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FBW-Bewertung: Es war einmal Indianerland (2016)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Nils Mohls?Es war einmal Indianerland? ist seit 2011 ein Bestseller unter den Jugendromanen. Ilker Çatak hat die schrille Coming-of-Age-Geschichte aus einer städtischen Hochhaussiedlung verfilmt, genauso schrill, genauso hastend und donnernd wie die Buchvorlage.

Mauser ist 17, Boxer und mit einem Mal total verliebt in Jackie, eine Tochter aus gutem Haus. Dann lernt er Edda in der Videothek kennen und die Sache wird kompliziert. Richtig aus der Bahn geworfen wird Mauser aber erst, als er erfährt, dass sein Vater wegen Mordes gesucht wird. Und das alles nur ein paar Tage vor seinem großen Wettkampf.

ES WAR EINMAL INDIANERLAND ist zweifellos ein cinephiler Film. ELEMENTARTEILCHEN, LA HAINE, LOVE STEAKS:Çatak bietet assoziative Collagen zu anderen Filmen und dennoch hat er die Meinung der Jury gespalten. ES WAR EINMAL INDIANERLAND stellt gewohnte Rezeptionskonzepte in Frage. Das ist mutig, kann aber auch schief gehen. Der Film orientiert sich dabei dramaturgisch an der Buchvorlage. Er springt in den Zeitebenen, verknüpft sie assoziativ und will damit Einblicke in die Wahrnehmung des Protagonisten gewähren. Aber, so urteilt die Jury, Konzepte, die im Printbereich Erfolg haben, müssen nicht unweigerlich auch im Film reüssieren.

In der Diskussion zeigte sich: ES WAR EINMAL INDIANERLAND polarisiert. Soübte ein Teil der Jury Kritik an der Dramaturgie Çataks. So wild und bunt sich der Film gibt, so überdreht schienen ihr die üppigen Party-Szenen. Insbesondere die Pow-Wow-Story im letzten Teil des Films wirkte auf sie etwas aufgesetzt und zu lang. Im Gegenzug wünschte sie sich dagegen mehr Tiefgang bei den Charakteren.

Demgegenüber erkannte ein anderer Teil der Jury künstlerische Finesse in der Dramaturgie des Films. Dialoge, die an Hörspiele von Alfred Andersch erinnern, und Assoziativketten, die seit Anfang der 1970er Jahre kaum noch auf der Leinwand zu erleben sind, überzeugten hier. Dementsprechend wurde auch dieCharakterisierung der Darsteller als aus der Verstörung des jugendlichen Darstellers begriffen und als völlig treffend bewertet.

Einer Meinung war die Jury dagegen bei der Bewertung der Sidestory rundum das Verbrechen des Vaters. Auch wenn das Geschehen aus den Augen eines 17jährigen Protagonisten erzählt wird, lassen Tat und vor allem Flucht des Vaters zu viele Fragen offen, um sich glaubwürdig in die Handlung zu integrieren.

Aber auch die twitterorientierte Kennzeichnung und Unterteilung in Kussszenen (#Kuss 1, #Kuss 2, etc.) stieß bei der Jury auf Kritik. Da sie das Gefühl hat, dass der Film eher als eine Erinnerung an jugendliche Gefühlswelt für das Publikum jenseits der 30 wirkt als eine Coming-Of-Age-Geschichte für das Publikum im Alter des Protagonisten, hinterließen die Inserts einen etwas ?pubertären? Beigeschmack.

In der ausgiebigen Diskussion zeigte sich weiterhin, dass die Jury die Qualität des Films sehr unterschiedlich wertete. Letztlich setzte sich eine Mehrheit durch, die künstlerischen Qualitäten der jugendlichen Milieustudie zu beachten und dem Film aufgrund dieser eindeutigen Qualitäten das Prädikat ?besonders wertvoll? zu verleihen.



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