Paradies (2016)
Ray
Kriegsschrecken als Kammerspiel: Andrei Konchalovsky verknüpft drei Schicksale zu einer filmischen Moralität.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Drei Menschen, drei Verhöre: Nacheinander schildern der französische Kollaborateur Jules (Philippe Duquesne), die dem französischen Widerstand angehörende Exilrussin Olga (Julia Vysotskaya) und der deutsche SS-Standartenführer Helmut (Christian Clauß) ihrem Gegenüber ihre Lebensläufe. Schnell stellt sich in den Gesprächen heraus, dass sich die Wege der drei während des Zweiten Weltkriegs gekreuzt haben.
Während eines lange zurückliegenden Sommers hatte sich der adlige Helmut in die Adlige Olga verliebt. Jahre später trifft er sie in einem Konzentrationslager wieder, in das Olga nach einer schicksalsträchtigen Begegnung mit Jules abtransportiert wurde. Doch die Zeit in dieser Geschichte scheint entrückt, laufen die rekapitulierten Ereignisse der logischen Ordnung doch zuwider. Und so stellt sich die Frage, wem die Verhörten hier eigentlich Rechenschaft ablegen.
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Filmkritik
Andrei Konchalovskys Karriere ist ebenso lang wie abwechslungsreich. Seit mehr als einem halben Jahrhundert macht der 1937 in Moskau geborene Drehbuchautor und Regisseur Film, Fernsehen, Theater und Oper. Er schrieb Drehbücher für Andrei Tarkowski, drehte vom Regime gefeierte und zensierte Filme und emigrierte in den 1980ern schließlich in die USA. Dort inszenierte er Actionfilme und Komödien wie "Runaway Train", "Homer und Eddie" und "Tango und Cash", bevor er nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in seine Heimat zurückkehrte. "Paradies", der bei den Filmfestspielen von Venedig 2016 den Silbernen Löwen für die beste Regie erhielt, ist ein weiteres Beispiel, dass sich Andrei Konchalovskys Filme inhaltlich wie formal nur schwer einordnen lassen.
Konchalovskys jüngstes Werk ist eine strenge Versuchsanordnung. Dokumentarisch anmutende Verhörsituationen wechseln sich mit Spielszenen ab. Letztere bebildern die in Ersteren vorgetragenen Erinnerungen. Die schmalen, schwarz-weißen Einstellungen im historischen 1:1,33-Format lassen den Figuren nur wenig Platz. Dementsprechend inszeniert Konchalovsky mehr in die Tiefe, ordnet Schauspieler und Requisiten durchdacht und bedeutungsvoll auf drei wohl komponierten Bildebenen an. Durch Türen und Fenster gerahmt erscheinen die drei Hauptcharaktere wiederholt wie Gefangene der Zeit und ihrer Umstände, letztlich aber immer ihrer bewussten Entscheidungen. Auf klassische Filmmusik verzichtet Konchalovsky dabei komplett. Die einzigen Klänge, die vor dem Abspann zu hören sind, entspringen direkt der Handlung.
Während Philippe Duquesne und besonders Julia Vysotskaya beeindruckende Leistungen abliefern, agieren die deutschen Darsteller allzu gern wie auf einer Theaterbühne. Ähnlich eng wie das Format sind auch die Charaktere des Films umrissen. Der alternde, opportunistische Kollaborateur, die Widerstandskämpferin und der junge, glühende Nationalsozialist – die Figuren lassen wie manche Mono- und Dialoge ihre Konstruktion und belehrende Funktion etwas zu sehr erkennen und überzeugen dadurch nicht vollkommen.
Insgesamt gelingt dem Altmeister jedoch ein erstaunlich dichtes Alterswerk, das den Nationalsozialismus und den Holocaust abseits des üblichen Hollywoodkitsches nüchtern und bedrückend verhandelt. Durch die Dilemmata, in die "Paradies" seine drei Hauptakteure (wiederholt) wirft, stellt sich auch das Publikum die Frage, wie es sich in vergleichbaren Situationen entschieden hätte. Eine Antwort darauf überlässt der Regisseur seinen Zuschauer allerdings nicht, wenn er ganz am Ende die Doppeldeutigkeit seines Titels offenbart und sich dadurch zum moralischen Richter aufschwingt.
