Ein Deutsches Leben (2016)
Bewegende Dokumentation über das Leben von Brunhilde Pomsel, die von 1942 bis 1945 die Stenografin von Joseph Goebbels war.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 1 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Als der Film entstand, war Brunhilde Pomsel bereits 104 Jahre alt. Geboren wurde sie 1911 im damaligen deutschen Kaiserreich. Sie gehört zu den letzten überlebenden Zeitzeugen, die einen der führenden Nazi-Verbrecher auch nächster Nähe erlebten: NS-Propagandaminister Joseph Goebbels. Nachdem sie zunächst viele Jahre für die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft gearbeitet hatte, begann sie 1942 ihre Tätigkeit als Stenografin im Ministerbüro von Goebbels. Sie selbst sieht sich als unbeteiligte, unpolitische Randfigur der Geschichte und der damaligen Ereignisse. Dessen waren sich die Rotarmisten zunächst nicht ganz so sicher, weshalb Pomsel ab 1945 für fünf Jahre in Speziallagern interniert wurde, u.a. in Buchenwald und Sachsenhausen. Im Anschluss arbeitete sie wieder als Sekretärin, etwa für den SWF in Baden-Baden. Die Filmemacher widmen sich Pomsels bewegtem Leben und lassen den Zuschauer darüber reflektieren, wie er an Pomsels Stelle gehandelt hätte.
Bildergalerie zum Film "Ein Deutsches Leben"
Hier streamen
Filmkritik
Eine der federführenden Regisseure des Films, der Pomsel auch selbst häufig für den Film interviewte, war Olaf S. Müller. Müller selbst ist Historiker, zudem studierte er Philosophie in Berlin und Göttingen. Bis heute realisierte er zahlreiche TV-Produktionen für Sender wie MDR und 3Sat. Dabei war Müller nur einer von vier Regisseuren von "A german life". Die Dokumentation erlebte ihre Premiere im April 2016 beim Filmfest im französischen Nyon. Die deutsche Premiere fand wenig später beim Münchener Filmfest statt. Begleitend zum Film, erschien auch ein Buch gleichen Namens. Pomsel verstarb am 27. Januar 2017, im Alter von 106 Jahren – es war der Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz.
"A german life" ist eine beachtliche, bemerkenswerte Doku. Ein Film, der nun vielleicht erst einmal einen Schlusspunkt unter jene (Kino-)Dokus setzt, die Interviews mit Zeitzeugen – bzw. mit Personen, die direkt mit der NS-Führungsriege zusammenarbeiteten (siehe z.B. "Im toten Winkel") – in den Mittelpunkt rücken. Denn Pomsel war eine der letzten Überlebenden, die den NS-Polit-Apparat aus nächster Nähe und tagtäglich erlebte. Die sogar aktiv darin mitwirkte und für sein Funktionieren mitverantwortlich war, zumindest für den braunen Propaganda- und Volksaufklärungs-Apparat. Nun ist auch Pomsel tot aber zum Glück konnten die Filmemacher sie zuvor noch dazu bewegen, ihre Erinnerungen und Einschätzungen mitzuteilen.
"A german life" unterscheidet sich deutlich von massentauglichen TV-Dokus á la "ZDF-history". Hier fehlen einordnende, erklärende Off-Kommentierungen sowie Wissenschaftler oder Historiker, die das von Pomsel Geäußerte in einen größeren Zusammenhang bringen und bewerten. Der Zuschauer wird selbst zum Reflektieren aufgefordert, zum Nachdenken und Bewerten. Das stellt mitunter eine große Herausforderung dar, macht aber auch einen großen Reize dieser Doku aus. Rund 80 Prozent der Laufzeit erzählt Pomsel. In der restlichen Zeit erscheinen auf der Leinwand z.B. besonders einprägsame, und mindestens ebenso zynische Zitate von Goebbels, (extrem rare) Ausschnitte aus privaten Super-8-Aufnahmen aus jener Zeit und einige Szenen aus verschiedenen US-Aufklärungsvideos. Diese klug eingebauten Szenen und Schnipsel, verleihen dem zuvor von Pomsel geäußerten Dingen manchmal zusätzliche emotionale Wucht und Schlagkraft.
