FBW-Bewertung: Auerhaus (2019)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: ?Dallas?, ?Dirty Dancing?, der Mauerfall, die Zeit der Wende: die 1980er Jahre sind derzeit voll in den Fokus der Medien gerückt. Ob in, der Literatur oder in der Musik, überall tauchen die 80er auf, bisweilen als kitschig überhöhte Kult-Epoche, manchmal auch mit kritischer Konnotation.Und auch wenn nach neuesten Umfragen die meisten Deutschen am liebsten noch einmal in den 1980er Jahren leben würden, waren sie gewiss kein goldenes Zeitalter. Das zeigt auch Neele Leana Vollmars AUERHAUS.Die Literaturverfilmung nach Bov Bjergs Bestseller folgt der Geschichte des 17jährigen Höppner. 1983 beschließt der, zusammen mit drei Freunden, in ein altes Haus in der Provinzheimat zu ziehen. Vier Oberstufenschüler, von denen jeder aus ganz eigenen Gründen glaubt seine Freiheit im heruntergekommenen ?Auerhaus? zu finden. Da ist Frieder, der versucht hat, sich das Leben zu nehmen und jetzt unter ?Aufsicht? seines Freundes Höppner wieder auf die Beine kommen soll. Höppner wiederum will eigentlich nur mit seiner Freundin Vera zusammen sein, die aber nicht als einziges weibliches Wesen mit den beiden Freunden dort wohnen will. Und deshalb wird kurzerhand Streberin Cäcilia mit ins Haus geholt, die aber klammheimlich in Höppner verliebt ist.
Das klingt, als könne sich nun ein Reigen aus Liebe, Freundschaft und Freiheit entfalten, doch die Realität im Auerhaus fällt ganz anders aus. Die neue Wohnumgebung und die unterschiedlichen Charaktere sorgen für immer neue Probleme. Zwar bietet Vollmars Film auch kleine Sehnsuchtsmomente, dennoch ist AUERHAUS meilenweit von romantisch-restaurativen Verklärungen entfernt. Nach einem etwas schleppenden Anfang erwartet die Kinobesucher die gut nachvollziehbare, ländliche Tristesse einer Jugend in vergangener Zeit ? manchmal ein wenig traurig, manchmal ziemlich komisch, immer aber sehr authentisch.
Die Jury zeigte sich in der Diskussion von der Erzähllust des Films beeindruckt. Völlig linear berichtet Neele Leana Vollmar vom Zusammenleben im Auerhaus. Nach Ansicht der Jury eine weise Entscheidung, um den Spannungsbogen angesichts zahlreicher Nebenschauplätze der vier Hauptcharaktere zu erhalten. Im Auerhaus werden die Protagonisten zwar nicht die Freiheit finden, die sie sich ursprünglich erhofft haben, aber sie werden im Zeitraffertempo zu jungen Erwachsenen heranreifen. Und in der Tat kann AUERHAUS auch als ein brillanter Coming-of-Age-Film gelten, der trotz zeitgenössischer Bezüge auch für heutige Generationen Gültigkeit besitzt. Immerhin hat Neele Leana Vollmar den Film mit den Stars des gegenwärtigen Jugendkinos besetzt, die zum Erstaunen der Jury in keinster Weise abgenutzt wirken. Die Exaltiertheit jugendlicher Charaktere wird glaubhaft wiedergegeben. Damian Hardung, Luna Wedler und Devrim Lingnau gehen völlig inden Rollen auf. Ein besonderes Lob aber findet die Jury für die Leistung Max von der Groebens in der Rolle des suizidalen Frieder. Die kraftvolle Darstellung der vielen exzentrischen Wesenszüge lässt auch vergessen, dass der Film an manchen Stellen doch sehr in seiner Erzählung mäandert. Andererseits: Was genau bedeutet denn eine Jugend in der ländlichen Abgeschiedenheit der 80er Jahre? Keine Sensationen, sondern jede Menge Redundanz! Und die auf Film zu bannen, ohne aber das Publikum zu vergraulen, ist eine meisterliche Leistung.
Hoch angerechnet hat die Jury auch, dass Vollmar für den Soundtrack nicht auf die bekannten Hits der Zeit zurückgegriffen hat. Nahezu selbstverständlich taucht zwar einmal auch, als zu erwartende Analogie des Filmtitels, auch der Madness-Track ?Our House? auf, ansonsten aber bilden keine Mainstream-Hits von damals den musikalischen Hintergrund, sondern jene Titel die damals selbst aufgelegt wurden. AUERHAUS ist die äußerst gelungene Adaption des gleichnamigen Romans von Bov Bjerg: mitfühlend und unterhaltend, spannend und informativ zugleich. Ein Film dem die Jury gerne das Prädikat besonders wertvoll verleiht.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)