowski arbeiten assoziativ, breiten nicht alle Fakten aus, lassen in und vor allem zwischen ihren Interviews bewusst Leerstellen. Wiederholt schließen sie Waszyńskis Filme mit dessen Leben kurz, stellen Parallelen her, wodurch sich fantastisch fantasievolle Momente ergeben.
Dann geht eine Tanzszene aus "Der Untergang des Römischen Reiches", den Waszyński produzierte, in eine Archivaufnahme tanzender Kinder in einem Schtetl über. Dann ist Vittorio des Sica in "Der Unbekannte von San Marino" (1947) wie Waszyński nach Kriegsende ein Namenloser auf der Suche nach der eigenen Identität. Und dann kehrt der Dokumentarfilm immer wieder wie sein Protagonist zeitlebens zum Drama "Der Dybbuk" (1937) zurück. Jener titelgebende Totengeist aus dem jüdischen Volksglauben, der in andere Körper einfahren kann, scheint geradezu sinnbildlich für Waszyńskis Persönlichkeit und seine abgelegte Identität aus seinem Schtetl. Wie das Römische Imperium und die tanzenden Kinder ist sie vergangen, nicht mehr zu greifen, nur noch ein Schemen.
Fazit: "Der Prinz und der Dybbuk", der bei den 74. Filmfestspielen von Venedig den Löwen als bester Dokumentarfilm erhielt, ist eine fantasievolle Mischung aus klassischen und essayistischen dokumentarischen Elementen. Weil sie den Porträtierten nicht zu fassen bekommen, lassen die Regisseure Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski bewusst Leerstellen. Durch teils traumhafte Assoziationsketten einsteht ein ungemein intensiver audiovisueller Sog.
Niewieras und Rosołowskis Spurensuche beginnt am Ende, auf dem italienischen Friedhof, auf dem der Regisseur und Produzent als "Michele Wazsynski" seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Unter die gegenwärtigen Bilder der Gräber, Kreuze und Engel stehlen sich alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen von unheimlichen Geräuschen begleitet. Äste, Vögel, ein aufgeschlagenes Buch, durch dessen Seiten der Wind bläst, sind zu sehen und schließlich ein Junge, der sich wie ein Schemen auf die Kamera zubewegt. Mosze Waks, Michał Waszyński, Mike, der polnische Prinz, wie auch immer ihn sein Umfeld gerade nannte, bleibt in Niwieras und Rosołowskis Film bis zum Schluss solch ein Schemen.
Mal ist seine Originalstimme aus einer polnischen Radiosendung zu hören, mal werden seine Tagebucheinträge von einem Erzähler auf Jiddisch aus dem Off vorgetragen. Mal sind Fotos zu sehen, die ihn neben Orson Welles beim Dreh von dessen "Othello" (1951) oder an der Seite von Sophia Loren am Set von Anthony Manns "Der Untergang des Römischen Reiches" (1964) zeigen, mal öffentliche, dann wieder private Filmaufnahmen. Stimme und Körper bleiben stets getrennt. Der Eindruck, Michał Waszyński nicht habhaft werden zu können, verstärkt sich.
Wer sich von einem dokumentarischen Porträt einen allumfassenden Überblick von der Wiege bis zur Bahre verspricht, ist in "Der Prinz und der Dybbuk" falsch. Niewiera und Rosołowski arbeiten assoziativ, breiten nicht alle Fakten aus, lassen in und vor allem zwischen ihren Interviews bewusst Leerstellen. Wiederholt schließen sie Waszyńskis Filme mit dessen Leben kurz, stellen Parallelen her, wodurch sich fantastisch fantasievolle Momente ergeben.
Dann geht eine Tanzszene aus "Der Untergang des Römischen Reiches", den Waszyński produzierte, in eine Archivaufnahme tanzender Kinder in einem Schtetl über. Dann ist Vittorio des Sica in "Der Unbekannte von San Marino" (1947) wie Waszyński nach Kriegsende ein Namenloser auf der Suche nach der eigenen Identität. Und dann kehrt der Dokumentarfilm immer wieder wie sein Protagonist zeitlebens zum Drama "Der Dybbuk" (1937) zurück. Jener titelgebende Totengeist aus dem jüdischen Volksglauben, der in andere Körper einfahren kann, scheint geradezu sinnbildlich für Waszyńskis Persönlichkeit und seine abgelegte Identität aus seinem Schtetl. Wie das Römische Imperium und die tanzenden Kinder ist sie vergangen, nicht mehr zu greifen, nur noch ein Schemen.
Fazit: "Der Prinz und der Dybbuk", der bei den 74. Filmfestspielen von Venedig den Löwen als bester Dokumentarfilm erhielt, ist eine fantasievolle Mischung aus klassischen und essayistischen dokumentarischen Elementen. Weil sie den Porträtierten nicht zu fassen bekommen, lassen die Regisseure Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski bewusst Leerstellen. Durch teils traumhafte Assoziationsketten einsteht ein ungemein intensiver audiovisueller Sog.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Der Prinz und der Dybbuk"
Land: Französische Polinesien, DeutschlandJahr: 2016
Genre: Dokumentation
Originaltitel: The Prince and the Dybbuk
Länge: 82 Minuten
Kinostart: 07.06.2018
Regie: Elwira Niewiera, Piotr Rosolowski
Darsteller: Michael Babchuk, Batia Beigl, Alex Mankiewicz, Rosemary Mankiewicz, Wojciech Narebski
Kamera: Piotr Rosolowski
Verleih: Salzgeber & Co. Medien GmbH