In den letzten Tagen der Stadt (2017)
Akher ayam el madina
Ein junger ägyptischer Filmemacher denkt in Kairo über die Stadt im Wandel, über Prägungen und die ungewisse Zukunft nach.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Im Jahr 2009 arbeitet der Filmemacher Khalid (Khalid Abdalla) an einer Dokumentation über seine Heimatstadt Kairo. Dafür führt er Interviews mit einzelnen Leuten, die er über ihre Herkunft und Vergangenheit befragt. Doch mit dem Schneiden des Films geht es nicht recht voran, die einzelnen Aufnahmen wollen sich nicht zu einem Ganzen fügen. Khalid befragt auch seine kranke Mutter, will mehr über seinen Vater erfahren. Er trifft sich mit Freunden, die in Bagdad, Berlin und Beirut leben, um über Heimat zu sprechen und das Überleben in Kriegszeiten. Khalid sucht auch dringend eine neue Wohnung in Kairo, wird aber nicht fündig. Er flaniert durch die Straßen, saugt ihre Atmosphäre auf und registriert, wie es in der Bevölkerung rumort.
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Filmkritik
Das Spielfilmdebüt des ägyptischen Regisseurs Tamer El Said ist in politisch unruhigen Zeiten gedreht worden, als sich die Vorboten der ägyptischen Revolution bereits abzeichneten. Der Protagonist Khalid, der den Regisseur selbst zu repräsentieren scheint, befindet sich in seinem jungen Leben an einem Scheideweg. Und draußen, vor dem Fenster, in den Straßen, braut sich etwas zusammen, eine wachsende Unzufriedenheit mit dem, was ist. Khalid beobachtet, nimmt Stimmungen auf, sucht nach Orientierungs- und Fixpunkten in seiner persönlichen Biografie.
Als Flaneur und Zeitzeuge, sowie gleichzeitig als Mann, der vor einer ungewissen Zukunft steht, ist Khalid also nicht nur neutraler Beobachter, sondern auch Subjekt. Die Krise der Stadt ist in gewisser Weise auch seine eigene und es fällt ihm schwer, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu benennen, beziehungsweise Außen- und Innenwelt auseinanderzuhalten. So ist auch der Film selbst eine schillernde Mischung aus fast dokumentarischem Realismus, atmosphärischen Impressionen und traumwandlerischer Poesie.
Zum Zeitpunkt des Drehs wusste der Regisseur nicht, dass sich die Demonstrationen in den Straßen zur Revolution von 2011 auswachsen würden. Khalid und seine Freunde, die aus den vom Krieg und Bürgerkrieg erschütterten Städten Bagdad und Beirut stammen, sprechen über Identität, über Verwurzelung und ihre Verzweiflung angesichts der Zerstörung. Mit diesem Thema verweist der Film über Kairo hinaus auf die arabische Welt im Wandel, die tendenzielle Heimatlosigkeit der jungen Generation, die sich schmerzlich mit den eigenen Wurzeln auseinandersetzt.
Die Dialoge wechseln oft unvermittelt ins Off, während die Figuren noch im Bild sind, die Schnitte verweisen darauf, dass sich die Puzzlestücke in Khalids Wahrnehmung noch lange nicht zu einem Bild formen, dessen Sinn er versteht. Der Himmel ist in trübes goldgelbes Licht getaucht, auf den Straßen springen Menschen zwischen den hupenden Autos herum, versuchen Waren zu verkaufen, mit dem Strom zu schwimmen und sich dennoch nicht zu verlieren. Oft blickt Khalid durch Fensterscheiben auf das Geschehen, durch Spiegel, in denen sich verschiedene Realitäten überlappen. Tamer El Saids Hommage an Kairo ist melancholisch, weil das Alte nicht bleiben kann und dennoch das Fundament für die Zukunft liefern muss.
