Qissa. Der Geist ist ein einsamer Wanderer (2012)
Qissa: The Tale of a Lonely Ghost
Indisches Drama: Da er sich unbedingt einen Sohn wünscht, lässt der Sigh Umber Singh nach der Geburt seiner vierten Tochter seine gesamte Familie im Glauben, seine Frau habe endlich den ersehnten männlichen Erben geboren und erzieht das nichtsahnende Mädchen zu einem Mann. Erst nach ihrer arrangierten Hochzeit mit einem Mädchen aus niederer Kaste fliegt die Lüge auf...Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 4 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Der Sikh Umber Singh (Irrfan Khan) wird 1947, als Pakistan von Indien abgetrennt wird, zum Verlassen seiner Heimat gezwungen. Er baut sich im indischen Teil des Punjab eine neue Existenz mit seiner Familie auf, aber das Trauma sitzt tief. Seine schwangere Frau Mehar (Tisca Chopra), die schon drei Mädchen zur Welt gebracht hat, hat Angst vor seiner Reaktion, sollte das vierte Kind nicht der ersehnte Junge werden. Tatsächlich ist das Baby ein Mädchen, aber Umber Singh erklärt es zum Sohn und nennt es Kanwar – "junger Prinz".
Als Teenager lernt Kanwar (Tillotama Shome) die junge Neeli (Rasika Dugal) kennen. Weil sie den vermeintlichen jungen Mann neckt, sperrt Kanwar sie über Nacht in einen Schuppen, um ihren Mut zu testen. Am nächsten Morgen, als die Leute aus dem Dorf Neeli schon überall suchen, sagt sie Kanwar, dass sie nun heiraten müssen: Das wäre der einzige Weg, die Familienehre zu retten. Tatsächlich hält Umber Singh, sobald er die beiden sieht, bei Neelis Vater im Namen Kanwars um die Hand der jungen Frau an. Nach der Hochzeit erfährt Neeli von den Schwiegereltern, dass Kanwar gar kein Mann ist, zumindest kein richtiger. Obwohl sie Mitleid mit Kanwar hat, will sie eines Nachts weglaufen, aber Umber Singh stellt sie. Kanwar, dem/der die Tragik der eigenen Situation allmählich bewusst wird, holt das Gewehr, um die Freundin zu verteidigen.
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Filmkritik
Ein Mädchen wächst in dem Glauben auf, es sei ein Junge. Als solcher ist Kanwar gegenüber seinen drei Schwestern privilegiert: Er geht auf Bärenjagd, darf einen Lastwagen steuern und erntet die ganze Bewunderung seines Vaters. Aber auf den tiefen Sturz von diesem Podest, der unweigerlich kommt, als er mit einer Frau verheiratet wird, hat Kanwar niemand vorbereitet. Das abgründige Drama "Qissa – Der Geist ist ein einsamer Wanderer" von Regisseur Anup Singh beweist erstaunlichen Mut in seiner Kritik an der patriarchalen indischen Gesellschaft. Es zeigt beispielhaft auf, wie Eltern ihren Kindern Konflikte aufbürden, die sie selbst nicht gelöst haben. Und wie eine traumatisierte oder zu stark in der Tradition verhaftete Gemeinschaft ihren eigenen Fortschritt verhindert.
Vordergründig handelt das Drama von einem Mann, der 1947 bei der Teilung des Landes wie Millionen von Menschen seine Heimat verliert. Umber Singh, so interpretiert es der Film, ist aufgrund dieses Traumas besessen vom Wunsch, das Fortbestehen seiner Familie zu sichern. Und das schafft er nur, wenn er einen Sohn bekommt. Hinter der Geschichte dieses Mannes, der sogar bereit ist, das Schicksal zu betrügen, tut sich aber das noch größere Drama seines um das Glück betrogenen Kindes auf. Kanwar weiß insgeheim, dass sie kein Junge ist, aber sie verdrängt diese Wahrheit, weil sie sonst die Liebe des Vaters, ja ihren gesamten Selbstwert verlieren würde. Als sie später in Neeli eine Verbündete findet, die ihr helfen will, ein neues Leben als Frau zu beginnen, steht Kanwar vor einer Zerreißprobe. Der Film schildert sie, indem er den Geist ihres toten Vaters auftauchen lässt. Aber auch die Gesellschaft selbst, vertreten durch Kanwars Onkel, stellt sich den beiden Freundinnen in den Weg.
