FBW-Bewertung: Der Fall Richard Jewell (2020)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Clint Eastwood ist inzwischen 89 Jahre alt, doch sein neuer Film DER FALL RICHARD JEWELL ist alles andere als ein Alterswerk. Auch hier erzählt er wieder die Geschichte vom ?American Hero?, die er sowohl in seinen Rollen wie auch bei seinen Regiearbeiten immer wieder aus anderen Blickwinkeln behandelt. Diesmal ist sein Protagonist wohl der seltsamste und unwahrscheinlichste Held in Eastwoods Erzählkosmos, denn Richard Jewell istein übergewichtiger, linkischer Wichtigtuer, der gerne in Uniform eine Autoritätsperson mimt, aber noch Zuhause bei seiner Mutter wohnt. Doch Jewell hat seinen Moment der Größe, wenn er bei dem Bombenattentat auf die Olympischen Spiele in Atlanta als Erster die Bombe entdeckt und viele Menschenleben rettet, indem er die Evakuierung in Gang setzt. Aber für das FBI und die Presse ist er ein perfekter Sündenbock, und als er verdächtigt wird, selber der Attentäter zu sein, beginnt eine Hexenjagd auf ihn, die ihn dann tatsächlich zu einem Helden werden lässt. Die wahre Geschichte hat Eastwood mit Souveränität und viel Empathie für seinen Titelhelden inszeniert. Exemplarisch wird hier gezeigt, wie zwei Machtsysteme, der Polizeiapparat und die Presse, die Existenz eines Unschuldigen existentiell bedrohen können. Ihre Vertreter sind eine ehrgeizige Reporterin und ein FBI-Agent, derunbedingt einen Schuldigen präsentieren will. Sie werden von Olivia White und Jon Hamm verkörpert, beide selbstbewusste Siegertypen, während Richard Jewell, mit hängenden Schultern und einem unsicheren Blick, von Paul Walter Hauser sehr überzeugend und berührend als ein Mensch verkörpert wird, der der Situation, in die er geworfen wurde, lange Zeit nicht gewachsen ist. An seiner Seite sind ebenfalls zwei Außenseiter: Sam Rockwell gibt einen gewitzten, rebellischen Anwalt und Kathy Bates spielt Richard Jewells Mutter, die mit ihrer Empörung und Verzweiflung das moralische Zentrum desFilms bietet. Alle Rollen sind perfekt besetzt und Eastwood erzählt mit dem von ihm gewohnten schnörkellosen Realismus, der den Film zugleich zu einem gesellschaftspolitischen Lehrstück und berührendem Gefühlskino werden lässt.Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)