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FBW-Bewertung: Family Business (2015)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Christiane Büchners Dokumentarfilm FAMILY BUSINESS ist ohne Zweifel eines jener Werke, die den Nerv der Zeit auf den Kopf treffen. Ihre Auseinandersetzung mit dem privat organisierten Pflegesystem und den vielen Osteuropäerinnen, die darin tätig sind, wird in den nächsten Jahren an Relevanz noch deutlich gewinnen. Denn ohne die Pflegerinnen aus Polen, der Ukraine und anderen Staaten Osteuropas sähe es um die Versorgung unserer Senioren in nächster Zeit schlimm aus. Die Langzeitbeobachtung schildert das Verhältnis zwischen der Polin Jowita und ihrer betagten Klientin Anne, deren Demenzerkrankung sich im Laufe der Zeit immer mehr bemerkbar macht.

Am Anfang steht Jowitas Ausbildung zur Pflegehelferin, die die Mutter einer pubertierenden Tochter unternommen hat, weil das Haus der Familie aufgrund des engen finanziellen Rahmens einfach nicht fertig werden will. Und so tritt sie irgendwann den schweren Weg nach Bochum an, wo sie mit Bangen und gemischten Gefühlen zwischen Nervosität und Heimweh ein Zimmer im Haus Annes bezieht, um dort zwei Monaten lang die alte Dame mit der ?spitzen Zunge? zu betreuen. Dann folgt die Ablösung durch eine ebenfalls polnische Kollegin, mit der sie sich fortan den Job teilt. Doch das Hin und Her zwischen Polen undDeutschland, die beiden vollkommen verschiedenen Leben, die sie nun gezwungenermaßen führt und das nicht ganz einfache Verhältnis zu Anne, machen den Job zu einer schwierigen Aufgabe.

Voller Diskretion und mit bemerkenswerter Konsequenz folgt Christiane Büchners Film seiner Protagonistin und zeigt sie in ihren unterschiedlichen Welten. Und selbst das eine Mal, in dem der Film von seiner künstlerischen Strategie abweicht und eine Weile das Zusammenleben von Jowitas Kollegin Anya und Anne zeigt, erweist sich diese Entscheidung als goldrichtig, dennnur so werden die unterschiedlichen Herangehensweisen und auch Jowitas Unerfahrenheit sowie die Tatsache deutlich, dass sie als erste Pflegerin der Demenzkranken einen schweren Stand hat. Als gelungen erweist sich zudem auch, dass die Regisseurin die eigentliche Pflegearbeit niemals zeigt, sondern sich stattdessen völlig auf die rein psychologischen und auch wirtschaftlichen Aspekte sowie deren Auswirkungen auf das Beziehungsgeflecht Jowitas und Annes konzentriert. Auf diese Weise entsteht eine intime, aber niemals voyeuristische Betrachtung über eine Zwangsgemeinschaft, wie wir ihr in Zukunft noch häufiger begegnen werden. Ein sehenswerter Film.



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