FBW-Bewertung: Exodus: Götter und Könige (2014)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Ridley Scott erzählt die biblische Geschichte von der Befreiung des jüdischen Volkes aus der Sklaverei Ägyptens erstaunlich modern. Sein Moses ist keine heilige Vaterfigur wie Charlton Heston in Cecil B. DeMilles DIE ZEHN GEBOTE und bei fast allen weiteren künstlerischen Interpretationen des 2. Buch Mose. Christian Bale spielt ihn als einen pragmatischen Feldherren, der lieber auf die Vernunft als auf die Götter vertraut. So wird auch die Heilsgeschichte vom kleinen Moses im Weidenkorb nicht als erster Akt inszeniert, sondern später eher beiläufig in einer Dialogszene erzählt. Der Moses dieses Films ist ein junger und besonnener Offizier des ägyptischen Heeres, der wie ein Bruder zusammen mit dem zukünftigen Pharao Ramses aufgewachsen ist. Der alte Pharao, der von John Turturro mit gelassener Gravität gespielt wird, zieht diesen Ziehsohn seinem eigenen Nachfolger vor, und so entwickelt diesereine Eifersucht gegen Moses, die darin mündet, dass er, sobald er den Thron seines Vaters geerbt hat, Moses vom Hof und aus dem Land verbannt. Das Psychodrama zwischen Moses und Ramses wird überraschend komplex und realistisch inszeniert. Da gibt es keine religiösen oder mythologischen Überhöhungen: Ramses und Moses sind junge, kluge und ehrgeizige Männer, deren Freundschaft sich langsam in eine erbitterte Gegnerschaft verwandelt. Christian Bale und Joel Edgerton wirken dabei wie jetzige Helden ? ihre Sprache und Gesten haben nichts alt-testamentarisches an sich, und dennoch gelingt es Scott erstaunlich gut, diese Figuren glaubwürdig in ihrer Ära zu verankern, sodass nichts an ihnen anachronistisch erscheint. Die Erscheinungen Gottes, die Moses widerfahren, werden mit keinerlei religiösem Pathos präsentiert. Nur die bei Wagner angelehnte Filmmusik beim brennenden Dornenbuschund dem ersten Erscheinen Gottes als Knabe verleiht dieser Szene eine hymnische Stimmung. Auch wenn Moses das jüdische Volk in die Rebellion gegen die Ägypter führt, ist er eher ein Widerstandskämpfer als ein Prediger. Er bildet die Männer an den Waffen aus, und greift die Feinde mit einer raffinierten, (und bildgewaltig in Szene gesetzten) Guerillataktik an. Hier und bei den Bildern von den Plagen, die Ägypten heimsuchen, sind die computergenerierten 3D-Aufnahmen so detailliert und imposant, dass man in den Sog der Bilder hineingezogen wird wie nur selten im Kino. Scott bedient sich dabei kaum der ikonenhaften Bildersprache der jüdischen und christlichen Tradition, sondern schafft neue Visionen. So erinnern die Teilung des roten Meeres und die nachfolgende Versenkung der ägyptischen Streitmacht an die dokumentarischen Filmaufnahmen von Tsunami-Katastrophen, die seit einiger Zeit zum kollektiven Bildgedächtnis gehören. Bei den Diskussionen der Jury wurde darüber debattiert, ob solch ein Film heute noch zeitgemäß ist. Inhaltlich kann man sicher darüber streiten, doch gestalterisch ist EXODUS unbestritten ganz auf der Höhe der Zeit.Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)