Überhaupt Pomsel: eine beeindruckende, außergewöhnliche Zeitzeugin. Zum eine die Art und Weise wie fit sie – rein geistig – in ihrem extrem hohen Alter und zum Zeitpunkt der Dreharbeiten, noch ist. Fast eloquent kommt sie daher und ihren Mund verlassen fast ausschließlich druckreife Sätze und Äußerungen. Die sorgsame, gewählte Ausdrucksweise wird noch ergänzt durch ihr beachtliches Erinnerungsvermögen. Natürlich verzerrt und verblasst nichts im Leben so sehr wie die Erinnerung, gerade wenn die betreffenden Ereignisse so lange zurückliegen. Dennoch: Pomsel macht einen sicheren Eindruck, sie muss nicht lange überlegen und das Geäußerte klingt zumindest nachvollziehbar. Sie berichtet sogar vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs, an den sie sich bruchstückhaft erinnern kann. 1914 – da war sie drei Jahre alt.
Pomsel ist nicht unsympathisch, zudem sorgen ihre entwaffnende Offenheit und Ehrlichkeit mitunter dafür, dass man sich ein Schmunzel nicht verkneifen kann. Auch wenn es vielleicht nicht angebracht und der Hintergrund ein tragischer ist. Pomsel hatte einst eine beste Freundin, die Jüdin war. An einer Stelle sagt sie über diese Freundin u.a., dass diese einen ordentlichen "Judenzinken" gehabt habe. Oder: "Sie war so jüdisch. Jüdischer kann man gar nicht sein." Die Freundin kam später im KZ um. Doch das erfährt man erst gegen Ende.
Befragt danach, ob sie sich selbst als schuldig ansieht sagt sie: "Nein. Es sei denn, man wirft dem ganzen deutschen Volk vor, dass sie letzten Endes dazu beigetragen haben, dass diese Regierung überhaupt ans Ruder gekommen ist. Das sind wir alle gewesen. Auch ich." Äußerungen wie diese sind es, die vom Kinobesucher ein Gedankenspiel einfordern. Er muss sich fragen: Was hätte ich in der Situation getan? Hätte ich den Mut aufgebracht, Dinge anzusprechen und zu hinterfragen? Denn Pomsel macht auch klar: wer offen gegen das Regime war und sich widersetzte, habe sein Leben aufs Spiel gesetzt. Oder gar verloren. "Beispiele dafür gibt es genug."
Fazit: Differenzierte, mit klug ausgewählten historischen Aufnahmen angereicherte Doku über Goebbels Stenografin, die den Zuschauer zum kritischen Hinterfragen und Reflektieren auffordert.
"A german life" ist eine beachtliche, bemerkenswerte Doku. Ein Film, der nun vielleicht erst einmal einen Schlusspunkt unter jene (Kino-)Dokus setzt, die Interviews mit Zeitzeugen – bzw. mit Personen, die direkt mit der NS-Führungsriege zusammenarbeiteten (siehe z.B. "Im toten Winkel") – in den Mittelpunkt rücken. Denn Pomsel war eine der letzten Überlebenden, die den NS-Polit-Apparat aus nächster Nähe und tagtäglich erlebte. Die sogar aktiv darin mitwirkte und für sein Funktionieren mitverantwortlich war, zumindest für den braunen Propaganda- und Volksaufklärungs-Apparat. Nun ist auch Pomsel tot aber zum Glück konnten die Filmemacher sie zuvor noch dazu bewegen, ihre Erinnerungen und Einschätzungen mitzuteilen.
