Gipsy Queen (2019)
Durchgeboxt: Deutsches Drama über eine alleinerziehende Romni, die in Hamburg ums Überleben, gegen Vorurteile und ihre Vergangenheit kämpft.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 48 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Von ihrem Vater verstoßen, verlässt die Romni Ali (Alina Șerban) ihr Heimatdorf in Rumänien und wagt einen Neuanfang in Hamburg. Um eine Wohnung zu bekommen, zieht sie mit der erfolglosen Schauspielerin Mary (Irina Kurbanova) zusammen. Um ihrer Tochter Esmeralda (Sarah Carcamo Vallejos) und ihrem Sohn Mateo (Aslan Yilmaz Tabak) ein besseres Leben zu ermöglichen, hält sie sich mit mehreren schlecht bezahlten Jobs über Wasser. Sie putzt im Hotel, arbeitet schwarz auf dem Bau und räumt in der legendären Kiezkneipe "Zur Ritze" Gläser ab. In deren Boxkeller tut sich unverhofft eine Karrierechance auf.
Als Kneipenbesitzer Tanne (Tobias Moretti) mitbekommt, dass Ali einst Junioren-Europameisterin im Boxen war, stellt er sie bei Schaukämpfen in den Ring. Dadurch wird Box-Promoter Udo (Aleksandar Jovanovic) auf sie aufmerksam und bietet ihr einen Vertrag an. Der ist jedoch an eine Bedingung geknüpft. Und auch privat muss Ali erst noch ein paar Hürden aus dem Weg räumen.
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Filmkritik
Ein Blick sagt mehr als tausend Worte. Darauf setzt Hüseyin Tabak
in seinem neuesten Film. Mit Alina Șerban hat er die perfekte Hauptdarstellerin dafür. Ihre Figur strotz nur so vor Energie, die manchmal nicht weiß, wo sie hinsoll und sich in ihren Blicken entlädt. Ganz am Ende etwa, wenn Șerbans alleinerziehende Mutter Ali als Boxerin im Ring steht und ihre Gegnerin mit all der angestauten Wut in Grund und Boden starrt. Aber auch Liebe, Verzweiflung, Mitgefühl und unausgesprochenes Einverständnis kann Șerban nur über ihre Augen erzählen.
"Gipsy Queen" nur auf seine Blicke und Gesten zu reduzieren, täte dem Drama unrecht. Tabak s versiert geschriebenes Drehbuch steckt voll Subtilität und guter Dialoge. Das große Können liegt auch hier in der Reduktion, in einer unausgesprochenen oder schrittweisen Vermittlung. Tabak zeigt die Verhältnisse, anstatt sie zu verbalisieren. Wenige treffende Sätze genügen. Vieles erklärt sich aus dem Kontext. Das fängt beim Namen seiner Protagonistin an, die nach keinem Geringeren als Muhammad Ali benannt ist, und hört beim strukturellen Rassismus auf, der es einer alleinerziehenden Romni so gut wie unmöglich macht, eine Wohnung zu mieten.
Eine starke Geschichte, die Tabak starken Frauen wie seiner eigenen Mutter gewidmet hat. Sie kam mit neun Jahren aus der Türkei nach Deutschland, durfte nicht zur Schule gehen, brachte sich selbst das Lesen und Schreiben bei und hat sich zur erfolgreichen Geschäftsfrau hochgearbeitet. Tabaks Film gehört dementsprechend ganz seiner Hauptdarstellerin. Und Alina Șerban ist eine Wucht – egal ob sie sich, von der agilen Kamera dicht gefolgt, geschmeidig durch das Partyvolk in der "Ritze" schlängelt oder kräftig zuschlägt, mal im Ring, mal mit dem Vorschlaghammer auf dem Bau.
Das funktioniert auch deshalb so fabelhaft, weil sich der Rest des Ensembles in den Dienst des Films stellt. Dem Österreicher Tobias Moretti beispielsweise gelingt nicht nur ein glaubwürdiges Porträt einer norddeutschen Kiezgröße, er legt diese Figur auch so zurückhaltend an, dass er beinahe völlig hinter ihr verschwindet. Es wäre ein Leichtes gewesen, sich mit diesem überlebensgroßen Charakter in den Vordergrund zu spielen, stattdessen spielt Moretti Șerban zu und zeigt wie die Hauptdarstellerin ganz großes Kino.
