Auf der Suche nach Oum Kulthum (2017)
Looking for Oum Kulthum
Film im Film: Drama über eine Regisseurin, die an einem Biopic über eine nationale Ikone verzweifelt.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Seit Jahren arbeitet die iranische Regisseurin Mitra (Neda Rahmanian) an einem Film über die legendäre ägyptische Musikerin Oum Kulthum. Die vermutlich 1904 geborene und 1975 verstorbene Sängerin galt als Maria Callas des Orients, die sich auf unnachahmliche Weise in einer männerdominierten Welt durchgesetzt hat. Als die talentierte Lehrerin Ghada (Yasmin Raeis) zum Casting in Kairo erscheint, hat Mitra endlich ihre Hauptdarstellerin für das Projekt gefunden. Die Dreharbeiten in Marokko und Europa können losgehen. Doch schon bald stößt Mitra auf Widerstände.
Mitras männlicher Hauptdarsteller Ahmed (Kais Nashif) hat Probleme damit, dass eine Frau, noch dazu keine Araberin, Regie führt. Textnachrichten ihres pubertierenden Sohns, den sie seit sieben Jahren nicht gesehen hat, lenken Mitra ab. Zudem hört sie von allen Seiten den Vorwurf, der Nationalikone Oum Kulthum und ihrer Kunst nicht gerecht zu werden. Einzige Stütze ist ihr Assistent Amir (Mehdi Moinzadeh), der die Regie zu Ende führt, als Mitra nach dem Verschwinden ihres Sohns endgültig zusammenbricht.
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Filmkritik
Eines Nachts steht die Regisseurin Mitra (Neda Rahmanian) in ihrem Hotelzimmer und blickt auf ihre Recherche. Die Wand ist übersät mit Zetteln, Fotos, Zeitungsberichten und Schnipseln, dem Ermittlungsbüro eines Kriminalfilms nicht unähnlich. Denn auch hier ist jemand auf Spurensuche gegangen, hat sich einer Person minutiös genähert. Draußen, hinter den schwarzen Vorhängen, wogt das Mittelmeer dunkel und dräuend heran. Diese Wand, dieses Zimmer, die Stimmung darin sind Ausdruck von Mitras innerer Verfasstheit. Und als Zuschauer bleibt uns gar nichts anderes übrig, sie auch als Metapher auf Shirin Neshats Schaffensprozess zu begreifen.
"Auf der Suche nach Oum Kulthum" ist Neshats zweiter Spielfilm. Für ihren ersten, die Romanadaption "Women Without Men" (2009), hat sie bei den Festspielen in Venedig einen Silbernen Löwe erhalten. Vor ihrem Wechsel zum Film feierte sie bereits als Fotografin und Videokünstlerin große Erfolge. Eigentlich wollte die gebürtige Iranerin, die seit Jahrzehnten in den USA lebt, ein Biopic über Ägyptens berühmteste Sängerin drehen. Herausgekommen ist ein Film über die Unwägbarkeiten des Filmemachens, ein Film im Film, eine Metafiktion, die gemeinsam mit Mitras auch Shirin Neshats Scheitern dokumentiert, es in eine virtuose Selbstbespiegelung und eine kontemplative Branchen- und Medienreflexion überführt.
Zwei Sequenzen, die wir als innere Monologe, als visualisierte Gedanken oder schlicht als Träume begreifen können, bilden die inhaltliche Klammer dieses Films. Kameramann Martin Gschlacht fängt sie mit traumwandlerischer Sicherheit ein. Sein Arbeitsgerät gleitet geschmeidig dahin, scheint zu schweben. Ebenso fließend vollführt Shirin Neshats und Shoja Azaris Drehbuch die Übergänge zwischen den Realitätsebenen. Mal sind wir im Film, dann wieder im Film im Film. Welchem Gefühl wir gerade beiwohnen, dem der Hauptdarstellerin Ghada (Yasmin Raeis) während der Dreharbeiten oder dem der von ihr verkörperten Figur Oum Kulthum, lässt sich nicht immer eindeutig entscheiden.
