FBW-Bewertung: Manche hatten Krokodile (2016)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Dass St. Pauli ein spezieller Mikrokosmos ist, wird jedem bewusst sein, der schon einmal dort war. Doch um Menschen, die das berühmte Viertel in Hamburg bewohnen, wirklich kennenzulernen, müssten wir uns schon etwas mehr Zeit nehmen. Das hat Christian Hornung mit seinem Dokumentarfilm geleistet. In seiner dokumentarischen Herangehensweise eher klassisch, erzählt er von in St. Pauli gestrandeten Menschen bzw. lässt diesevon sich erzählen. Klassisch deswegen, weil die Kamera meist starr ist und ganz auf die einzelnen Charaktere vertraut, die davon erzählen, wie sie nach St. Pauli gekommen sind und was sie bis heute dort gehalten hat. Mit großer Sympathie und respektvoll wird diesen Menschen begegnet und Raum fürihre Erzählungen gelassen. Wie viel Seemannsgarn darunter ist, kann jeder selbst entscheiden. Was auffällt: Dass es um den Mythos St. Pauli geht, den paradigmatischen Ort der Lebenskünstler. Entsprechend schwebt eine Atmosphäre der Melancholie oder Nostalgie über den Geschichten. Die Menschen,denen wir begegnen, sind die Dinosaurier St. Paulis, sozusagen die letzten derjenigen, die den Mythos noch erlebt haben.Diese fast Tableau artigen Bilder sind klug miteinander verbunden und werden durch weitere klare dramaturgische Bauformen ergänzt, die jeweils mit klaren formalen Mitteln versehen werden: wenn die Handkamera einer neu eingeführten Person folgt, so dass diese so lange zu sehen ist, bis sie die Kneipe oder einen anderen Arbeitsplatz (Friseurladen z. B.) erreicht hat; wenn vor der Kamera vorbeifahrende Fahrzeuge wie eine Wischblende verwendet werden, so dass die Ladenansicht in Zeitsprüngen wechselt. Sehr schön wird so die Veränderung sichtbar, der stetige Wandel, der quer zu den alteingesessenen Bewohnern steht.
Christian Hornungs MANCHE HATTEN KROKODILE ist ein kluger und unterhaltsamer Dokumentarfilm im beobachtenden Stil, der in seiner klassischen Art nicht zufällig an den berühmten Dokumentarfilmer Klaus Wildenhahn erinnert.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)