Intrige (2019)
J'accuse
Infame Inszenierung: französisches Historiendrama mit Thrillerelementen über die Dreyfusaffäre nach einem Roman von Robert Harris.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
Filmsterne von 1 bis 5 dürfen vergeben werden, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste mögliche Bewertung ist. Es haben insgesamt 4 Besucher eine Bewertung abgegeben.
Paris, 5. Januar 1895: Der jüdische Offizier Alfred Dreyfus (Louis Garrel) wird im Hof der École Militaire vor den Augen seiner versammelten Kollegen und unter dem Johlen der umstehenden Bürger degradiert. Im Anschluss wird der des Landesverrats schuldig gesprochene Dreyfus zu lebenslanger Haft auf die Teufelsinsel in Französisch-Guyana verbannt. Kurz darauf tritt Dreyfus' ehemaliger Ausbilder, Major Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin), seine neue Stelle als Leiter des Auslandsnachrichtendienstes an.
Dort entdeckt er Beweise, die für Dreyfus' Unschuld sprechen. An Dreyfus' Stelle gerät Major Ferdinand Walsin-Esterházy (Laurent Natrella) als möglicher Verräter in Verdacht. Doch sowohl Picquarts Vorgänger Sandherr (Eric Ruf) und dessen treuer Untergebener Henry (Grégory Gadebois) als auch Picquarts Vorgesetzte und der zuständige Kriegsminister Billot (Vincent Grass) wollen die Angelegenheit unter den Teppich kehren. Dessen ungeachtet setzt Picquart den Ermittler Desvernine (Damien Bonnard) auf Esterházy an und riskiert damit seine eigene Karriere.
Bildergalerie zum Film "Intrige"
Hier streamen
Filmkritik
Angesichts eines weltweit wachsenden Antisemitismus kommt dieser Film genau zur richtigen Zeit. Roman Polanski, 1933 in Paris geboren, bekam den Hass auf Juden bereits als Kind zu spüren – erst in Frankreich, später im Krakauer Ghetto. Nach "Der Pianist" (2002) widmet er sich ein weiteres Mal dem Thema, blickt dieses Mal aber weiter zurück. "Intrige" zeigt, dass Antisemitismus eine Gefahr ist, die keine historische und geografische Beschränkung kennt.
Polanski ist nicht der erste Filmemacher, der sich des Stoffs annimmt. Die Dreyfusaffäre hat schon mehrfach den Weg ins Kino gefunden, erstmals unter der Regie von Georges Méliès, brandaktuell 1899. Als Vorlage diente Polanski Robert Harris' gleichnamiger Roman, der 2013 unter dem Originaltitel "An Officer and a Spy" erschienen ist. Nach "Der Ghostwriter" (2010) und dem gescheiterten Versuch, Harris' Roman "Pompeji" (2003) zu verfilmen, ist "Intrige" die dritte Zusammenarbeit der beiden. Erneut haben sie das Drehbuch gemeinsam verfasst. Die Bezüge zur Gegenwart sind unverkennbar.
Wenn der von Jean Dujardin gespielte Major Picquart – selbst kein Freund des auserwählten Volks, wie es sein Vorgesetzter sinngemäß formuliert – entgegen persönlicher Abneigungen im Sinne der Gerechtigkeit agiert, dann verweist das auf Whistleblower unserer Gegenwart. Das mutige Vorgehen des Schriftstellers Émile Zola verdeutlicht die Bedeutung einer freien Presse. Und Aussagen wie die des Vorgesetzten machen klar, wie tief Antisemitismus historisch verwurzelt und institutionalisiert ist. Ende des 19. Jahrhunderts sind der Militär- und Staatsapparat davon durchdrungen. Wer es zu etwas bringen will, stellt die Ideologie besser nicht infrage.
Polanski und Harris erzählen dieses infame Vorgehen der Mächtigen sehr ausführlich. Sie kürzen kaum ab. In zwei Stunden und zehn Minuten zeigen sie nicht nur die Überwachungstechniken der industrialisierten Moderne präzise und detailliert, sie schildern auch den langwierigen und kräftezehrenden Weg zur Rehabilitierung des von Louis Garrel verkörperten Afred Dreyfus. Allein die Anzahl der Gerichtsverfahren, in denen die Obrigkeit trotz erdrückender Gegenbeweise ein ums andere Mal an ihrem Urteil festhält, um ihr Gesicht zu wahren und ihre Macht zu erhalten, ist erschreckend – und zeigt wiederum Parallelen zur Gegenwart, etwa zum Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump auf.
Angesichts der schieren Ausmaße dieses Geschichtskrimis ist das Budget von geschätzten 25 Millionen Euro gering. Das sieht man dem Ergebnis mitunter an. Nicht jede Kulisse, nicht jeder Effekt überzeugt. Schauspieler, Inszenierung und eine auf Rückblenden setzende Dramaturgie hingegen schon. Dass Polanski seinen Film unspektakulär als klassischen Historienfilm in Szene setzt, ist dem Stoff angemessen.
Diskussionen löste denn auch nicht die Umsetzung, sondern der Mann dahinter aus. Polanski sieht sich bis heute alten und neuen Vergewaltigungsvorwürfen und einer Strafverfolgung in den USA ausgesetzt. Während die Filmgemeinde in der Vergangenheit Partei für den Regisseur ergriffen hatte, hat sich die Stimmung im Zuge der #MeToo-Debatte gedreht. Dementsprechend kritisch wurde beäugt, dass "Intrige" 2019 in den Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig eingeladen wurde und dort zudem den Großen Preis der Jury erhielt. Ungeachtet der Frage, ob Polanski überhaupt noch Filme machen sollte, ist sein jüngster ein ungemein wichtiger und dringlicher Beitrag zum gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Klima.
