Die Blumen von gestern (2015)
Dramödie über den Enkel eines Holocaust-Täters, der sich in die Enkelin eines Holocaust-Opfers verliebt.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 1 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Totila Blumen (Lars Eidinger) ist Holocaust-Forscher und Enkel eines Nazi-Täters. Er trägt schwer an seinem Schuldkomplex und wird schnell aggressiv, weswegen die Organisation eines Auschwitz-Kongresses einem anderen übertragen wird. Diesen Balthasar Thomas (Jan Josef Liefers) schlägt Toto, wie ihn alle nennen, im Streit gleich zusammen.
Toto bekommt ungefragt eine französische Praktikantin zugewiesen: Die junge Zazie (Adèle Haenel) ist genauso cholerisch und unberechenbar wie er. Noch dazu ist sie mit Balthasar liiert. Aber der weiß nicht, dass sie sich für Toto nicht nur wegen seines berühmten Buchs interessiert, sondern auch wegen ihrer Familiengeschichte. Zazie lockt Toto aus der Reserve und richtet sein Augenmerk auf die schönen Seiten des Lebens, zugleich aber auch hinein in seinen tiefen Schmerz.
Bildergalerie zum Film "Die Blumen von gestern"
Hier streamen
Filmkritik
Zwei junge Menschen aus der heutigen Enkelgeneration tragen noch immer schwer am Erbe des Holocaust. Der eine von ihnen lebt nur für seine Arbeit als Holocaustforscher und kann sich nicht von der Schuld seines Großvaters befreien. Die andere läuft als Enkelin einer ermordeten Jüdin ähnlich verhaltensgestört durchs Leben. Ist es möglich, dass sich diese Menschen ineinander verlieben und sich ein Stück weit gegenseitig heilen? Es ist der Aberwitz einer solchen Idee, die den neuen Film von Regisseur Chris Kraus ("Vier Minuten") aus der Masse anderer Werke zur Vergangenheitsbewältigung abhebt. Das Thema ist ernst, aber die Charaktere sind als Geschädigte auch ins Komische überdreht. So entfaltet das lustige Drama eine kraftvolle Energie, die direkt aufs Herz zielt.
Es dauert vielleicht eine Weile, bis man in den Sog der sehr originellen Dynamik gerät. Am Anfang wirkt der aggressive Historiker – schon diese Eigenschaft widerspricht dem Klischee des Berufs - , wie einer dieser Charaktere aus einem aufgemotzten Fernsehfilm, der viel Lärm um nichts veranstalten wird. Alles ist so auf merkwürdig getrimmt: Wenn Toto aus der Arbeit heimkommt, zu seiner Frau Hannah (Hannah Herzsprung) und seiner Adoptivtochter, gibt es neue Irritationen. Der Haussegen hängt chronisch schief und die Eheleute verheddern sich in ihren Versuchen, ihn zu stabilisieren. Hannah hat ihre eigenen Macken, sie trifft sich relativ wahllos mit anderen Männern zum Sex. Die schlaue Praktikantin aus Frankreich aber begreift umstandslos, wie das mit Toto zusammenhängt.
Wer Adèle Haenel, die hier Deutsch spricht, aus "Les Combattants" kennt, kann sich auf einen ähnlich wuchtigen Auftritt eines trotzig-sensiblen Charakters freuen. Ihre unglaubliche Präsenz hat etwas Komödiantisches, Entwaffnendes, das sehr gut mit Lars Eidingers vitaler Eigenwilligkeit harmoniert. Schritt für Schritt nähern sich die beiden Figuren einander an und vollführen einen emotionalen Tanz, der die Zuschauer völlig gefangen nimmt. All das hat mit dem Holocaust zu tun, und doch wirkt diese thematische Verknüpfung auch stets wie ein Kunstgriff, ein Gedankenspiel. Es dient dazu, verkrustete Methoden im Umgang mit dem geschichtlichen Erbe aufzubrechen und nach einem persönlicheren Zugang zu fahnden. Chris Kraus erweist sich wieder als ein Meister des Intensiven, nicht nur mit seiner Schauspielerführung, auch mit der Montage, der fesselnden Bildkomposition, der Musik. Das macht den Film, und zwar relativ unabhängig von der Frage der inhaltlichen Relevanz, zum Erlebnis.
