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FBW-Bewertung: Die Reise der Pinguine 2 (2017)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: Vor ziemlich genau 12 Jahren hat Luc Jacquet die Dokumentarfilmwelt mit DIE REISE DER PINGUINEüberrascht. An Stelle von nüchterner Objektivierung setzte er auf die Dramatisierung des antarktischen Lebens der Kaiserpinguine. Umso neugieriger war die Jury auf das, was sie in der Fortsetzung des damaligen Kassenmagneten erwarten würde.
DIE REISE DER PINGUINE 2 beginnt da, wo der erste Teil aufgehört hat. Mit atemberaubenden Bildern von hohem Wiedererkennungswert fängt Jacquet das Schicksal eines Pinguinpärchens mit ihrem Ei ein. Vom Brüten bis zum Erwachsenwerden verfolgt er die Wege der Drei. Unzählige Stunden Filmmaterial hat der Tierfilmer dafür zu einem 85-minütigen Kinodrama geschnitten. In der Wärme des Kinosaals können die Zuschauer verfolgen, wie in der unwirtlichen Landschaft des Südpols eine neue Generation Pinguine heranwächst.
Zweifelsohne? so diskutierte die Jury ? hat Jacquet von den geringen Unterscheidungsmöglichkeiten von Pinguinen profitiert. Weil für das ungeübte Auge ein Tier wie das andere aussieht, war es dem Tierfilmer möglich, eine unterhaltsame Geschichte aus den Aufnahmen unterschiedlicher Pinguine zusammenzuschneiden. Diverse Pinguine mitsamt Nachwuchs standen in der Dokumentation Pate für Jacquets drei tierischen Stars, einen Kaiserpinguin, dessen Weibchen und ihr Junges.
Jacquet ist ein Meister der Inszenierung. Mitunter wagt er sogar mit völlig unterschiedlichen Filmgenres zu spielen. So watschelt durchaus auch einmal ein Pinguin vor markantem Hintergrund zu Westernmusik durchs Bild. Ein Witz, den auch die Jury zu schätzen wusste. Im überwiegenden Teil seines Films aber neigt der Dokumentarfilmer nach Ansicht der Jury eher zum Gigantismus. Sein bildgewaltiges Werk orchestriert er mit so monumentalem Score, dass sich die Jury zur Überlegung hingerissen sah, ob Jacquet mitunter der Kraft seiner Bilder nicht traue.
Die Tonspur zu DIE REISE DER PINGUINE 2 förderte aber auch auf einer weiteren Ebene Kritik der Jury. Die üppigen Textpassagen lassen nach ihrer Ansicht nur wenig Raum für eine Eigeninterpretation des Gesehenen. Hinzu kommt die Verwendung recht pathetischer Metaphern, die vielleicht auch der deutschen Synchronisierung geschuldet sind, aber dennoch gewertet werden müssen, da sie nach Ansicht der Jury einen störenden Einfluss auf die Wirkung der Bilder haben.
DIE REISE DER PINGUINE 2 ist ein aufwändiger Dokumentarfilm, dem es gelingt, mit Zügen des Spielfilms dokumentarische Inhalte zu vermitteln. Ähnlich wie im ersten Teil spielt Jacquet auch im Nachfolger mit naheliegenden Vermenschlichung der zweibeinigen Polbewohner. Das schafft Nähe zum Objekt und Verständnis für das Leben in dermenschenfeindlichen Eislandschaft.
Jacquets besondererÄsthetizismus spielt eine entscheidende Rolle in der Rezeption seiner Werke. Man sieht dem Film seine unendliche Arbeit und Sorgfalt, sowohl während der eigentlichen Aufnahmen als auch später im Schnitt. Was auf der visuellen Ebene ohne Frage sehr gut funktioniert, wird, in den Augen der Jury undzu ihrem Bedauernimmer wieder von der akustischen-Ebene unterlaufen. Und so vergibt die Jury, nach Abwägung aller Argumente, das Prädikat ?wertvoll?.



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