Fazit: Ungeachtet der Kontroverse um Roman Polanski ist "Intrige" ein wichtiger und dringlicher Film. An seine alte Klasse reicht der Regisseur zwar schon länger nicht mehr heran, beweist mit seinem jüngsten Historiendrama aber, was ihn einst zum einem Meister seines Fachs machte: ein drängendes Thema, kraftvolles Schauspiel und eine überzeugende Inszenierung.
Polanski ist nicht der erste Filmemacher, der sich des Stoffs annimmt. Die Dreyfusaffäre hat schon mehrfach den Weg ins Kino gefunden, erstmals unter der Regie von Georges Méliès, brandaktuell 1899. Als Vorlage diente Polanski Robert Harris' gleichnamiger Roman, der 2013 unter dem Originaltitel "An Officer and a Spy" erschienen ist. Nach "Der Ghostwriter" (2010) und dem gescheiterten Versuch, Harris' Roman "Pompeji" (2003) zu verfilmen, ist "Intrige" die dritte Zusammenarbeit der beiden. Erneut haben sie das Drehbuch gemeinsam verfasst. Die Bezüge zur Gegenwart sind unverkennbar.
Wenn der von Jean Dujardin gespielte Major Picquart – selbst kein Freund des auserwählten Volks, wie es sein Vorgesetzter sinngemäß formuliert – entgegen persönlicher Abneigungen im Sinne der Gerechtigkeit agiert, dann verweist das auf Whistleblower unserer Gegenwart. Das mutige Vorgehen des Schriftstellers Émile Zola verdeutlicht die Bedeutung einer freien Presse. Und Aussagen wie die des Vorgesetzten machen klar, wie tief Antisemitismus historisch verwurzelt und institutionalisiert ist. Ende des 19. Jahrhunderts sind der Militär- und Staatsapparat davon durchdrungen. Wer es zu etwas bringen will, stellt die Ideologie besser nicht infrage.
Polanski und Harris erzählen dieses infame Vorgehen der Mächtigen sehr ausführlich. Sie kürzen kaum ab. In zwei Stunden und zehn Minuten zeigen sie nicht nur die Überwachungstechniken der industrialisierten Moderne präzise und detailliert, sie schildern auch den langwierigen und kräftezehrenden Weg zur Rehabilitierung des von Louis Garrel verkörperten Afred Dreyfus. Allein die Anzahl der Gerichtsverfahren, in denen die Obrigkeit trotz erdrückender Gegenbeweise ein ums andere Mal an ihrem Urteil festhält, um ihr Gesicht zu wahren und ihre Macht zu erhalten, ist erschreckend – und zeigt wiederum Parallelen zur Gegenwart, etwa zum Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump auf.
Angesichts der schieren Ausmaße dieses Geschichtskrimis ist das Budget von geschätzten 25 Millionen Euro gering. Das sieht man dem Ergebnis mitunter an. Nicht jede Kulisse, nicht jeder Effekt überzeugt. Schauspieler, Inszenierung und eine auf Rückblenden setzende Dramaturgie hingegen schon. Dass Polanski seinen Film unspektakulär als klassischen Historienfilm in Szene setzt, ist dem Stoff angemessen.
Diskussionen löste denn auch nicht die Umsetzung, sondern der Mann dahinter aus. Polanski sieht sich bis heute alten und neuen Vergewaltigungsvorwürfen und einer Strafverfolgung in den USA ausgesetzt. Während die Filmgemeinde in der Vergangenheit Partei für den Regisseur ergriffen hatte, hat sich die Stimmung im Zuge der #MeToo-Debatte gedreht. Dementsprechend kritisch wurde beäugt, dass "Intrige" 2019 in den Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig eingeladen wurde und dort zudem den Großen Preis der Jury erhielt. Ungeachtet der Frage, ob Polanski überhaupt noch Filme machen sollte, ist sein jüngster ein ungemein wichtiger und dringlicher Beitrag zum gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Klima.
Fazit: Ungeachtet der Kontroverse um Roman Polanski ist "Intrige" ein wichtiger und dringlicher Film. An seine alte Klasse reicht der Regisseur zwar schon länger nicht mehr heran, beweist mit seinem jüngsten Historiendrama aber, was ihn einst zum einem Meister seines Fachs machte: ein drängendes Thema, kraftvolles Schauspiel und eine überzeugende Inszenierung.
Falk Straub
FBW-Bewertung zu "Intrige"Jurybegründung anzeigen
Kein anderer Ausspruch ist in der französischen Kultur so in das kollektive Bewusstsein eingegangen wie das ?J´acusse?, mit dem Émile Zola 1898 in einem offenen Brief an den Staatspräsidenten die Öffentlichkeit über die Hintergründe der [...mehr]TrailerAlle "Intrige"-Trailer anzeigen
Besetzung & Crew von "Intrige"
Land: FrankreichWeitere Titel: D.
Jahr: 2019
Genre: Thriller, Drama
Originaltitel: J'accuse
Länge: 132 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 06.02.2020
Regie: Roman Polanski
Darsteller: Jean Dujardin als Colonel Georges Picquart, Louis Garrel als Alfred Dreyfus, Emmanuelle Seigner als Pauline Monnier, Grégory Gadebois als Henry, Hervé Pierre
Kamera: Pawel Edelman
Verleih: Weltkino Filmverleih
Verknüpfungen zu "Intrige"Alle anzeigen
News
Deutsche Filmstarts: Heiner Lauterbach wird Opa
Margot Robbie kehrt als Harley Quinn zurück
Margot Robbie kehrt als Harley Quinn zurück
Trailer