FBW-Bewertung: James Bond 007: Keine Zeit zu sterben (2019)
Prädikat besonders wertvoll
Jurybegründung: Einen Moment lang wähnt man sich in die Anfangstage von James Bond zurückversetzt. Nämlich als der seinen Aston Martin in Richtung des süditalienischen Matera steuert und aus dem Radio Louis Armstrong sein ?We Have All The Time In The World? säuselt. Und das wird nicht die einzige Erinnerung an frühere Bond-Tage bleiben. Regisseur Cary Joji Fukunaga hat diese Momente gezielt eingestreut, um an die großen Tage einer Legende zu erinnern.Daniel Craig ist der Bond-Darsteller, der bislang am längsten die Rolle des Geheimagenten innehat und mit seinem sich im Laufe der Handlung entwickelten Schicksal ist er sicherlich einzigartig?. Die gut zwei Jahre Corona-Extra-Wartezeit haben sich durchaus gelohnt. Auch wenn KEINE ZEIT ZU STERBEN nicht den Maßstab für alle zukünftigen Bond-Filme setzen sollte, wird er den Erwartungen an das große Kino doch mehr als gerecht.
Noch vor dem bekannten Bond-Film-Vorspann muss Daniel Craigs Figur schon Bombenexplosion, Motorrad-, Auto- und Maschinengewehrattacken überleben. Keine Frage, auf eine Weise ist James Bond ganz der Alte geblieben. Jede Szene sitzt. Jede Sequenz ein tolles Bild, lobt die Jury in der Diskussion und auch, dass die Besetzung bis in die Nebenrollen hinein außerordentlich gut gecastet ist. Kein Zweifel, auch KEINE ZEIT ZU STERBEN ist echtes Kinospektakel, so, wie die Bond-Filme gemeinhin bislang immer eine Kategorie für sich darstellen.
Andererseits aber, so diskutiert die Jury anerkennend weiter, erfahren diesmal nicht nur ausgesprochene Fans mehr über Psyche und Schwächen des ehemaligen 007-Agenten als in früheren Jahren. Fukunaga musste hierfür einen ziemlichen Spagat leisten und, so viel vorweg genommen, es ist ihm auch geglückt. Auch wenn Craig der bislang verletzlichste Bond ist, steht die Marke James Bond seit Jahrzehnten für Männlichkeitswahn, Abenteuer und Action und wird dafür weit über die Fangemeinde hinaus geehrt. Andererseits aber hat die #metoo-Debatte auch bei KEINE ZEIT ZU STERBEN erlebbare Spuren hinterlassen ? im positivsten Sinne.
Nicht nur die eigene Verletzlich- und auch Endlichkeit thematisiert der Film, sondern auch Motive von Schuld und Vergebung, die psychische Analogie von Agent und Bösewicht und auch, ja wirklich: Familie! Längst sind Schuld und Angst ständige Begleiter des Agenten geworden. Längst kann er niemandem mehr vertrauen, so sehr er sich das auch wünscht. Eine zentrale Aussage des Films! Allmählich beginnt Bond zu dämmern, dass ihn seine ?licence to kill? nicht nur zum Täter macht, sondern auch dem Bösen immer ähnlicher werden lässt. Ein beinahe klassisches Sujet, das in der klaustrophobischen Begegnung mit seinem Erzfeind Blofeld einen dramaturgischen Höhepunkt findet.
Daniel Craig verkörpert in seiner letzten Bond-Darstellung einen sehr viel dünnhäutigeren Menschen, einen Agenten, der sich selbst als Gefahr für seine (Aller-)Nächsten zu erleben beginnt. Das hat es bislang noch nicht gegeben, goutiert die Jury, ebenso dass nicht jede Frau, die sein Schlafzimmer aufsucht, auch mit ihm im Bett landet. Im Gegenteil, diesmal muss er sogar einer Frau seinen 007-Status opfern.
Letztlich ist KEINE ZEIT ZU STERBEN aber natürlich kein Arthaus-Problemfilm, sondern Actionkino und als solches zur Vorlage eingereicht worden. Aber auch unter reinen Genre-Gesichtspunkten hat diese James-Bond-Verfilmung die Jury nicht im Mindesten enttäuscht. KEINE ZEIT ZU STERBEN ist bis zum letzten Augenblick packendes Kino, ausgezeichnet gespielt, hervorragend gefilmt und immer wieder mit einem Quantum Humor versehen. Hochwertiges Spannungskino, das die Jury gerne mit dem höchsten Prädikat auszeichnet.
Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)