Fazit: Tamer El Saids kontemplative Auseinandersetzung mit seiner Heimatstadt Kairo am Vorabend der Revolution verschränkt Innen- und Außenwelten zu einem sinnlichen Vexierspiel. Die Frage nach der nationalen und persönlichen Identität in Zeiten des Wandels wird in diesem kunstvollen Spielfilm auf sowohl poetische als auch dokumentarisch-beobachtende Weise erörtert. So spiegelt sich in der melancholischen Hommage an die Stadt Kairo die komplizierte Standortbestimmung eines Vertreters der jüngeren Intellektuellen-Generation, die das kulturelle Erbe mit kritischer Zuneigung bewertet.
Als Flaneur und Zeitzeuge, sowie gleichzeitig als Mann, der vor einer ungewissen Zukunft steht, ist Khalid also nicht nur neutraler Beobachter, sondern auch Subjekt. Die Krise der Stadt ist in gewisser Weise auch seine eigene und es fällt ihm schwer, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu benennen, beziehungsweise Außen- und Innenwelt auseinanderzuhalten. So ist auch der Film selbst eine schillernde Mischung aus fast dokumentarischem Realismus, atmosphärischen Impressionen und traumwandlerischer Poesie.
Zum Zeitpunkt des Drehs wusste der Regisseur nicht, dass sich die Demonstrationen in den Straßen zur Revolution von 2011 auswachsen würden. Khalid und seine Freunde, die aus den vom Krieg und Bürgerkrieg erschütterten Städten Bagdad und Beirut stammen, sprechen über Identität, über Verwurzelung und ihre Verzweiflung angesichts der Zerstörung. Mit diesem Thema verweist der Film über Kairo hinaus auf die arabische Welt im Wandel, die tendenzielle Heimatlosigkeit der jungen Generation, die sich schmerzlich mit den eigenen Wurzeln auseinandersetzt.
Die Dialoge wechseln oft unvermittelt ins Off, während die Figuren noch im Bild sind, die Schnitte verweisen darauf, dass sich die Puzzlestücke in Khalids Wahrnehmung noch lange nicht zu einem Bild formen, dessen Sinn er versteht. Der Himmel ist in trübes goldgelbes Licht getaucht, auf den Straßen springen Menschen zwischen den hupenden Autos herum, versuchen Waren zu verkaufen, mit dem Strom zu schwimmen und sich dennoch nicht zu verlieren. Oft blickt Khalid durch Fensterscheiben auf das Geschehen, durch Spiegel, in denen sich verschiedene Realitäten überlappen. Tamer El Saids Hommage an Kairo ist melancholisch, weil das Alte nicht bleiben kann und dennoch das Fundament für die Zukunft liefern muss.
Fazit: Tamer El Saids kontemplative Auseinandersetzung mit seiner Heimatstadt Kairo am Vorabend der Revolution verschränkt Innen- und Außenwelten zu einem sinnlichen Vexierspiel. Die Frage nach der nationalen und persönlichen Identität in Zeiten des Wandels wird in diesem kunstvollen Spielfilm auf sowohl poetische als auch dokumentarisch-beobachtende Weise erörtert. So spiegelt sich in der melancholischen Hommage an die Stadt Kairo die komplizierte Standortbestimmung eines Vertreters der jüngeren Intellektuellen-Generation, die das kulturelle Erbe mit kritischer Zuneigung bewertet.
Bianka Piringer
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Besetzung & Crew von "In den letzten Tagen der Stadt"
Land: Ägypten, Großbritannien, Vereinigte arabische Emirate, DeutschlandWeitere Titel: In the Last Days of the City
Jahr: 2017
Genre: Drama
Originaltitel: Akher ayam el madina
Kinostart: 07.09.2017
Regie: Tamer El Said
Darsteller: Khalid Abdalla als Khalid, Laila Samy als Laila, Hanan Youssef als Hanan, Mariam Saleh Saad als Maryam, Hayder Helo als Hassan
Kamera: Bassem Fayad
Verleih: Arsenal