FBW-Bewertung: Ein Metjen nahmens Preetzen (2014)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Wir schreiben das Jahr 1676. Den Kieler Stadtprotokollen ist zu entnehmen, dass in diesem Jahr die letzten beiden Hexen von Kiel auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Die Stieftochter einer der beiden angeblichen Hexen hieß Anje Preetzen, deren Aussagen vor Gericht der Mutter das Leben kostete.Anje Preetzen erzählt uns nun im Off ihre Geschichte und damit bekommen wir ein äußerst plastisches Sittenbild vom Leben in der Stadt Kiel im 17. Jahrhundert. Ein geschickter dramaturgischer Kniff von Gerald Koll, welcher bei diesem fiktiven ?bebildertem Hörspiel? mit realem Hintergrund für Regie, Buch und Kamera gleichzeitig verantwortlich zeichnet.
Fünfeinhalb Seiten originale Gerichtsakten von damals dienen Gerald Koll zur Orientierung und gedanklichen Einordnung für diesen Fall. Bilder, Karten, Buchseiten, Porträts, Filme aus der Frühzeit der Kinematographie, später auch mit Kieler Bezug, Details von Plastiken und Kieler Bauwerken usw.. All diese Vorlagen werden zu einem den Zuschauer überwältigenden Stakkato haften Feuerwerk an Bildern montiert, welche die Tonebene begleiten.
Im gebotenen Tempo der beiden Erzählebenen wird dem Zuschauer einige Konzentration zugemutet. Dazu die Frage: Was ist in dem Reigen nur Behauptung und was ist belegt? Sind Anje Preetzen und die anderen Personen im Reigen wirklich veritable Zeitzeugen?
Nichtsdestotrotz bekommt der Zuschauer ein phantastisch plastisches Bild vom Kieler Leben vor 350 Jahren und von einer Gesetzgebung, deren Inhalte aus heutiger Sicht vollkommener Irrsinn sind. Nebenbei obliegt dem Zuschauer auch noch Einiges an persönlicher Reflexion und Fantasie, was durchaus als Bereicherung anzusehen ist.
Die Jury bescheinigt Gerald Koll eine ungeheure Arbeit bei Recherche und Montage des überwältigenden Materials. Und in der vorliegenden außergewöhnlichen filmischen Form eine Leistung der besonderen Art.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)