Die junge Schauspielerin Tillotama Shome beeindruckt mit dem tiefen Ernst, mit welchem sie das Dilemma ihrer unschuldigen Filmfigur auslotet. Obwohl die Rahmenhandlung mit Umber Singh als Ich-Erzähler den tragischen Verlauf bereits am Anfang ankündigt, gibt es immer wieder fröhliche Passagen, die wie aus dem Leben gegriffen wirken. Aber die Atmosphäre verdüstert sich zunehmend ins Unheimliche: Der Tod, ein Hausbrand, Ruinen, und immer wieder blinde Spiegel, in denen man nichts erkennt, konfrontieren Kanwar und ihren Vater mit der inneren Verwüstung. Spannend wirkt vor allem auch der physische Charakter des väterlichen Geistes: Nach westlicher Lesart dürfte er lediglich eine Einbildung Kanwars sein, aber der Film weist ihm eine aktive Rolle zu. Der Regisseur hat den Film seiner Mutter gewidmet. Er ist ein so aufwühlender wie aufrichtiger Appell an seine Landsleute, Frauen nicht länger zu missachten.
Fazit: Das bewegende indische Drama über ein Mädchen, das ihrem Vater den gewünschten Sohn buchstäblich ersetzen muss, appelliert eindringlich an die Elterngeneration, ihre Kinder vor den bösen Geistern der Vergangenheit zu schützen.
Vordergründig handelt das Drama von einem Mann, der 1947 bei der Teilung des Landes wie Millionen von Menschen seine Heimat verliert. Umber Singh, so interpretiert es der Film, ist aufgrund dieses Traumas besessen vom Wunsch, das Fortbestehen seiner Familie zu sichern. Und das schafft er nur, wenn er einen Sohn bekommt. Hinter der Geschichte dieses Mannes, der sogar bereit ist, das Schicksal zu betrügen, tut sich aber das noch größere Drama seines um das Glück betrogenen Kindes auf. Kanwar weiß insgeheim, dass sie kein Junge ist, aber sie verdrängt diese Wahrheit, weil sie sonst die Liebe des Vaters, ja ihren gesamten Selbstwert verlieren würde. Als sie später in Neeli eine Verbündete findet, die ihr helfen will, ein neues Leben als Frau zu beginnen, steht Kanwar vor einer Zerreißprobe. Der Film schildert sie, indem er den Geist ihres toten Vaters auftauchen lässt. Aber auch die Gesellschaft selbst, vertreten durch Kanwars Onkel, stellt sich den beiden Freundinnen in den Weg.
Die junge Schauspielerin Tillotama Shome beeindruckt mit dem tiefen Ernst, mit welchem sie das Dilemma ihrer unschuldigen Filmfigur auslotet. Obwohl die Rahmenhandlung mit Umber Singh als Ich-Erzähler den tragischen Verlauf bereits am Anfang ankündigt, gibt es immer wieder fröhliche Passagen, die wie aus dem Leben gegriffen wirken. Aber die Atmosphäre verdüstert sich zunehmend ins Unheimliche: Der Tod, ein Hausbrand, Ruinen, und immer wieder blinde Spiegel, in denen man nichts erkennt, konfrontieren Kanwar und ihren Vater mit der inneren Verwüstung. Spannend wirkt vor allem auch der physische Charakter des väterlichen Geistes: Nach westlicher Lesart dürfte er lediglich eine Einbildung Kanwars sein, aber der Film weist ihm eine aktive Rolle zu. Der Regisseur hat den Film seiner Mutter gewidmet. Er ist ein so aufwühlender wie aufrichtiger Appell an seine Landsleute, Frauen nicht länger zu missachten.
Fazit: Das bewegende indische Drama über ein Mädchen, das ihrem Vater den gewünschten Sohn buchstäblich ersetzen muss, appelliert eindringlich an die Elterngeneration, ihre Kinder vor den bösen Geistern der Vergangenheit zu schützen.
Bianka Piringer
TrailerAlle "Qissa. Der Geist ist ein einsamer Wanderer"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Qissa. Der Geist ist ein einsamer Wanderer"
Land: Niederlande, Indien, Frankreich, DeutschlandWeitere Titel: The Ghost is a lonely Traveller (AT)
Jahr: 2012
Genre: Drama
Originaltitel: Qissa: The Tale of a Lonely Ghost
Länge: 100 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 10.07.2014
Regie: Anup Singh
Darsteller: Faezeh Jalali, Rasika Dugal, Irrfan Khan, Tisca Chopra, Tillotama Shome
Kamera: Sebastian Edschmid
Verleih: Camino