"A german life" unterscheidet sich deutlich von massentauglichen TV-Dokus á la "ZDF-history". Hier fehlen einordnende, erklärende Off-Kommentierungen sowie Wissenschaftler oder Historiker, die das von Pomsel Geäußerte in einen größeren Zusammenhang bringen und bewerten. Der Zuschauer wird selbst zum Reflektieren aufgefordert, zum Nachdenken und Bewerten. Das stellt mitunter eine große Herausforderung dar, macht aber auch einen großen Reize dieser Doku aus. Rund 80 Prozent der Laufzeit erzählt Pomsel. In der restlichen Zeit erscheinen auf der Leinwand z.B. besonders einprägsame, und mindestens ebenso zynische Zitate von Goebbels, (extrem rare) Ausschnitte aus privaten Super-8-Aufnahmen aus jener Zeit und einige Szenen aus verschiedenen US-Aufklärungsvideos. Diese klug eingebauten Szenen und Schnipsel, verleihen dem zuvor von Pomsel geäußerten Dingen manchmal zusätzliche emotionale Wucht und Schlagkraft.
Überhaupt Pomsel: eine beeindruckende, außergewöhnliche Zeitzeugin. Zum eine die Art und Weise wie fit sie – rein geistig – in ihrem extrem hohen Alter und zum Zeitpunkt der Dreharbeiten, noch ist. Fast eloquent kommt sie daher und ihren Mund verlassen fast ausschließlich druckreife Sätze und Äußerungen. Die sorgsame, gewählte Ausdrucksweise wird noch ergänzt durch ihr beachtliches Erinnerungsvermögen. Natürlich verzerrt und verblasst nichts im Leben so sehr wie die Erinnerung, gerade wenn die betreffenden Ereignisse so lange zurückliegen. Dennoch: Pomsel macht einen sicheren Eindruck, sie muss nicht lange überlegen und das Geäußerte klingt zumindest nachvollziehbar. Sie berichtet sogar vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs, an den sie sich bruchstückhaft erinnern kann. 1914 – da war sie drei Jahre alt.
Pomsel ist nicht unsympathisch, zudem sorgen ihre entwaffnende Offenheit und Ehrlichkeit mitunter dafür, dass man sich ein Schmunzel nicht verkneifen kann. Auch wenn es vielleicht nicht angebracht und der Hintergrund ein tragischer ist. Pomsel hatte einst eine beste Freundin, die Jüdin war. An einer Stelle sagt sie über diese Freundin u.a., dass diese einen ordentlichen "Judenzinken" gehabt habe. Oder: "Sie war so jüdisch. Jüdischer kann man gar nicht sein." Die Freundin kam später im KZ um. Doch das erfährt man erst gegen Ende.
Befragt danach, ob sie sich selbst als schuldig ansieht sagt sie: "Nein. Es sei denn, man wirft dem ganzen deutschen Volk vor, dass sie letzten Endes dazu beigetragen haben, dass diese Regierung überhaupt ans Ruder gekommen ist. Das sind wir alle gewesen. Auch ich." Äußerungen wie diese sind es, die vom Kinobesucher ein Gedankenspiel einfordern. Er muss sich fragen: Was hätte ich in der Situation getan? Hätte ich den Mut aufgebracht, Dinge anzusprechen und zu hinterfragen? Denn Pomsel macht auch klar: wer offen gegen das Regime war und sich widersetzte, habe sein Leben aufs Spiel gesetzt. Oder gar verloren. "Beispiele dafür gibt es genug."
Fazit: Differenzierte, mit klug ausgewählten historischen Aufnahmen angereicherte Doku über Goebbels Stenografin, die den Zuschauer zum kritischen Hinterfragen und Reflektieren auffordert.
Björn Schneider
TrailerAlle "Ein Deutsches Leben"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Ein Deutsches Leben"
Land: Österreich, DeutschlandWeitere Titel: A German Life
Jahr: 2016
Genre: Dokumentation
Länge: 113 Minuten
Kinostart: 06.04.2017
Regie: Christian Krönes, Olaf S. Müller, Roland Schrotthofer, Florian Weigensamer
Darsteller: Brunhilde Pomsel
Kamera: Frank Van Vught
Verleih: Salzgeber & Co. Medien GmbH