Fazit: Chris Kraus' wuchtiger Spielfilm über den Enkel eines Nazi-Täters und die Enkelin eines Holocaust-Opfers bohrt sich mit den Mitteln der Komödie in überraschende dramatische Tiefen. Das Spiel der beiden Hauptdarsteller Lars Eidinger und Adèle Haenel zieht die Zuschauer mit seiner eruptiven Kraft in den Bann. So kommt, unterstützt von dem ähnlich expressiven Inszenierungsstil, ein berührender emotionaler Entdeckungsprozess in Fahrt.
Es dauert vielleicht eine Weile, bis man in den Sog der sehr originellen Dynamik gerät. Am Anfang wirkt der aggressive Historiker – schon diese Eigenschaft widerspricht dem Klischee des Berufs - , wie einer dieser Charaktere aus einem aufgemotzten Fernsehfilm, der viel Lärm um nichts veranstalten wird. Alles ist so auf merkwürdig getrimmt: Wenn Toto aus der Arbeit heimkommt, zu seiner Frau Hannah (Hannah Herzsprung) und seiner Adoptivtochter, gibt es neue Irritationen. Der Haussegen hängt chronisch schief und die Eheleute verheddern sich in ihren Versuchen, ihn zu stabilisieren. Hannah hat ihre eigenen Macken, sie trifft sich relativ wahllos mit anderen Männern zum Sex. Die schlaue Praktikantin aus Frankreich aber begreift umstandslos, wie das mit Toto zusammenhängt.
Wer Adèle Haenel, die hier Deutsch spricht, aus "Les Combattants" kennt, kann sich auf einen ähnlich wuchtigen Auftritt eines trotzig-sensiblen Charakters freuen. Ihre unglaubliche Präsenz hat etwas Komödiantisches, Entwaffnendes, das sehr gut mit Lars Eidingers vitaler Eigenwilligkeit harmoniert. Schritt für Schritt nähern sich die beiden Figuren einander an und vollführen einen emotionalen Tanz, der die Zuschauer völlig gefangen nimmt. All das hat mit dem Holocaust zu tun, und doch wirkt diese thematische Verknüpfung auch stets wie ein Kunstgriff, ein Gedankenspiel. Es dient dazu, verkrustete Methoden im Umgang mit dem geschichtlichen Erbe aufzubrechen und nach einem persönlicheren Zugang zu fahnden. Chris Kraus erweist sich wieder als ein Meister des Intensiven, nicht nur mit seiner Schauspielerführung, auch mit der Montage, der fesselnden Bildkomposition, der Musik. Das macht den Film, und zwar relativ unabhängig von der Frage der inhaltlichen Relevanz, zum Erlebnis.
Fazit: Chris Kraus' wuchtiger Spielfilm über den Enkel eines Nazi-Täters und die Enkelin eines Holocaust-Opfers bohrt sich mit den Mitteln der Komödie in überraschende dramatische Tiefen. Das Spiel der beiden Hauptdarsteller Lars Eidinger und Adèle Haenel zieht die Zuschauer mit seiner eruptiven Kraft in den Bann. So kommt, unterstützt von dem ähnlich expressiven Inszenierungsstil, ein berührender emotionaler Entdeckungsprozess in Fahrt.
Bianka Piringer
FBW-Bewertung zu "Die Blumen von gestern"Jurybegründung anzeigen
Mit DIE BLUMEN VON GESTERN hat Chris Kraus eine erstaunlich mutige undüberraschende Tragikomödie über die Erinnerungskultur und Erforschung des Holocaust inszeniert.Es geht um einen Holocaustforscher (Lars Eidinger) zwischen Gegenwart und [...mehr]TrailerAlle "Die Blumen von gestern"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Die Blumen von gestern"
Land: Deutschland, USAJahr: 2015
Genre: Komödie, Romantik
Kinostart: 12.01.2017
Regie: Chris Kraus
Darsteller: Lars Eidinger als Toto, Adele Haenel als Zazie, Jan Josef Liefers als Balthasar, Hannah Herzsprung als Hannah, Sigrid Marquardt als Tara Rubinstein
Kamera: Sonja Rom
Verleih: Piffl Medien
Verknüpfungen zu "Die Blumen von gestern"Alle anzeigen
News
Deutsche Filmpreise: "Die Blumen von gestern" erhält meiste Nominierungen
Favorit auf die Lola bleibt "Toni Erdmann"
Favorit auf die Lola bleibt "Toni Erdmann"