Fazit: Andrei Konchalovskys "Paradies" ist eine nüchterne, künstlerisch anspruchsvolle Versuchanordnung, die die Schrecken des Nationalsozialismus ohne den üblichen Hollywoodkitsch vermittelt und moralisch klar Position bezieht. Dabei leidet das sehenswerte Drama allerdings etwas an seiner Überkonstruiertheit.
Konchalovskys jüngstes Werk ist eine strenge Versuchsanordnung. Dokumentarisch anmutende Verhörsituationen wechseln sich mit Spielszenen ab. Letztere bebildern die in Ersteren vorgetragenen Erinnerungen. Die schmalen, schwarz-weißen Einstellungen im historischen 1:1,33-Format lassen den Figuren nur wenig Platz. Dementsprechend inszeniert Konchalovsky mehr in die Tiefe, ordnet Schauspieler und Requisiten durchdacht und bedeutungsvoll auf drei wohl komponierten Bildebenen an. Durch Türen und Fenster gerahmt erscheinen die drei Hauptcharaktere wiederholt wie Gefangene der Zeit und ihrer Umstände, letztlich aber immer ihrer bewussten Entscheidungen. Auf klassische Filmmusik verzichtet Konchalovsky dabei komplett. Die einzigen Klänge, die vor dem Abspann zu hören sind, entspringen direkt der Handlung.
Während Philippe Duquesne und besonders Julia Vysotskaya beeindruckende Leistungen abliefern, agieren die deutschen Darsteller allzu gern wie auf einer Theaterbühne. Ähnlich eng wie das Format sind auch die Charaktere des Films umrissen. Der alternde, opportunistische Kollaborateur, die Widerstandskämpferin und der junge, glühende Nationalsozialist – die Figuren lassen wie manche Mono- und Dialoge ihre Konstruktion und belehrende Funktion etwas zu sehr erkennen und überzeugen dadurch nicht vollkommen.
Insgesamt gelingt dem Altmeister jedoch ein erstaunlich dichtes Alterswerk, das den Nationalsozialismus und den Holocaust abseits des üblichen Hollywoodkitsches nüchtern und bedrückend verhandelt. Durch die Dilemmata, in die "Paradies" seine drei Hauptakteure (wiederholt) wirft, stellt sich auch das Publikum die Frage, wie es sich in vergleichbaren Situationen entschieden hätte. Eine Antwort darauf überlässt der Regisseur seinen Zuschauer allerdings nicht, wenn er ganz am Ende die Doppeldeutigkeit seines Titels offenbart und sich dadurch zum moralischen Richter aufschwingt.
Fazit: Andrei Konchalovskys "Paradies" ist eine nüchterne, künstlerisch anspruchsvolle Versuchanordnung, die die Schrecken des Nationalsozialismus ohne den üblichen Hollywoodkitsch vermittelt und moralisch klar Position bezieht. Dabei leidet das sehenswerte Drama allerdings etwas an seiner Überkonstruiertheit.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Paradies"
Land: Russland, DeutschlandWeitere Titel: Рай; Paradise
Jahr: 2016
Genre: Drama, Historie
Originaltitel: Ray
Länge: 130 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 27.07.2017
Regie: Andrey Konchalovskiy
Darsteller: Yuliya Vysotskaya als Olga, Viktor Sukhorukov als Heinrich Himmler, Peter Kurth als Obersturmbannführer Hans Krause, Philippe Duquesne als Zhyul, Jean Denis Römer als Shulman
Verleih: Alpenrepublik GmbH Filmverleih
Awards - Oscar 2017Weitere Infos
- Bester fremdsprachiger Film
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