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FBW-Bewertung: Wir sind jung. Wir sind stark. (2015)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.

Im August 1992 kam es in Rostock-Lichtenhagen zu schweren Ausschreitungen gegen Asylanten, vor allem gegen die aus den umkämpften Balkangebieten geflüchteten Sinti und Roma, und gegen ein Haus, in dem Vietnamesen wohnten. Diese Ereignisse bilden den Hintergrund für den Film von Burhan Qurbani, der die Handlung auf einen einzigen Tag konzentriert und die wachsende Gewalttätigkeit, das Versagen der Politik, vor allem aber stellvertretend für die breite Masse das Verhalten einer kleinen Gruppe Jugendlicher genauer unter die Lupe nimmt, die sich indiesen Strudel der dumpfen Gewalt und des Hasses hineinziehen lässt. Im Mittelpunkt stehen Stefan, Sohn des Politikers Martin, sein Freund Robbie aus der sozialen Unterschicht, Goldhahn, der Sohn einer Friseurin, und Jennie, die sich mit Stefan einlässt und immer mehr zur Mitläuferin mutiert undnicht mehr die Kraft findet, sich der Welle von sinnlosem Hass entgegen zu stemmen. Diese Jugendlichen stehen zwischen zwei Ideologien ? noch ist die DDR-Vergangenheit präsent, aber auf der anderen Seite hat sich das freiheitliche Denken noch nicht vollständig durchgesetzt, und der früheren linken Ideologie steht verstärkt ein harter Rechtskurs gegenüber, der Deutschland von den Ausländern befreien will. Das soziale Umfeld spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle, denn Stefan kommt im Gegensatz zu Robbie aus einem gut situierten Haus und lässt sich dennoch aus verschiedenen Gründen, darunter aus Ablehnung gegen seinen politisch zögerlichen Vater und aus dem Drang, in seiner Clique nicht als Feigling oder Außenseiter zu gelten, in den Strudel der Gewalt reißen. Dabei steht dieser Junge am Anfang eher zaudernd den Entwicklungen gegenüber, scheint auf den ersten Blick vernünftiger und ausgewogener als seine Freunde zu sein. Doch am Ende hat er sich entschieden und wird sogar zum Anführer des geballten Fremdenhasses, den er in einem Angriff auf das Wohnheim der Vietnamesen und durch die Zerstörung einer Wohnung demonstriert.
Der Film baut einen dramaturgisch fesselnden Spannungsbogen auf. Und obwohl die Handlung weitgehend den Fakten folgt, ist dabei kein Dokumentarfilm entstanden, der sich bis ins letzte Detail an die historischen Vorgaben anlehnt, sondern ein eigenständiger Plot zum Thema Rassismus, Macht von Ideologien, einer verunsicherten Generationim Umschwung, Politikern zwischen den Stühlen von Legislative und Judikative, Massenhysterie als Instrument für Fundamentalisten und über die Hilflosigkeit derer, die im Vertrauen auf Sicherheit und eine neue Chance in einem demokratisch regierten Staat, in den sie aus ihren eigenen Ländern geflohen sind, dann doch nur wieder Opfer von Gewalt und Angst werden.
Auch die Kamera ist in diesem Zusammenhang lobend zu erwähnen, vor allem beim fließenden Übergang von den anfänglich schwarz-weißen Bildern zum letzten, in Farbe gedrehten Viertel des Films, wenn die Gewalt sich in Feuer undRauch manifestiert. Die Musik fügt sich ebenfalls hervorragend in die Dramaturgie ? vom Pop der frühen neunziger Jahre zu kämpferischen Liedern mit ideologischen Ansagen bis hin zur Klassik, in die sich Stefans Vater Martin flüchtet, um sich zunächst seiner Verantwortung zu entziehen und Augen und Ohren vor den dramatischen Ereignissen zu schließen. Nicht zuletzt sind auch die guten Darsteller erwähnenswert, darunter Jonas Nay als Stefan, Joel Basmann als Robbie und Devid Striesow als Martin, der bei dieser Herausforderung versagt und das auch selbst erkennt.




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