Ein ganz klein wenig gehört "Gipsy Queen" aber auch Morettis abgehalfterter Figur Tanne und Irina Kurbanovas erfolgloser Schauspielerin Mary, mit der Ali und ihre Kinder zusammenleben. Allesamt sind sie Underdogs, vom Leben geprügelte Hunde, die nach jedem Niederschlag wieder aufstehen – und ganz zum Schluss nicht nur wie ein Schmetterling schweben, sondern auch wie eine Biene zustechen.
Fazit: "Gipsy Queen" ist ein Film über eine starke Frau mit einer noch stärkeren Hauptdarstellerin. Regisseur und Drehbuchautor Hüseyin Tabak erzählt versiert, reduziert und subtil eine Außenseitergeschichte zwischen Familienbande, Ersatzfamilie, Alltagsrassismus und der Liebe zum Boxsport. Sein Drama ist berührend und wuchtig. Ein Volltreffer!
"Gipsy Queen" nur auf seine Blicke und Gesten zu reduzieren, täte dem Drama unrecht. Tabak s versiert geschriebenes Drehbuch steckt voll Subtilität und guter Dialoge. Das große Können liegt auch hier in der Reduktion, in einer unausgesprochenen oder schrittweisen Vermittlung. Tabak zeigt die Verhältnisse, anstatt sie zu verbalisieren. Wenige treffende Sätze genügen. Vieles erklärt sich aus dem Kontext. Das fängt beim Namen seiner Protagonistin an, die nach keinem Geringeren als Muhammad Ali benannt ist, und hört beim strukturellen Rassismus auf, der es einer alleinerziehenden Romni so gut wie unmöglich macht, eine Wohnung zu mieten.
Eine starke Geschichte, die Tabak starken Frauen wie seiner eigenen Mutter gewidmet hat. Sie kam mit neun Jahren aus der Türkei nach Deutschland, durfte nicht zur Schule gehen, brachte sich selbst das Lesen und Schreiben bei und hat sich zur erfolgreichen Geschäftsfrau hochgearbeitet. Tabaks Film gehört dementsprechend ganz seiner Hauptdarstellerin. Und Alina Șerban ist eine Wucht – egal ob sie sich, von der agilen Kamera dicht gefolgt, geschmeidig durch das Partyvolk in der "Ritze" schlängelt oder kräftig zuschlägt, mal im Ring, mal mit dem Vorschlaghammer auf dem Bau.
Das funktioniert auch deshalb so fabelhaft, weil sich der Rest des Ensembles in den Dienst des Films stellt. Dem Österreicher Tobias Moretti beispielsweise gelingt nicht nur ein glaubwürdiges Porträt einer norddeutschen Kiezgröße, er legt diese Figur auch so zurückhaltend an, dass er beinahe völlig hinter ihr verschwindet. Es wäre ein Leichtes gewesen, sich mit diesem überlebensgroßen Charakter in den Vordergrund zu spielen, stattdessen spielt Moretti Șerban zu und zeigt wie die Hauptdarstellerin ganz großes Kino.
Ein ganz klein wenig gehört "Gipsy Queen" aber auch Morettis abgehalfterter Figur Tanne und Irina Kurbanovas erfolgloser Schauspielerin Mary, mit der Ali und ihre Kinder zusammenleben. Allesamt sind sie Underdogs, vom Leben geprügelte Hunde, die nach jedem Niederschlag wieder aufstehen – und ganz zum Schluss nicht nur wie ein Schmetterling schweben, sondern auch wie eine Biene zustechen.
Fazit: "Gipsy Queen" ist ein Film über eine starke Frau mit einer noch stärkeren Hauptdarstellerin. Regisseur und Drehbuchautor Hüseyin Tabak erzählt versiert, reduziert und subtil eine Außenseitergeschichte zwischen Familienbande, Ersatzfamilie, Alltagsrassismus und der Liebe zum Boxsport. Sein Drama ist berührend und wuchtig. Ein Volltreffer!
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Gipsy Queen"
Land: Deutschland, ÖsterreichJahr: 2019
Genre: Drama
Länge: 113 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 25.06.2020
Regie: Hüseyin Tabak
Darsteller: Alina Ioana Serban als Ali, Tobias Moretti, Irina Kurbanova, Catrin Striebeck, Sarah Carcamo Vallejos als Esmeralda
Kamera: Lukas Gnaiger
Verleih: Majestic Filmverleih GmbH, Paramount Pictures Germany
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