Aus dieser Offenheit, aus dieser Unschärfe an den Rändern zieht "Auf der Suche nach Oum Kulthum" seinen größten Reiz. Im Zentrum stehen andere Fragen: die nach der Rolle der Frauen in der Filmindustrie, die nach dem Verhältnis zwischen Karriere und Familie, die nach der Freiheit der Kunst im Umgang mit einem Nationalheiligtum. Die Antworten darauf bleiben vage. Die Person hinter der Ikone Oum Kulthum bekommt der Film nicht zu fassen. Am Ende haben wir die Regisseurin Shirin Neshat besser verstanden, als die Figur, um die ihr jüngstes Werk kreist.
Fazit: Shirin Neshats zweiter Spielfilm "Auf der Suche nach Oum Kulthum" ist ein traumwandlerisch inszeniertes Drama, das virtuos um sich selbst kreist, die titelgebende ägyptische Sängerin allerdings nicht findet.
"Auf der Suche nach Oum Kulthum" ist Neshats zweiter Spielfilm. Für ihren ersten, die Romanadaption "Women Without Men" (2009), hat sie bei den Festspielen in Venedig einen Silbernen Löwe erhalten. Vor ihrem Wechsel zum Film feierte sie bereits als Fotografin und Videokünstlerin große Erfolge. Eigentlich wollte die gebürtige Iranerin, die seit Jahrzehnten in den USA lebt, ein Biopic über Ägyptens berühmteste Sängerin drehen. Herausgekommen ist ein Film über die Unwägbarkeiten des Filmemachens, ein Film im Film, eine Metafiktion, die gemeinsam mit Mitras auch Shirin Neshats Scheitern dokumentiert, es in eine virtuose Selbstbespiegelung und eine kontemplative Branchen- und Medienreflexion überführt.
Zwei Sequenzen, die wir als innere Monologe, als visualisierte Gedanken oder schlicht als Träume begreifen können, bilden die inhaltliche Klammer dieses Films. Kameramann Martin Gschlacht fängt sie mit traumwandlerischer Sicherheit ein. Sein Arbeitsgerät gleitet geschmeidig dahin, scheint zu schweben. Ebenso fließend vollführt Shirin Neshats und Shoja Azaris Drehbuch die Übergänge zwischen den Realitätsebenen. Mal sind wir im Film, dann wieder im Film im Film. Welchem Gefühl wir gerade beiwohnen, dem der Hauptdarstellerin Ghada (Yasmin Raeis) während der Dreharbeiten oder dem der von ihr verkörperten Figur Oum Kulthum, lässt sich nicht immer eindeutig entscheiden.
Aus dieser Offenheit, aus dieser Unschärfe an den Rändern zieht "Auf der Suche nach Oum Kulthum" seinen größten Reiz. Im Zentrum stehen andere Fragen: die nach der Rolle der Frauen in der Filmindustrie, die nach dem Verhältnis zwischen Karriere und Familie, die nach der Freiheit der Kunst im Umgang mit einem Nationalheiligtum. Die Antworten darauf bleiben vage. Die Person hinter der Ikone Oum Kulthum bekommt der Film nicht zu fassen. Am Ende haben wir die Regisseurin Shirin Neshat besser verstanden, als die Figur, um die ihr jüngstes Werk kreist.
Fazit: Shirin Neshats zweiter Spielfilm "Auf der Suche nach Oum Kulthum" ist ein traumwandlerisch inszeniertes Drama, das virtuos um sich selbst kreist, die titelgebende ägyptische Sängerin allerdings nicht findet.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Auf der Suche nach Oum Kulthum"
Land: Deutschland, Italien, ÖsterreichJahr: 2017
Genre: Drama
Originaltitel: Looking for Oum Kulthum
Länge: 90 Minuten
Kinostart: 07.06.2018
Regie: Shirin Neshat
Darsteller: Neda Rahmanian als Mitra, Yasmin Raeis als Ghada, Mehdi Moinzadeh als Amir, Kais Nashif als Ahmad / Latif, Soumaya Akaaboune als Hostess
Kamera: Martin Gschlacht
Verleih: NFP marketing & distribution, Filmwelt